Neuregeulierung der internationalen Finanzmärkte
Der Sozialwissenschaftler und ehemalige Bundestagsabgeordneter Detlev von Larcher über die Finanzspritze für die Industriebank IKB und die Lehren aus der Finanzkrise
Die Krise der deutschen Industriebank IKB dürfte die deutsche Politik noch länger beschäftigen. Am Freitag befasste sich auch der deutsche Bundestag mit dem Thema. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gab eine Regierungserklärung zur Situation der Finanzmärkte. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen fordern weitergehende politische Konsequenzen. Ein Gespräch mit Detlev von Larcher über die IKB und die Finanzkrise. Er war 12 Jahre lang Bundestagsabgeordneter der SPD und Sprecher des linken Frankfurter Kreises und ist jetzt Mitglied im Koordinierungsrat des globalisierungskritischen Netzwerkes attac und des internationalen Netzwerkes für Steuergerechtigkeit.
Wo sehen Sie die Ursache für die Krise bei der IKB?
Detlev von Larcher: Den Hauptgrund sehe ich in der grenzenlosen Deregulierung der internationalen Finanzmärkte. Dadurch können sich die Folgen der Immobilienkrise in den USA weltweit ausbreiten. In der Zeit des Booms wurden Pakete mit den Schuldentiteln mit hohen Zinsen an andere Banken verkauft. Auch verschiedene Landesbanken in Deutschland konnten diesem Run nach dem schnellen Geschäft nicht widerstehen. Was einmal einer besseren Risikoverteilung dienen sollte und hohe Gewinne versprach, ist jetzt zu einer immensen Gefahr geworden. Man kann die Situation mit der großen Krise im IT-Bereich vor einigen Jahren vergleichen. Als die Blase platze, waren die Folgen weltweit zu spüren. Aktuell betreffen die Folgen der massenhaften Insolvenzen von Häuslebauern in den USA ganze Ökonomien.
Kann der Verweis auf die US-Immobilienkrise nicht auch zur Ablenkung von hausgemachten Problemen genutzt werden?
Detlev von Larcher: Sicherlich ist die Krise in den USA der Auslöser. Doch die Banken in Deutschland müssen sich natürlich fragen, warum sie so viele Schuldtitel aufgekauft haben, obwohl Wirtschaftsanalysten seit Jahren auf die hohe Gefahr dieser Schuldenpakete hingewiesen haben. Da muss man schon nach dem Fachverstand des Bankenvorstands fragen. Die zweite Frage gilt den Kontrollinstrumenten, die hier völlig versagt haben.
Wirtschaftstheoretiker sehen die momentanen Entwicklungen im Bankensektor als Vorboten einer weltweiten Krise. Ist das nur Schwarzmalerei oder haben diese Warnungen einen realen Hintergrund?
Detlev von Larcher: Wie berechtigt diese Warnungen vor einer weltweiten Krise sind, vermag ich nicht einzuschätzen. Ich halte allerdings solche Szenarien für durchaus denkbar. Wie ernst die Lage ist, zeigte auch die Einschätzung von Bundesfinanzminister Steinbrück in der Bundestagsdebatte am Freitag. Er machte deutlich, dass wir uns das gesamte Jahr 2008 mit den Folgen der Bankenkrise beschäftigten müssen. Das zeigt schon deutlich, dass es sich nicht nur um das Problem einiger Banken handelt. Die Folgen für die Konjunktur und damit auch den Arbeitsmarkt in Deutschland sind nicht absehbar.
Bundesfinanzminister Steinbrück hat in dieser Bundestagsdebatte eine Aufstockung der Finanzhilfe an die IKB mit dem Argument verteidigt, dass nur so eine Verschärfung der Bankenkrise mit unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft in Deutschland verhindert werden kann. Ist seine Politik alternativlos?
Detlev von Larcher: Es ist aus wirtschaftspolitischer Sicht in der Tat rational, alles zu unternehmen, um eine Pleite der Bank zu verhindern. Die möglichen Folgen einer solchen Pleite für die Wirtschaft in Deutschland wurden in der Parlamentsdebatte gut beschrieben. Dabei gab es in den Grundfragen eine große Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg.
Aber heißt das nicht auch, dass für die Verluste einer Privatbank der Steuerzahler aufkommt, während Privatpersonen für Verluste selber aufkommen müssen?
Detlev von Larcher: Es ist in der Tat ein großes Problem, dass die Milliardenverluste der Bank auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Schließlich handelt es sicher hier schon um die dritte Rettungsaktion für die IKB. Die Privatbanken müssten verpflichtet werden, sich viel stärker an der Sanierung der Bank zu beteiligen. Das könnte auch dafür sorgen, dass sie künftig bei dem Kauf von scheinbar gewinnbringenden, in Wirklichkeit aber hochgefährlichen Schuldtiteln mehr Zurückhaltung zeigen würden.
Welche Vorschläge hat Attac gemacht, um solche Bankenkrisen in Zukunft zu minimieren?
Detlev von Larcher: An erster Stelle steht ein Finanzmarktregulierungsgesetz, das solchen Geschäften Einhalt gebietet. Das riesige Kreditkarussell, das durch die einträgliche Weitergabe des Kreditrisikos von Bank zu Bank und andere Investoren immer mehr Schwung kommt, muss durch gesetzliche Vorschriften gestoppt werden. Des weiteren müssen gesetzliche Maßnahmen zu einer effektiven Bankenkontrolle erlassen werden. In unserer globalisierten Welt können solche Regelungen nicht nur auf nationalstaatlicher Ebene greifen. Daher müssen internationale Abmachungen mindestens im EU-Rahmen getroffen werden. Schon seit Jahren setzen sich internationale Netzwerke für eine solche Reregulierung der Finanzmärkte ein.
Könnte eine persönliche Haftung der Bankmanager nicht auch eine sinnvolle Forderung sein?
Detlev von Larcher: Da würde ich differenzieren. Bei weisungsabhängigen Managern trägt der die Verantwortung, der die Weisung gibt - oder er sollte sie tragen. Beispiele lehren, dass es eher ein "Bauernopfer" gibt. Diejenigen, die die Weisung geben, und die Bankdirektoren sollten auch finanziell haftbar gemacht werden, obwohl deren privater Reichtum das Risiko nicht abdecken kann, wie groß er auch sei. Aber was auf keinen Fall richtig, aber durchaus üblich ist, sind die hohen Abfindungen, die diejenigen bekommen, die wegen ihrer Fehler ihren Spitzenjob verlieren. Diese Praxis muss beendet werden.