Nicht alle sind vom Corona-Virus gleichermaßen getroffen
- Nicht alle sind vom Corona-Virus gleichermaßen getroffen
- "Arbeitsrechtliches Pandemiebekämpfungsgesetz"
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Schon jetzt sind es vor allem Lohnabhängige und geringfügig Beschäftigte, die unter den Krisenfolgen leiden
Oft wird erzählt, dass ein Virus keine Unterschiede der Hautfarbe, des Geschlechts und der Herkunft macht. Doch die Folgen der Corona-Krise sind keinesfalls egalitär verteilt. Schon jetzt zeigt sich, dass auf globaler Ebene prekär Beschäftigte und Lohnabhängige insgesamt besonders negativ betroffen sind. Wo Betriebe geschlossen sind und Menschen in Kurzarbeit geschickt werden, ist es schwer, Arbeitskämpfe zu organisieren.
Vor allem in Branchen, die in der Corona-Krise geschlossen sind, wie Gastronomie oder Kultur ist die Angst vor dem Jobverlust groß. Da sind kurzfristige finanzielle Hilfen, wie sie in verschiedenen Bundesländern teilweise unbürokratisch ausgezahlt wurden, nur Tropfen auf dem heißen Stein. Viele Beschäftigten haben keine Organisierungserfahrungen und wissen auch nicht um ihre Rechte (auf LabourNet Germany wurden Tipps gesammelt).
Droht eine Uberisierung der Kulturindustrie?
In der Corona-Krise setzt sich die Digitalisierung mit Macht durch. Wie jedes neue Akkumalationsregime im Kapitalismus ist es auch in diesem Fall eine Krise, die für eine weltweite Durchsetzung sorgt. Lange Zeit wurde von Journalisten, Politikern und Ökonomen beklagt, dass die Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt in Deutschland zu zögerlich vorrangeht.
In der Corona-Krise werden die Menschen nun in die digitale Welt gestoßen. Das kann man beim Schulunterricht, beim Homeoffice oder bei Internetkonferenzen sehen. In einigen Bereichen wird es auch nach dem Ende der Corona-Krise keine Rückkehr zur Zeit vor Corona mehr geben. Die neuen technischen Mittel und Geräte, die für Homeworking angeschafft wurden, müssen sich natürlich amortisieren.
Für Kulturarbeiter könnte die Verlagerung ihrer Veranstaltung ins Netz zu einer neuen Ausbeutung führen, befürchtet der Publizist Uwe Mattheis, der Künstler auffordert: "Hört auf zu streamen".
Neben kulturkonservativen Argumenten - etwa wenn von der Aura des Kunstwerks, die vom Internet zerstört werde, die Rede ist - führt Matthies auch soziale Argumente für seinen Aufruf an.
Künstler*innen sind derzeit tatsächlich doppelt gebremst - in dem, was sie zu sagen haben, und darin, mit ihrer Arbeit herauszufinden, was überhaupt zu sagen wäre. Viele treibt pure Panik dazu, sich im Wettbewerb einer Aufmerksamkeitsökonomie hinten anzustellen. Sie haben den frommen Wunsch, in Erinnerung zu bleiben und die Marktanteile aus Vorkrisenzeiten später wieder einzunehmen. Der Kleinunternehmerinstinkt, den viele Künstler*innen in der Hetze von Projekt zu Projekt geschärft haben, fürchtet zu Recht jene Marktbereinigung, die libertäre Ideologen in den Stahlgewittern der Krise für die Gesamtwirtschaft erhoffen.
Uwe Mattheis, Taz
Kommt die Gig-Ökonomie zu ihren Ursprüngen zurück?
Mattheis befürchtet sogar, dass die vielzitierte Gig-Ökonomie an ihren Ursprung zurückkommt. Der Begriff kommt schließlich aus dem Kunstbereich, wo Artisten wie Sänger oder Schauspieler für einen Auftritt, einen Gig, bezahlt wurden. So werden immer mehr Beschäftigte für die Erledigung eines Auftrags im Internet entlohnt - beispielsweise die Klickworker. Nun fragt Mattheis:
Was aber treibt Geschädigte der Gig-Ökonomie dazu, ihr Heil in weiteren Gigs zu suchen? Digitale Plattformen sind weder egalitär noch wertneutral, sie entwickeln eine Tendenz zur Monopolisierung ihrer Märkte, sind ihrem Content gegenüber indifferent, solange er ihnen nicht ausgeht, und sie treiben die Ausbeutung des produktiven Vermögens der Arbeitenden nur noch weiter. Wenn jetzt Plattformen für digitales Theater Künstler*innen anbieten, zu einer Art von künstlerischen Uber-Fahrern zu werden, sollte man sie ebenso verklagen wie die Taxibranche aller Länder das kalifornische Unternehmen.
Uwe Matteis, Taz
Tatsächlich könnte die Corona-Krise die prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Kulturbranche verstärken. Es ist zu begrüßen, dass Uwe Mattheis daraufhin weist. Doch es ist fraglich, ob die kulturkonservative Parole "Du sollst nicht streamen" die richtige Gegenstrategie ist. Wäre es nicht besser, zu fordern, dass Künstler auch im digitalen Zeitalter ein Einkommen haben müssen mit und ohne Stream? Hierzu gibt es Modelle von einem Grundeinkommen bis zur Kulturflatrate.
Doch auch in vielen anderen Branchen verschlechtern sich im Corona-Zeitalter die Arbeitsverhältnisse: "Die Absurdität der ungleichen Verteilung wird in der jetzigen Zuspitzung der Krise noch offensichtlicher. Beschäftigte in Branchen ohne einflussreiche Lobby werden reihenweise fallengelassen", erklärt eine Mitbegründerin der Plattform Coview19, die solidarische Antworten auf die Corona-Krise bündeln will.
Sie verweist auf Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten zur Kündigung drängen, beispielsweise in der Gastronomie, oder auch auf Pflegende, die in der 24-Stunden-Betreuung hoher Gefährdung ausgesetzt sind und bei ihrer Anreise aus osteuropäischen Ländern teilweise kriminalisiert werden und keine wohlfahrtsstaatliche Absicherung haben. Da ist es umso wichtiger, wenn es starke gewerkschaftliche und betriebliche Interessenvertretungen gibt.
Deutscher Anwaltsverein wirbt für Wirtschaftsinteressen
Doch in Zeiten von Corona sind auch die Gewerkschaftsrechte bedroht. Darauf weist der Verein Demokratischer Jurist*innen (VdJ) in einer Stellungnahme hin. Die Covid19-Pandemie dürfte nicht für einseitigen Lobbyismus genutzt werden, mahnen die Juristen.
Sie kritisieren damit eine "Stellungnahme zu der Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit auch in der aktuellen Krise zu gewährleisten", die der Deutsche Anwaltsverein (DAV) kürzlich veröffentlicht hat. In der siebenseitigen Handreichung steht die Sorge um die Handlungsfähigkeit von Unternehmen im Vordergrund, wie schon aus den Eingangsformulierungen deutlich wird. Dort heißt es:
Die Beschlussfassung des Betriebsrats bedarf gemäß § 33 BetrVG der persönlichen Anwesenheit der Betriebsratsmitglieder, eine Beschlussfassung aufgrund virtueller Kommunikation ist unzulässig. Dies beeinträchtigt die Beschlussfähigkeit der Betriebsräte bei dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen, aber auch die Möglichkeiten zur Beschlussfassung über die Anrufung einer Einigungsstelle, die Beauftragung von Sachverständigen etc. Da die Unternehmen auch zur Einführung von Kurzarbeit auf die rechtssichere Mitwirkung der Betriebsräte dringend angewiesen sind, muss die Handlungsfähigkeit der Betriebspartner gewährleistet sein.
Deutscher Anwaltsverein