"Nichts, worüber Menschen entscheiden, ist unvermeidlich"
- "Nichts, worüber Menschen entscheiden, ist unvermeidlich"
- Wir dürfen den Menschen aus der Entscheidung über Leben und Tod nicht herausnehmen
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Jody Williams über Friedenskampagnen, Killerroboter und Terroristen
Nachdem sie elf Jahre lang Kampagnen gegen die Interventionen der USA in Lateinamerika geführt hatte, wurde Jody Williams im Jahr 1991 von der Vietnam Veterans of America Foundation gefragt, ob sie sich an einer Kampagne gegen Landminen beteiligen wolle. Die Protestbewegung führte zu einem internationalen Bann dieser Waffengattung, für den Williams 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Gegenwärtig leitet sie die Nobel Women's Initiative und organisiert Kampagnen gegen Vergewaltigungen in Kriegsgebieten und gegen Killerroboter.
Frau Williams, unser Gespräch findet statt, weil ein Automobilkonzern die dafür nötigen Reisekosten übernommen hat. Das bringt mich auf die Frage, wie Sie sich und Ihre Kampagnen finanzieren?
Jody Williams: Mein letztes Gehalt als Aktivistin habe ich im Februar 1998 bekommen. Seitdem spende ich meine Arbeit. Als derzeitige Vorsitzende der Nobel Women’s Initiative werde ich nicht bezahlt, ebenso wenig für die Arbeit an der Kampagne gegen Killerroboter oder die Stop Rape Campaign. Ich bin Professorin in Houston, dafür bekomme ich Geld. Für Vorträge gibt es auch manchmal ein Honorar. Das gibt mir die finanzielle Basis, um meine übrige Zeit zu spenden. Kampagnen wie die Nobel Women's Initiative bekommen Geld von verschiedenen Stiftungen, etwa von der Oak Foundation in Genf. Die niederländische Regierung unterstützt uns über drei Jahre mit einem größeren Betrag. Wir haben gerade weitere fünf Jahre beantragt. Auch Norwegen engagiert sich finanziell, ebenso Women’s Philanthropists. Unsere Finanzquellen sind recht unterschiedlich.
Gibt es Sponsoren, von denen Sie keine Einladung annehmen würden?
Jody Williams: Wahrscheinlich, aber ich könnte jetzt keinen nennen. Mir ist wichtig, dass ich öffentlich sagen kann, was ich will. Ich denke, ich drücke mich sehr klar aus und kann Menschen anregen, über manche Dinge neu nachzudenken.
Eine verständliche Sprache ist immer wichtig. Inwieweit war der Kampf gegen Landminen, für den Sie den Friedensnobelpreis bekommen haben, auch ein Kampf um Worte und die richtige Terminologie?
Jody Williams: Kaum. Die Sache war ziemlich klar. Landminen sind scheußlich. Es ist nicht schwierig, das zu zeigen. Es gab auch wenig Gegenwehr von der Verteidigungsindustrie. Als wir begannen, gab es 54 Länder, die Landminen herstellten. Heute gibt es immer noch zwölf, die sich das Recht vorbehalten, welche zu produzieren. Aber die meisten tun es nicht.
Ich habe den Eindruck, dass es sich bei der Auseinandersetzung um Killerroboter anders verhält. Das Militär scheint den Begriff "Roboter" nicht zu mögen und spricht lieber von unbemannten Systemen.
Jody Williams: Als wir uns entschlossen, eine Kampagne zu starten, sprachen wir auch über den Namen. Bei der Geneva Convention on Certain Conventional Weapons (CCW) wurde das Thema unter dem Titel LAWS diskutiert, was zunächst einmal das englische Wort für "Gesetze" ist. Die Buchstaben stehen aber in diesem Fall für "Lethal Autonomous Weapon Systems".
Ich bin eine Graswurzelaktivistin. Für mich klingt das furchtbar langweilig. Ich kann doch nicht zu einer Veranstaltung einladen, wo über "tödliche autonome Waffensysteme" diskutiert wird. Also haben wir uns entschlossen, provokativ zu sein und von Killerrobotern zu sprechen. Zuerst bekamen wir negative Reaktionen. Uns wurde unterstellt, wir wollten nur Angst schüren. Dann wies ein Diplomat bei der CCW darauf hin, dass das Militär bei seiner Namensgebung nicht anders vorgeht. Was sollen denn Namen wie "Predator", "Reaper" oder "Desert Storm" anderes bewirken, als zu erschrecken?
Wir wollen mit dem Schreck einen Denkprozess in Gang bringen. Die Leute sollen sich fragen: Was ist ein Killerroboter? Sie sollen nicht darüber nachdenken müssen, wie das nun genau hieß, lethal autonomous... und was kam da noch? Ich habe viel mit Diplomaten über Waffen diskutiert und deren Klagen, das alles so verwirrend sei, haben immer den Unterton: Es lässt sich nicht verhindern.
Komplizierte Terminologie hält die Menschen davon ab, sich zu engagieren, weil sie suggeriert, dass nur Experten auf dem Gebiet der Robotik oder der künstlichen Intelligenz etwas dazu sagen können. Aber ich muss keine Atombombe bauen können, um zu wissen, dass sie unmoralisch und illegal ist. Ich muss keinen Killerroboter bauen können, um zu spüren, dass etwas falsch läuft, wenn Menschen sich auf diese Weise den Konsequenzen eines Krieges entziehen und Maschinen erlauben wollen, über Leben und Tod zu entscheiden. Das ist einfach nur verkommen.
Die deutsche Verteidigungsministerin hat erklärt, sich für eine internationale Ächtung autonomer Waffensysteme einsetzen zu wollen.
Jody Williams: Dann sollte sie die Führung übernehmen und zunächst ein nationales Verbot durchsetzen. Bei den Landminen war es Belgien, das im März 1995 als erstes Land ein umfassendes Verbot des Einsatzes, der Herstellung und des Handels beschlossen hat. Das erwies sich als ungeheuer wichtig. Andere europäische Staaten folgten bald, dann kamen Länder im Süden Afrikas hinzu.
Es braucht Staaten, die mutig genug sind, den Anfang zu machen. Es erfordert Führungsstärke wie sie etwa Barack Obama gezeigt hat, als er die 60 Jahre währende lächerliche Politik gegenüber Kuba beendet und den Dialog mit dem Iran vorangetrieben hat. Man darf nicht darauf warten, dass die anderen den ersten Schritt tun.
Mir scheint, unsere Verteidigungsministerin weiß gar nicht genau, was sie da ächten will. Wenn Vertreter des Militärs über das Thema reden, versuchen sie zumeist, den Begriff "Autonomie" zu vermeiden, weil er so unklar sei. Auch das Wort "Roboter" nehmen sie nicht gerne in den Mund.
Jody Williams: Und weil sie es nicht beim Namen nennen, glauben sie, sich nicht damit beschäftigen zu müssen? Es ist eine Taktik, um Menschen zu entmündigen und davon abzuhalten, sich in den Weg zu stellen. Aber, wie gesagt, ich muss die Dinger nicht selbst bauen können, um zu wissen, dass ein Roboter, der bei Feuerwehreinsätzen hilft, gut ist. Der gleiche Roboter, ausgestattet mit einem Granatwerfer, einer Uzi-Maschinenpistole oder einem AK-47: schlecht. Für mich ist das eine sehr klare Linie. Militärvertreter sagen bei den Genfer Diskussionen ständig: Wir müssen langsam vorgehen. Was sie meinen, ist: Lasst uns langsam verhandeln, damit wir die Dinger haben, bevor ihr etwas dagegen tun könnt.
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