Niedersachsen: Keine Mehrheit für Rot-Grün

Stephan Weil im Saal der SPD-Landtagsfraktion am Wahlabend. Bild: Olaf Kosinsky / CC BY-SA 3.0

Nach dem vorläufigen amtlichen Zwischenergebnis ist eine Große Koalition mit einer enormen Mehrheit und größeren bundespolitischen Schwierigkeiten für die SPD möglich und eine Jamaika-Koalition aus Wahlverlierern

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Für Rot-Grün reicht es nicht nach dem "vorläufigen amtlichen Zwischenergebnis" der niedersächsischen Landtagswahl, das die Landeswahlleiterin Ulrike Sachs Sonntagnacht gegen 23 Uhr 40 verkündete. Demnach erhält die SPD (36,9% der Zweitstimmen) mit einem Übergangsmandat 55 Sitze von insgesamt 137 Sitzen des neuen Landtags und die Grünen (8,7%) 12 Sitze. Die CDU (33,6 Prozent) erhielt ein Ausgleichsübergangsmandat und kommt auf 50 Sitze, die FDP (7,5 Prozent) auf 11 und die AfD (6,2 Prozent) auf 9 Sitze.

Lange Zeit sah es am Wahlabend aus, als ob ein Sitz die Mehrheit ausmachen könnte. Das hätte eine eigenwillige Pointe gehabt, weil genau der eine Sitz, den Rot-Grün durch den Wechsel von Elke Twesten von den Grünen zur CDU im August verlor, zum Mehrheitsverlust führte und damit zu den vorgezogenen Landtagswahlen.

Zwar ist die SPD mit 36,9 Prozent deutlicher Sieger der Wahl und kann sich über ein Plus von 4,3 Prozentpunkten im Vergleich zu den letzten Wahlen freuen und dies umso mehr, als es für die Sozialdemokraten zuletzt eine Niederlage nach der anderen setzte. Aber es gibt, außer der CDU, keinen Koalitionspartner für eine Mehrheit, nachdem der FDP-Vize-Vorsitzende Wolfgang Kubicki die deutliche Ansage gemacht hatte, dass eins klar sei:

Es wird definitiv mit den Freien Demokraten keine Ampel in Niedersachsen geben.

Wolfgang Kubicki

Der amtierende Ministerpräsident von der SPD, Stephan Weil, wollte sich die Option "Große Koalition" offenhalten.

Die SPD wird, da sie den Regierungsauftrag hat, mit allen im Landtag vertretenen Parteien - mit Ausnahme der AfD - sprechen, wie wir eine Regierung bilden. Wir werden ein sehr faires Angebot an alle Beteiligten machen.

Stephan Weil, niedersächsischer Ministerpräsident

Die Koalition aus SPD und CDU hätte eine riesige Mehrheit von 105 Sitzen, in Prozenten von gut 70%, aber da auch diese Landtagswahl bundespolitische Effekte hat, ginge die SPD Risiken damit ein. Ob sie den Spreizschritt, sich als Oppositionspartei in Berlin politisch neu zu formieren und in Hannover erneut ein Gro-Ko-Bündnis einzugehen, schaffen kann, ohne dass dies weiter Glaubwürdigkeitssubstanz abträgt, ist die Frage, die jetzt wohl in der SPD-Führung nicht nur in Niedersachsen besprochen wird - jetzt, "wo wieder Licht brennt".

Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick aus wie aus eine Tagesschaumeldung aus früheren Zeiten. Beide Großparteien haben den Löwenanteil der Stimmen gewonnen, so als ob es gar keine Krise gebe, in der die Volksparteien stecken. Es stellt sich dann aber schnell heraus, dass auch diese Wahl größere Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung aufstellt. Dabei führten die niedersächsischen Wähler, die mit einer nicht sonderlich hohen Wahlbeteiligung von 63,1% abstimmten, eine Serie aus früheren Wahlen fort. Schon aus den Landtagswahlen 1974, 1986 und 1994 gingen nur hauchdünne Mehrheiten hervor.

CDU: "Klarer Gestaltungsauftrag des Wählers"

Es hatte sich auch schon zuvor gezeigt, zuletzt bei der Landtagswahl Anfang 2013, dass die stärkste Fraktion, damals war es die CDU, nicht unbedingt die Regierung stellen muss. Der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann erstaunte am frühen Wahlabend so manchen Analysten mit der Aussage, dass man nicht in "Sack und Asche" gehe, sondern "in welcher Konstellation auch immer - einen klaren Gestaltungsauftrag für Niedersachsen" habe.

Geht es aber nach dem so oft beschworenen "Wählerwillen", "Wählermandat" oder ähnlichem, so fällt auf, dass genau die Parteien, die eine Jamaika-Koalition bilden, in der Niedersachsen-Wahl verloren haben: Die CDU verlor 2,4 Prozentpunkte, die FDP ebenso und die Grünen ganze 5 Prozentpunkte gegenüber den vorhergehenden Wahlen. Der Wechsel der oben genannten Landtagsabgeordneten Elke Twesten hat zu Misstimmungen zwischen den niedersächsischen Grünen und der CDU geführt. Dies ist aber nur ein Teil der Schwierigkeiten, mit denen diese beiden Jamaika-Koalitionspartner in Hannover zu tun haben.

Auf bundespolitischer Ebene zeigen sich noch ganz andere, wie die Grünen und die FDP bereits angemeldet haben. Leichter ist das durch die Wahl in Niedersachsen nicht geworden, aber endlich muss wieder etwas vorangetrieben werden in der Bundespolitik. Das Warten auf die nächsten Wahlergebnisse, bevor man politische Entschlüsse fällt, sollte ein Ende haben.