Nordseegipfel: Off-Shore-Windkraft soll massiv ausgebaut werden
Nordsee-Anrainerstaaten verkünden im belgischen Ostende ehrgeizige Pläne. Wirtschaft zweifelt an Umsetzung. Was aus ihrer Sicht getan werden müsste.
Die Pläne sind ehrgeizig: Die Nordsee soll zum grünen Kraftwerk Europas werden und vor den Küsten der Anrainerstaaten sollen Windparks schneller errichtet werden. Darauf einigten sich am Montag die Staats- und Regierungschef von neun Ländern. "In ganz kurzer Zeit wird die Nordsee, noch mehr als wir das heute schon wissen, der wichtige Ort der Energieproduktion sein", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) laut Deutscher Presse-Agentur (dpa).
Die neun Länder wollen bis 2030 auf dem Meer Windkraftanlagen mit einer Leistung von 120 Gigawatt (GW) bauen, was mehr als das Vierfache der bisherigen Kapazität entspricht. Aktuell befinden sich Windräder mit einer Kapazität von 25 GW in der Nordsee.
Bis 2050 sollen es dann mindestens 300 GW aus der Offshore-Windenergie erzeugt werden. Zugleich soll die Produktion von grünem Wasserstoff an der Nordsee angekurbelt werden.
"Es handelt sich um ein kolossales Unterfangen und ein echtes Beispiel gelebter Energiewende", heißt es in einem gemeinsamen Beitrag der Staats- und Regierungschefs für das Magazin Politico. Es würden viele Offshore-Windturbinen benötigt, "um unsere Klimaziele zu erreichen und um uns vom russischen Gas zu befreien und ein sichereres und unabhängigeres Europa zu schaffen".
Es seien nicht nur enorme Investitionen erforderlich, sondern auch bürokratische Hürden müssten abgebaut werden. Weiter heißt es in dem Beitrag:
Wir können nicht jahrelang auf Genehmigungsverfahren warten, während die globalen Temperaturen steigen und autokratische Regime die Macht haben, das Licht in unseren Wohnzimmern auszuschalten und die Produktion in unserer Industrie anzuhalten.
Den Worten müssen nun auch Taten folgen. Bislang kam der Ausbau der Windenergie in Europa aber schleppend voran. Im vergangenen Jahr wurden in der EU nur etwa 16 GW an neuer Windkapazität installiert, womit das angestrebte Jahresziel um etwa die Hälfte verfehlt wurde. Die Bestellungen von Turbinen brach laut Politico um 47 Prozent ein und die Neuinvestitionen sanken auf etwa 17 Milliarden Euro.
Auch die Lobbygruppe WindEurope zweifelt daran, dass die am Montag verkündeten Ziele umgesetzt werden. Die Länder Europas könnten aktuell pro Jahr Offshore-Windturbinen mit einer Kapazität von sieben GW herstellen. In einer am Montag veröffentlichten Erklärung heißt es:
Um den in der Erklärung von Ostende skizzierten Expansionspfad zu erreichen, muss Europa in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts 20 GW pro Jahr herstellen. Und schon heute zeichnen sich Engpässe bei der Herstellung von Fundamenten, Kabeln und Umspannwerken sowie bei der Verfügbarkeit von Installations-, Service- und anderen Offshore-Windschiffen ab.
Und wenn Großbritannien sein Ziel, bis 2030 Kapazitäten in einem Umfang von 50 GW aufzubauen, erreichen wolle, müssten der Netzausbau und die Investitionen in die Lieferketten erheblich beschleunigt werden.
"Um die ehrgeizigen Ziele für den Ausbau der Offshore-Windenergie zu erreichen, müssen wir die europäischen Windversorgungsketten durch gezielte industriepolitische Maßnahmen und geeignete Förderinstrumente massiv ausbauen", sagte Sven Utermöhlen, Vorsitzender von WindEurope und Geschäftsführer von RWE Offshore Wind.
WindEurope sieht es als notwendig an, dass neben den Netzen auch die Häfen fit für die Herausforderungen gemacht werden. Die jährlichen Netzinvestitionen in Europa müssten verdoppelt werden. Und bis 2030 müssten rund neun Milliarden Euro in Modernisierung und Ausbau der Häfen investiert werden.
Ein erster Schritt in dieser Hinsicht dürfte der gemeinsame Plan von Großbritannien und den Niederlanden sein. Beide Länder kündigten am Montag den Bau einer Stromautobahn in der Nordsee an. "LionLink" soll das Unterwasserkabel heißen und es soll in der Lage sein, 1,8 GW Strom in beide Richtungen zu transportieren.
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