Nscho-tschi muss leider sterben
Rot-weiße Beziehungen im Indianerfilm
Der Umgang mit anderen Rassen, Ethnien und Religionsgemeinschaften bleibt schwierig. Man idealisiert ("Juden sind klug") oder man beleidigt sie ("Türken sind dumm"). Noch komplizierter wird es, wenn sie einheiraten. Warum ist Barack Obama "der erste schwarze Präsident" der USA, wo er doch eine weiße Mutter hat? Sprache ist verräterisch. Wie soll man Obama nennen? Ein Halbblut? Einen Mischling? Einen Mulatten? Ich kenne keinen halbwegs geläufigen, politisch korrekten Ausdruck, den man verwenden könnte. Einer wie Obama ist offenbar im System nicht vorgesehen. Also wird er zum Schwarzen gemacht. In Hollywood begann man, sich mit dem Problem herumzuschlagen, als man von Obama noch nichts wusste. In den 1950ern spielte man die Sache mit den Indianern durch, die in John Hustons unter dem Eindruck der Bürgerrechtsbewegung stehendem Film The Unforgiven schon mal als "red niggers" bezeichnet werden und bei denen es sich - Aufgemerkt, Dr. Sarrazin! - einer besonders im 19. Jahrhundert sehr populären Theorie nach um einen der verlorenen Stämme Israels handeln soll.
Reich der Gesetzlosen
Einer der größten Kassenerfolge des deutschen Nachkriegsfilms beginnt im ehemaligen Jugoslawien, wo 20 Jahre vorher noch die berüchtigten Partisanen auf SS und Wehrmacht schossen. Ein französischer Schauspieler mit Perücke und Indianerkostüm geht zur Musik von Martin Böttcher zu seinem Pferd und reitet vor der malerischen Kulisse des kroatischen Velebit-Massivs, das hier den Wilden Westen doubelt, durch die Jagdgründe des roten Mannes. Eine Erzählerstimme klärt uns darüber auf, mit wem wir es zu tun haben:
Sie kannten ihn alle: Winnetou, den edlen Häuptlingssohn vom Stamme der Mescaleros-Apachen. Sein Name lebte in jedem Zelt, in jeder Blockhütte, an jedem Lagerfeuer. Er war Freund und Beschützer aller Hilflosen, aber unerbittlicher Gegner aller Ungerechten. Wie ein Märchen klingt heute, was vor einem Jahrhundert noch Wirklichkeit war - bittere, harte Wirklichkeit. Das letzte verzweifelte Aufbäumen der roten Völker gegen die weißen Eroberer. Immer weiter drangen die Pioniere nach Westen vor. Abenteurer, Banditen und Desperados folgten ihren Spuren. Die Mescaleros-Apachen waren den Weißen freundlich gesinnt, und trotzdem war ihr Schicksal besiegelt, denn sie besaßen, was die Eindringlinge am höchsten schätzten: Land und Gold.
Gold schätzen auch die Filmproduzenten. Umso bemerkenswerter ist es, wie lange es dauerte, bis jemand auf die Idee kam, die in Deutschland phänomenal erfolgreichen Wildwest-Romane von Karl May zu verfilmen. Angesichts der Goldader, die Horst Wendlandt da entdeckte, kann man leicht vergessen, dass er ein großes Wagnis einging. Wendlandt wusste hinterher selbst nicht mehr, woher er 1961 den Mut nahm, 3,5 Millionen DM für Der Schatz im Silbersee auszugeben. Seine Risikobereitschaft aber wurde reich belohnt. Der Schatz im Silbersee spielte weit mehr als 6 Millionen ein und ist der erste Film, dem die Goldene Leinwand verliehen wurde (für über 3 Millionen Zuschauer innerhalb von 18 Monaten). Noch erfolgreicher war der erste Teil der Winnetou-Trilogie, der schon nach einem Jahr die 3-Millionen-Marke knackte.
Damals, in den 1960ern, gab es noch den Spruch: "Wer nicht Karl May gelesen, ist nicht jung gewesen." Doch drei Millionen Winnetou-Zuschauer in einem Jahr lassen sich durch den Hinweis auf die vielen Fans der Bücher nicht ausreichend erklären. Erfolge dieser Größenordnung gelingen nur mit Filmen, die zur richtigen Zeit auf das richtige Publikum treffen. Winnetou erfüllte noch mehr Bedürfnisse als das, den edlen Häuptling der Apachen endlich auf der Leinwand zu sehen. Horst Wendlandt war da ein Experte, seit er mit Der Frosch mit der Maske die kaum weniger publikumswirksame Edgar-Wallace-Reihe erfunden hatte. Die Helden der Wallace-Filme, Blacky Fuchsberger oder Heinz Drache, treffen nicht ohne Grund auf Veteranen des deutschen Kinos, wenn sie in die Vergangenheit zurückreichende Geheimnisse aufklären und die Skelette finden, die die Vätergeneration im Schrank hat.
Die "bittere, harte Wirklichkeit", von der im Einführungstext zu Winnetou die Rede ist, sah im Nachkriegsdeutschland so aus, dass man einen Angriffs- und Vernichtungskrieg sowie die fabrikmäßige Ermordung von Millionen Juden zu verantworten hatte. Die "Abenteurer, Banditen und Desperados", das war man selbst. "Banditen versuchen hier, ein Reich der Gesetzlosen zu errichten", heißt es im Winnetou-Trailer über den Wilden Westen. So etwas hatte man im deutschen Film zuletzt in Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse gehört, wo der Doktor die "Herrschaft des Verbrechens" etablieren möchte. Hitler setzte das dann in die Tat um (Langs Testament wurde verboten). In Adenauers Wirtschaftswunderland wollte man sich auf den Wiederaufbau konzentrieren und von solchen Dingen lieber gar nichts wissen. Weil sich aber die Vergangenheit nur unzureichend verdrängen ließ, fiel dem Film eine wichtige Rolle bei ihrer "Bewältigung" zu. Allerdings durfte es nicht zu direkt werden.
Ein Vergleich ist instruktiv. 1960 sorgte ein (sehr guter) Film für heftige Diskussionen, wüste Beschimpfungen des Regisseurs waren auch dabei. Er hieß Kirmes und war von Wolfgang Staudte. Ein Dorf in der Eifel, 1957. Beim Aufrichten des Masts für ein Karussell stoßen die Schausteller auf ein Skelett. In Rückblenden erfährt man, dass es die sterblichen Überreste eines Deserteurs sind (Götz George, auch in mehreren Karl-May-Filmen dabei), der bei Kriegsende in sein Heimatdorf floh und sich erschoss, weil ihm niemand helfen wollte. Als besonders anstößig wurde empfunden, dass Kirmes nicht 1945 endet, sondern die Vergangenheit in Bezug zur Gegenwart setzt (der Ortsgruppenleiter ist jetzt Bürgermeister). Staudte wurde vorgeworfen, er diskreditiere die BRD und sei ein "Vaterlandsverräter".
Auf der Liste mit den Einspielergebnissen der Saison 1960/61 muss man sehr weit nach unten gehen, um Kirmes zu finden. Ganz anders verhält es sich mit Die Bande des Schreckens, dem dritten Film der Wallace-Reihe. Auch da steht eine Leiche im Zentrum der Handlung. Diesmal gehört sie einem Mörder, der sich durch Gift der Hinrichtung durch den Strang entzog wie Hermann Göring. Es geht wieder um den Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart, und Inspektor Long (Joachim Fuchsberger) muss sogar erfahren, dass sein Vater in die Angelegenheit verwickelt ist. Diese Geschichte wurde ein Publikumshit. Das Erfolgsrezept: Wenn einer eine Leiche im Keller hat, sollte das Haus in (einem stark germanisierten) England stehen, nicht in der Eifel. So ließen sich Dinge verhandeln, die man lieber nicht zu nah an sich heranlassen wollte.
Old Shatterhand bleibt Junggeselle
Gut für die Psychohygiene waren auch das 19. Jahrhundert (vor dem Holocaust) und der Wilde Westen (weit weg). Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft, am 11. Dezember 1963, wurde Winnetou in München uraufgeführt, um dann seinen Siegeszug durch die deutschen Lichtspieltheater anzutreten. Am 20. Dezember begann in Frankfurt/M. der Auschwitzprozess. Es versteht sich von selbst (Karl Mays liebste Redewendung), dass diese Veranstaltung viel weniger populär war als Winnetou und Old Shatterhand. Trotzdem glaube ich, dass da ein Zusammenhang besteht. Der Prozess ist der finstere Doppelgänger des deutschen Western, der gleich am Anfang von sich selber sagt, dass er wie ein Märchen wirkt.
Erst durch den Prozess wurde Auschwitz zum Synonym für den Holocaust. Im Frankfurter Gerichtssaal erzählten die Zeugen Details aus dem Alltag im Vernichtungslager, mit denen sich die deutsche Öffentlichkeit bisher nicht konfrontiert gesehen hatte. Nur eine kleine, an echter Aufklärung interessierte Minderheit begrüßte das. Das Echo war überwiegend negativ. Da war von Nestbeschmutzung die Rede, von einer Verschwörung auf Entschädigungszahlungen erpichter Juden sowieso, und das, was - offen oder hinter vorgehaltener Hand - über den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gesagt wurde, ist bedrückend. Bauer war die treibende Kraft hinter dem Prozess und jüdischer Abstammung. Von ihm ist das Zitat überliefert, dass er beim Verlassen seines Dienstzimmers feindliches Ausland betrete. Wer - siehe oben - die Eindringlinge gewesen waren, die Land und Gold am höchsten schätzten (und wenn es das Zahngold ihrer Opfer war), wollte das gewesene "Volk ohne Raum" nicht wahrhaben.
Den Juden war man insgesamt doch eher dafür böse, dass sie umgebracht worden waren, weshalb die nichtjüdischen Deutschen jetzt - zumindest aus Sicht des (geographischen) Auslands - als Verbrecher dastanden. Da das bequeme Vergessen nicht klappen wollte, erfüllten Edgar Wallace und Karl May eine wichtige Funktion. Die Mescaleros, auch ein von Ausrottung bedrohtes Volk, waren die Stellvertreter der Juden auf der Leinwand. Mit ihnen konnte man Sympathie und Mitleid haben, ohne sich selbst schuldig fühlen zu müssen. Verantwortlich für das Schlechte in der Welt war Santer der Bandit (Mario Adorf), der zur besseren Erkennbarkeit, und weil man alte Gewohnheiten schwer los wird, eine gelbe Weste trug. Die Indianer dagegen hatten eine Eigenschaft, welche die positive Identifikation enorm erleichterte. Wer ihnen seine Sympathie bekundete, brauchte nicht darauf gefasst zu sein, sie bei nächster Gelegenheit zum Essen einladen zu müssen. Denn das Schicksal der roten Völker, weiß der Erzähler zu Beginn der Winnetou-Verfilmung, ist besiegelt. Sie sind dem Untergang geweiht, gehören zur Vergangenheit und nicht zur Gegenwart.
Bei Karl May ist das auch schon so. Dem ersten Winnetou-Roman ist eine Einleitung vorangestellt, in der May versichert, dass die "rote Nation" im Sterben liegt, bevor er davon berichtet, wie toll Winnetou und seine Schwester Nscho-tschi sind (zitiert nach der ersten Buchausgabe von 1893):
Vom Feuerlande bis weit über die nordamerikanischen Seen hinauf liegt der riesige Patient ausgestreckt, niedergeworfen von einem unerbittlichen Schicksale, welches kein Erbarmen kennt. Er hat sich mit allen Kräften gegen dasselbe gesträubt, doch vergeblich; seine Kräfte sind mehr und mehr geschwunden; er hat nur noch wenige Atemzüge zu tun, und die Zuckungen, die von Zeit zu Zeit seinen nackten Körper bewegen, sind die Konvulsionen, welche die Nähe des Todes verkündigen.
Aha. Warum muss der Körper nackt sein, fragt man sich? Warum waren auf dem Umschlag der ersten Buchausgabe zwei nackte Männer in melodramatischer Pose zu sehen, als probten sie bereits für den Prolog zu Leni Riefenstahls Olympia-Film? Arno Schmidt hat den homoerotischen Subtext von Mays Romanen erschöpfend herausgearbeitet. Frauen waren da eher störend. Trotzdem erscheint es allzu hart, dass Nscho-tschi, der "schöne Tag", bereits im ersten Teil der Trilogie sterben muss, während Winnetou bis zum Ende von Teil 3 mit seinem Blutsbruder Old Shatterhand durch die Prärie reiten darf (am liebsten hintereinander, meint Arno Schmidt).
Der Grund für ihr frühzeitiges Ableben ist äußerst einfach. Nscho-tschi begehrt Old Shatterhand, will ihn heiraten und Kinder mit ihm haben. Man kann als deutscher Westmann die Indianer (platonisch) lieben und ihren Untergang bedauern, aber keinen Nachwuchs mit ihnen zeugen. Das ist keine Option. Am radikalsten ist Mays Vorbild, James Fenimore Cooper, in The Last of the Mohicans. Uncas, der letzte Mohikaner, liebt Alice, die Tochter von Colonel Munro, und sie liebt ihn auch. Bei Cooper führt das zum Tod von beiden. Weiße Frauen sind dauernd in Gefahr, von geilen Indianern vergewaltigt zu werden, aber sie lieben diese nicht. Wenn doch, bezahlen sie dafür mit ihrem Leben.
Old Shatterhand ist zuverlässiger als die blonde Alice. Eine Beziehung mit Nscho-tschi kommt für ihn nicht in Frage:
Ich gönnte Nscho-tschi den allerbesten, edelsten roten Krieger und Häuptling; ich aber war nicht nach dem wilden Westen gekommen, um mir eine rote Squaw zu nehmen; ich hatte nicht einmal an eine Weiße gedacht. Mein Lebensplan schloss, wie ich annahm, eine Verheiratung überhaupt aus.
Weil er das nur uns, den Lesern, sagen kann, nicht aber seinen roten Brüdern und Schwestern, bringt ihn die Liebe des "schönen Tags" in eine peinliche Lage. Karl May hilft ihm heraus. Wie er das macht, ist ziemlich brutal. Nscho-tschi will nach St. Louis, um da zu lernen, wie eine weiße Frau zu sein. Aber für Old Shatterhand wird sie immer eine Indianerin bleiben. May schickt sie trotzdem auf diese Reise, deren eigentlicher Sinn darin besteht, dass sie unterwegs von Santer umgebracht werden kann. Vordergründig hat das damit zu tun, dass Santer das Gold der Apachen will. Der übergeordnete Grund ist ein anderer. Der Autor erfindet diesen Mord, um die Romanfigur unschädlich zu machen, die mit Old Shatterhand eine Familie gründen will. Das darf nicht sein, weil sie eine Indianerin ist.
Die Produzenten der Verfilmung waren sehr bemüht, den Publikumsgeschmack zu treffen. So eine Liebesgeschichte, und wenn sie tragisch ist, gehörte mit dazu. Vielleicht wollte man Nscho-tschis Begehren auch nicht so eindeutig eine Absage erteilen wie Karl May, weil auf Nachkriegsdeutschland der Schatten des "Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" von 1935 lag, das die Ehe und den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Ariern verbot. Der Old Shatterhand der Leinwand jedenfalls hat sich vom Ideal der "Blutreinheit" emanzipiert, das im Dritten Reich zu den "Nürnberger Gesetzen", zum Ausschluss der Juden aus der "Volksgemeinschaft" und zum Genozid führte, über den im Frankfurter Gerichtssaal verhandelt wurde, während Winnetou an der Kinokasse Rekorde brach.
Old Shatterhand also erwidert Nscho-tschis Gefühle. Doch eigentlich ist alles beim alten geblieben. Richtig klar wird erst, was der Held für die schöne Indianerin empfindet, als diese gestorben ist. Die Dreharbeiten begannen mit den Aufnahmen zu Nscho-tschis Tod. Das hatte sicher organisatorische Gründe. Etwas Symbolisches hat es aber auch. Die Arbeit an der filmischen Liebeserklärung der Deutschen an die Indianer beginnt damit, dass sie die Häuptlingstochter sterben lassen. Am Ende von dem, was zu Weihnachten ins Kino kam, reiten Winnetou und Old Shatterhand, die beiden Blutsbrüder, gemeinsam in den Sonnenuntergang. Das könnte allenfalls zur Homo-Ehe führen, nicht zu Kindern. Nicht einmal die Jungfrauengeburt scheint möglich, weil die Jungfrau längst beerdigt ist. Weiß bleibt weiß und rot bleibt rot. Mit Werktreue lässt sich das nicht befriedigend erklären, weil der Film sonst auch keine Probleme damit hat, von der literarischen Vorlage abzuweichen.
Der verschwindende Amerikaner
Winnetou steht in der Tradition des US-Western der 1950er. Die Amerikaner hatten keine Juden umgebracht, aber auch ein paar Völkermord-Flecken auf der Weste. Es ehrt sie, dass sie nicht nur die Verbrechen der Deutschen verurteilten, sondern sich zugleich an die eigene finstere Vergangenheit erinnerten. Unter dem Eindruck des Holocaust begann sich der Western zu verändern. Die 50er sind das Jahrzehnt der Indianerfilme. In Hollywood-Produktionen waren die Native Americans bisher überwiegend als blutrünstige Wilde dargestellt worden, die man bedenkenlos erschießen kann, weil sie nichts Menschliches haben. Es gibt einige wenige Ausnahmen, die alle dem Karl-May-Reflex erliegen: man zeigt den Indianer als menschliches Wesen, sympathisiert mit ihm, sieht ihn aber immer als Angehörigen einer untergehenden Rasse und als Museumsstück.
Bezeichnend ist der Titel des ambitioniertesten dieser sich pro-indianisch gebenden Filme: The Vanishing American (1925). Der tragische Held von George B. Seitz' Monumentalepos, ein Navajo, hat für die USA im Ersten Weltkrieg gekämpft und muss bei seiner Rückkehr erfahren, dass seine Stammesgenossen in der Reservation von einem skrupellosen Agenten der Regierung wie Vieh behandelt werden. Eingebettet ist das Ganze in sozialdarwinistisches Gedankengut, für das Charles Darwin weniger kann als Herbert Spencer (er übertrug Evolutionstheorien auf gesellschaftliche Entwicklungen). Der Film beginnt mit einem halbstündigen, durch ein Spencer-Zitat gestützten Prolog, der uns weit zurück in die Vergangenheit führt. Wir erfahren, dass im amerikanischen Südwesten schon immer eine Kultur durch eine andere, ihr überlegene verdrängt wurde (bei Thilo Sarrazin ist das umgekehrt, weil die Faulen und die Dummen mehr Kinder kriegen als die Klugen). Jetzt sind die Indianer an der Reihe, die ihrerseits den Klippenbewohnern ein Ende bereitet haben.
Einen Austausch der Kulturen in Form gemeinsamer Kinder will sich der Film nicht vorstellen. Der Navajo liebt die weiße Schullehrerin. Das ist (fast) die klassische Western-Konstellation: der Wilde Westen wird gezähmt, indem man ihn mit dem zivilisierten Osten vermählt. Wäre der Held ein Cowboy, würde er den Bösen erschießen und dann die Lehrerin heiraten (Prototyp ist der mehrfach verfilmte Roman The Virginian von Owen Wister). Als Indianer wird er selbst getötet. Weil das innerhalb des vorgegebenen, sozialdarwinistischen Erklärungsmodells gar nicht anders möglich ist, geht es in The Vanishing American vor allem darum, den Helden zur richtigen Form des Sterbens zu geleiten. Am Ende lässt sich der tödlich getroffene Navajo aus der Bibel vorlesen (letzte Worte: "Ich ... glaube .... ich verstehe!"). Das ist wie bei Karl May. Der sterbende Winnetou bekennt sich zum Christentum, und der Chor der Westmänner singt das "Ave Maria" dazu.
Die meisten Genrefilme gruppieren lieber die bekannten Handlungselemente um, statt neue einzubringen. Da der Navajo in The Vanishing American der Gute ist, giert nun eben der weiße Bösewicht nach der Lehrerin. Üblicherweise waren es aber doch die Indianer, die der weißen Frau das Kleid vom Leib reißen wollten. Leuten, denen man übel mitgespielt hat, die Schuld zuzuschieben, indem man sie zu Monstern erklärt, ist eine bewährte Taktik. Nach Bekanntwerden der Nazi-Gräuel setzte ein Umdenken ein. John Ford macht den Zusammenhang explizit, indem er in Cheyenne Autumn (1964) einen deutschstämmigen Offizier als Kommandanten des Forts einsetzt, aus dem eine Art Konzentrationslager für ausgehungerte, vom Genozid bedrohte Indianer wird, die zu einem Todesmarsch durch die eisige Winterlandschaft antreten sollen. Captain Wessels (Karl Malden) bedauert das, kann aber leider gar nichts machen. Befehl ist Befehl.
Mit dem Thema Antisemitismus tat man sich in Hollywood auch nach 1945 sehr schwer. Unter den vielen jüdischen Filmproduzenten und Studiobossen galt es als heikel, weil man sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt sah, Propaganda in eigener Sache zu machen und Teil der "jüdischen Weltverschwörung" zu sein. Aufschlussreich ist Gentleman's Agreement von Elia Kazan, der 1947 zum Kassenschlager wurde. Gregory Peck macht als nicht-jüdischer Journalist den Wallraff und tut so, als ob er Jude wäre, um aus eigener Erfahrung über den Antisemitismus schreiben zu können. Dazu gibt es eine vielsagende Anekdote von den Dreharbeiten. Ein Techniker erzählte dem Drehbuchautor, wie wichtig es für ihn sei, an diesem Film mitzuwirken. Der beglückte Autor wollte mehr wissen und erhielt diese Antwort: "In Zukunft bin ich vorsichtiger. Ich werde keinen Juden mehr schlecht behandeln, nur für den Fall, dass er in Wirklichkeit ein Christ ist." Für die gelungene Aufarbeitung des Antisemitismus erhielt Gentleman's Agreement den Oscar für den besten Film des Jahres.
Ähnlich instruktiv ist Crossfire von Edward Dmytryk (auch 1947, fünf Oscar-Nominierungen, darunter erstmals die als bester Film für eine B-Produktion). Da sollte es ursprünglich um einen Schwulenhasser gehen, der aus dem Krieg zurückkommt und einen Homosexuellen tötet. Weil aber die Homosexualität zu den vom Hollywood Production Code untersagten "sexuellen Perversionen" gehörte, wurde aus dem Schwulenhasser ein Antisemit, aus seinem Opfer ein Jude. Immerhin durfte es diesmal ein richtiger Jude sein, der totgeschlagen wurde. Daraus kann man lernen, dass ein Thema (Juden und Antisemitismus) akzeptabler wird, wenn die Alternative (Schwule und Homophobie) noch "schlimmer" wäre. Was sich im Indianerfilm daraus machen lässt, werden wir noch sehen, wenn wir zu Audrey Hepburn und Burt Lancaster kommen.
Der Umgang mit dem Antisemitismus war also schwierig. Die Vermutung ist daher nicht ganz von der Hand zu weisen, dass den Indianern auch in Hollywood eine gewisse Stellvertreterfunktion zukam. Das Thema Rassismus ließ sich leichter verhandeln, wenn eine relativ kleine, gesellschaftlich nicht sonderlich relevante Gruppe betroffen war und man Geschichten aus dem 19. Jahrhundert erzählen konnte. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das fast vollständige Verschwinden schwarzer Nebenfiguren aus den US-Western der 1950er (vorher gab es die sehr oft). Offenbar war das ethnische Element mit den Indianern ausreichend abgedeckt. John Ford kommentiert das in Two Rode Together (1961) auf seine Weise: der Afroamerikaner Woody Strode spielt da Stone Calf, den Comanchen.
An den Reaktionen auf einen anderen Ford-Western kann man erkennen, dass sich 1946 etwas geändert hatte. In My Darling Clementine wirft Wyatt Earp einen besoffenen Indianer aus der Stadt. Ein paar Jahre zuvor hätte sich daran keiner gestört. Jetzt gab es verärgerte Kommentare, in denen dem Regisseur Rassismus vorgeworfen wurde (mit Ford traf es den Falschen; er hatte sich immer sehr darum bemüht, den Indianern ihre Würde zu lassen und musste für die vielen roten Bestien in den Filmen seiner Kollegen büßen). Der Nachkriegswestern deutete die alten Zuschreibungen um: aus Wildheit wurde Vitalität. Die Indianer, deren Aufgabe in den 1930ern vor allem darin bestand, dem Siedlertreck oder der Postkutsche aufzulauern, wurden von Statisten zu Hauptdarstellern befördert. Allerdings erwecken einige dieser Filme den Eindruck, als gehe es ihnen neben einer Neubewertung des Indianertums auch darum, alte Versäumnisse zu korrigieren.
Die Heldinnen in Duel in the Sun (1946) und Colorado Territory (1949) haben eine indianische Mutter und einen weißen Vater, verlieben sich in einen weißen Banditen und werden am Ende erschossen. Beide Filme erzählen romantische Liebesgeschichten, und Duel in the Sun wartet sogar mit einem der exzessivsten, Eros und Thanatos vereinigenden Höhepunkte der Kinogeschichte auf, aber letztlich sind weder Pearl Chavez (Jennifer Jones) noch Colorado Carson (Virginia Mayo) überlebensfähig. Nur die von Martha Vickers gespielte Heldin von Daughter of the West (1949), Tochter eines Indianers und einer Spanierin, muss am Schluss nicht sterben. Sie wurde in einem Kloster erzogen, entdeckt im Kampf gegen einen skrupellosen Regierungsagenten ihr Indianertum und - der Stimme des Blutes folgend - ihre Liebe zu einem Navajo aus der Reservation. Zu ihm gehört sie hin.
Bürgerkrieg
Für die echten Indianer hatte die ihnen nun entgegengebrachte Sympathie zur Folge, dass sie weißen Schauspielern dabei zusehen durften, wie sie rote Helden verkörperten (sie selbst wurden nach wie vor nur als Statisten benötigt). Robert Taylor war 1950 gleich auf beiden Seiten im Einsatz. In Ambush spielt er einen Scout und Goldsucher, der mit Hilfe der Kavallerie die von Apachen entführte Tochter eines Generals befreit. Das Problem, dass man auch eine Liebesgeschichte brauchte, solche Entführungsopfer aber als beschmutzt und nicht mehr heiratsfähig galten, wurde dadurch umschifft, dass man der Frau eine vollbusige Schwester gab (Arlene Dahl), an die der Held sein Herz verliert, bevor er zum Indianerlager reitet.
Erschwert wurde die Rehabilitierung der Indianer durch die Kalten Krieger, die alles dienstverpflichteten, was mit der Farbe Rot zu assoziieren war, von den Marsmenschen bis zu roten Riesenameisen. Diablito, der rote Schurke in Ambush, könnte Verwandte in Moskau haben. Diesen letzten Film des Kommunistenhassers Sam Wood muss man nicht gesehen haben. Devil's Doorway dagegen, der erste Western von Anthony Mann, sollte endlich wiederentdeckt werden. Mann meinte später, Guy Trospers Drehbuch sei das beste gewesen, das er je inszenieren durfte. An der Kamera stand John Alton, der Meister des Film noir, mit dem er zuvor so herausragende Werke der Schwarzen Serie wie T-Men und Border Incident gedreht hatte. Alton lieferte die passenden Bilder zu der düsteren, erstaunlich kompromisslosen Geschichte, die auf fast alles verzichtet, womit Hollywood unangenehme Botschaften üblicherweise abfedert, zur Not auch bis zur Unkenntlichkeit.
Der Ausgangspunkt ist der gleiche wie in The Vanishing American. Der Shoshone Lance Poole (Robert Taylor) kehrt als hoch dekorierter Veteran des amerikanischen Bürgerkriegs in seine Heimat Wyoming zurück. Er träumt vom friedlichen Leben und davon, auf seinem Land, einem fruchtbaren Tal hinter einer Passhöhe, mit der Hilfe von Stammesgenossen eine große Rinderherde aufzubauen. Sein Optimismus erhält einen ersten Dämpfer, als sich der Arzt aus der nahe gelegenen Stadt weigert, seinen sterbenden Vater zu behandeln, weil er ein Indianer ist. Fünf Jahre später ist Lance ein erfolgreicher Rancher mit stattlichem Bankkonto. Doch inzwischen haben sich die Verhältnisse geändert. Es gelten die in Washington gemachten Gesetze, weil Wyoming vom Territorium zum Bundesstaat geworden ist. Das Weideland der Indianer soll unter neuen Siedlern aufgeteilt werden.
Während Lance versucht, auf juristischem Wege wenigstens einen Teil des Landes zu retten, flieht eine Gruppe demoralisierter Shoshonen aus der Reservation und vor dem langsamen Hungertod. Lance nimmt sie bei sich auf. Verne Coolan, ein korrupter und rassistischer Anwalt, lockt Schafzüchter mit dem Versprechen auf saftige Weidegründe an und ermuntert sie, sich im Tal der Indianer ein Stück Land abzustecken. Die Schafzüchter sind im Recht, weil Lances juristische Bemühungen erfolglos bleiben. Er ist entschlossen, sein Anwesen notfalls mit der Waffe zu verteidigen. Der von Coolan geschürte Konflikt entlädt sich schließlich in einem sinnlosen Gemetzel. Lance stirbt als letzter der Shoshonen-Krieger. Die überlebenden Kinder und Frauen werden von der Kavallerie in die Reservation gebracht.
Andere Indianerfilme der 1950er bleiben gern im Allgemeinen. Devil's Doorway ist sehr konkret. 1863 trat der noch von Abraham Lincoln unterzeichnete Homestead Act in Kraft. Dieses Gesetz verfolgte viele hehre Ziele, unter anderem die Wiedereingliederung der Bürgerkriegsveteranen und die Erschließung des Westens. Jeder Bürger der USA (sowie einbürgerungswillige Einwanderer) über 21 konnte gegen eine geringe Gebühr 65 Hektar Land erhalten, das sich im Bundesbesitz befand und außerhalb der 13 ehemals britischen Kolonien lag, die sich ursprünglich zu den Vereinigten Staaten von Amerika zusammengeschlossen hatten. Grundbesitzer wurde man in drei Etappen: man stellte einen Antrag, kultivierte das Land fünf Jahre lang und konnte sich nach Ablauf dieser Frist als Eigentümer eintragen lassen.
Lance Poole scheitert schon mit dem ersten Schritt. Sein Antrag wird abgelehnt, weil er Shoshone ist. Er erfährt, dass das Homestead-Gesetz auf ihn nicht zutrifft, weil er kein Bürger der USA ist, für deren Nordstaaten er im Krieg gekämpft hat und von denen er mit der höchsten Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet wurde (die US-Staatsbürgerschaft wurde den Native Americans erst 1924 zuerkannt, und auch da nur theoretisch). So schließt der Film, der mit dem Ende des Bürgerkriegs begonnen hat, mit einem neuen Bürgerkrieg, der formal keiner ist, weil Lance Poole und seine Shoshonen als Nicht-Bürger gegen die weißen Siedler und die Kavallerie kämpfen.
Subtiler Völkermord
Das Ende ist typisch für diesen großartigen, abgrundtief traurigen Film, der bei jeder Gelegenheit die Genreerwartungen unterläuft. Die Indianer reiten nicht dumm im Kreis herum, bis sie vom Pferd geschossen werden, sondern wenden die Kriegstaktiken an, die Lance als Soldat in der Armee der Weißen gelernt hat. Die Kampfhandlungen sind so beunruhigend, weil Rot und Weiß die Plätze getauscht haben: auf der Ranch leben die Indianer, die weißen Siedler sind die Angreifer. Beim letzten Gefecht stehen sich zwei Frontlinien gegenüber, die der Shoshonen und die der Kavallerie. Beide Seiten sind Teilnehmer an einem tödlichen Spiel, dessen Regeln sie nicht bestimmen können.
Devil's Doorway ist ein so moderner Western, weil er simple Gut-Böse-Muster verweigert und es sogar noch schafft, die Tragödie der Indianer überzeugend mit der Frauenemanzipation zu verweben. Statt seine Feinde zu skalpieren, nimmt Lance sich einen Anwalt. Als er die Kanzlei von O. Masters betritt, findet er da eine Frau. Orrie Masters (Paula Raymond) erschrickt, als sie erfährt, dass Lance ein Indianer ist und will ihm zuerst die Hand nicht geben. Und Lance ist vorher, einem ersten Impuls folgend, gleich wieder hinausgegangen, weil Anwalt Masters eine Frau ist. So hat jeder seine Vorurteile. Dieser Film bringt auch geschlechtsspezifische Rollenmuster ins Wanken. Die erwartbare Liebesgeschichte wird höchstens angedeutet. Orrie bleibt immer die Anwältin und wird nie auf das love interest reduziert. Eine Frau wie sie muss man im Western bis 1950 lange suchen.
Das Böse in pro-indianischen Filmen wird üblicherweise an ein paar geldgierigen Weißen festgemacht, oder auch an roten Renegaten, die weiter Krieg führen, obwohl der weise Häuptling den Frieden will. Der Bösewicht in Devil's Doorway ist der von Louis Calhern mit süffisanter Gemeinheit gespielte Anwalt Coolan, aber eigentlich kommt es auf ihn nicht an. Nach gängiger Hollywood-Dramaturgie müsste das Töten aufhören, als Coolan von Lance umgebracht wird. Hier geht es immer weiter. Durch die staatliche Diskriminierung der Indianer wird ein Unrechtssystem geschaffen, in das sich jeder verstrickt, selbst wenn er besten Willens ist.
Während die Tragödie ihren Lauf nimmt, treten dauernd Weiße auf, die etwas tun, was sie nicht wollen, weil die Gesetze und die Befehle es verlangen (fast könnte man meinen, man sei in einen Kriegsverbrecherprozess geraten). Der Sheriff, ein alter Freund von Lances Vater, steht auf der Seite der Indianer, muss aber gegen diese vorgehen, weil er sonst gegen seine Pflichten verstoßen würde. Die Schafzüchter suchen eine gütliche Einigung mit den Shoshonen, die es nicht geben kann, weil diese rechtlos sind. Die einzige "Lösung" ist ein Dahinvegetieren der Indianer im Reservat bzw. der Genozid.
Die Ausweglosigkeit der Lage wird am Handeln von Orrie Masters deutlich. Nachdem das Recht versagt hat, ruft sie die Kavallerie zu Hilfe, um ein Abschlachten der Indianer durch die weiße Übermacht zu verhindern. Dieser Teil des Plans gelingt. Weil aber die Gesetze zugunsten der Aggressoren gemacht wurden, gerät auch dieses beliebte Handlungselement des Western (die Kavallerie rettet die weißen Insassen der von den Indianern verfolgten Postkutsche) durcheinander. Jetzt schießen eben die Soldaten auf die Shoshonen, die noch chancenloser sind als vorher. Der kommandierende Offizier bedauert das, muss aber seine Pflicht erfüllen. Lance Poole wird von der Armee erschossen, in der er selbst gekämpft hat.
Durch Devil's Doorway spukt die Geschichte von Ira Hayes. Der Pima-Indianer war einer der Soldaten, die auf dem berühmten Photo von Joe Rosenthal von der Insel Iwo Jima zu sehen sind, wo sie die amerikanische Flagge aufrichten. Hayes trat auch im Film Sands of Iwo Jima (1949, mit John Wayne) auf, wo das nachgespielt wird. Da hatte er schon eine Reihe von Festnahmen hinter sich, die meistens mit seiner Alkoholkrankheit zu tun hatten. Er litt vermutlich an einer posttraumatischen Belastungsstörung, und er zerbrach daran, dass er zugleich ein gefeierter Kriegsheld und der Angehörige einer diskriminierten Bevölkerungsgruppe war (siehe dazu Clint Eastwoods Flags of Our Fathers).
Auch der von Robert Taylor gespielte Lance Poole (eine seiner besten Leistungen) ist zwischen zwei Identitäten gefangen, was schon daran deutlich wird, dass er abwechselnd wie ein Weißer und wie ein Indianer gekleidet ist. Lance erfährt von seiner Anwältin, dass er kein Bürger der USA ist, sondern unter der Vormundschaft der Regierung steht wie ein kleines Kind. Hayes, als Indianer durch den Indian Citizenship Act von 1924 zum US-Bürger geworden (ein Jahr nach seiner Geburt), fuhr 1950 nach Washington, um vor Regierungsvertretern dafür zu plädieren, die Native Americans aus der Vormundschaft des Staates zu entlassen. Ohne Erfolg.
Am 24. Januar 1955 wurde die Leiche von Ira Hayes bei einer alten, unbewohnten Hütte gefunden. Er war blutverschmiert und lag mit dem Gesicht nach unten in seinem Erbrochenen. Als Todesursache gab der Gerichtsmediziner Alkoholmissbrauch und Unterkühlung an. Von Hayes' Leben und Sterben erzählt der Film The Outsider (1961), mit Tony Curtis in der Hauptrolle. "Die Geschichte", meint Joe Hembus, "ist authentisch und zeigt, dass es subtilere, auf lange Sicht wirkungsvollere Methoden zur Vernichtung einer Rasse gibt, als sie umzubringen." Der Folksänger Peter La Farge schrieb die häufig aufgenommene "Ballad of Ira Hayes", die unter anderen von Johnny Cash, Bob Dylan, Kinky Friedman und Townes Van Zandt gecovert wurde.
Fluch des Rassismus
Den besoffenen Indianer kennen wir aus vielen Western. Der weiße Mann gibt dem roten Feuerwasser, und der säuft sich zu. Scheinbar ist er genetisch für den Alkoholismus prädisponiert. Andere Gründe, zum Beispiel Alkoholabhängigkeit als Problem einer gesellschaftlich diskriminierten Gruppe, werden nicht genannt. Devil's Doorway hat auch da eine andere Sicht der Dinge. Am Anfang geht Lance, der Kriegsheimkehrer, in den Saloon. Da wird er jetzt gleich wieder rausgeworfen, denkt man sich als geschulter Zuschauer. Stattdessen sind da Hank und Bob, die ihn kennen, seit er ein Kind war und ihn freudig begrüßen. Bob spendiert zur Feier des Tages den besten Tropfen, den sein Saloon zu bieten hat. Doch in der Ecke lauert schon Verne Coolan, der Vorbote einer für die Indianer aussichtslosen Zukunft.
Zehn Filmminuten später ist Hank ein Sheriff, das menschenleere Nest von früher eine geschäftige Stadt geworden. Lance führt seit fünf Jahren mit großem Erfolg ein Rinderzuchtunternehmen. Aber im Saloon hängt jetzt ein Schild, dass an Indianer kein Alkohol mehr ausgeschenkt wird. Die auf der Ranch lebenden Shoshonen bilden eine funktionierende, wirtschaftlich prosperierende Gemeinschaft. Ein Suchtproblem haben sie nicht. Dieses Alkoholverbot ist keine Fürsorge, sondern eine Infantilisierungsmaßnahme. Lance macht das deutlich, indem er für sich und seinen Freund Red Rock eine Limonade bestellt.
In Devil's Doorway steht der Alkohol für ein Zivilisationsgebrechen der Weißen. Die Entwurzelten unter ihnen versammeln sich im Saloon, um sich Mut anzutrinken und dann, im trügerischen Schutz der Gruppe (es gibt nur Gaffer, kein solidarisches Verhalten) auf die Angehörigen einer Minderheit loszugehen. Ein Trinkkumpan von Coolan bedroht Lance mit der Waffe und schüttet ihm Whiskey ins Gesicht. Anthony Mann und sein Kameramann John Alton, die beiden Film-noir-Erfahrenen, haben aus dem nun folgenden Kampf eine expressionistische Westernperle gemacht. Draußen tobt ein Gewitter. Man hört nur den Sturm und die Kampfgeräusche, es gibt keine Musik.
Im Licht der Blitze sieht man die leidenden Gesichter der Kontrahenten und dazwischen die der Zuschauer. Altons mit Blick auf Chiaroscuro-Effekte ausgeleuchtete Bilder sorgen für eine Höhlenmenschen-Atmosphäre. Der einzige, der eindeutig Spaß an der Prügelei hat, ist Coolan der Sadist. Er wirft eine Whiskeyflasche um, die auslaufende Flüssigkeit ist ein symbolischer Samenerguss (so etwas hatte man bis dahin im Western auch nur selten gesehen). Am Ende bleibt ein Gefühl der Erschöpfung. Auf weitere Brutalitäten hat man keine Lust mehr. Lance, der nicht mehr kämpfen will, geht zu seiner Anwältin, um den Konflikt mit friedlichen Mitteln beizulegen. Das endet mit einem Gemetzel, weil sich die schlimmste Gewalt in den von einer rassistischen Gesellschaft gemachten Gesetzen verbirgt.
Devil's Doorway ist so direkt und kompromisslos, dass es einem manchmal den Atem raubt. Die Produktionsfirma MGM war so erschrocken, dass sie anfangs gar nicht wusste, ob sie den Film überhaupt zeigen sollte. Sie hielt ihn zurück und brachte ihn erst ins Kino, als sich der später gedrehte Broken Arrow als Publikumsrenner erwies (dann aber ganz schnell, um sich an den Erfolg anzuhängen). Die Kritiker hatten viel zu bemängeln. Häufig kam der Vorwurf, dass Devil's Doorway ein billiges, rein kommerziell motiviertes Imitat von Broken Arrow sei. Die New York Times allerdings hatte Respekt vor einem Western, der "einige Skelette in unserem Familienschrank zum Klappern bringt". Dem Katholischen Filmdienst stieß die "übertriebene Ehrfurcht vor indianischen Gebräuchen" übel auf. Diese Publikation, die in den 1950ern regelmäßig christlich mit rassistisch verwechselte, hätte auch mal fragen können, ob es unbedingt sein musste, dass der Film in dem Land, das sich 1935, auf dem Nürnberger "Reichsparteitag der Freiheit", das "Blutschutzgesetz" gegeben hatte, unter dem Titel Fluch des Blutes lief? Wenn schon ein Fluch, dann bitte der des Rassismus.
Auch Indianer haben eine Mutter
Obwohl Robert Taylor in Devil's Doorway sehr gut ist, galt es als ausgemacht, dass er eine schlimme Fehlbesetzung sei. Von Jeff Chandler hieß es das nicht. Es ging aber nicht so sehr um die schauspielerische Leistung, als um den Indianertyp, den er zu verkörpern hatte. Wahrscheinlich wäre Chandler auch gescholten wenn er in Broken Arrow von Delmer Daves nicht den friedliebenden, ein wenig domestizierten Cochise verkörpert hätte, den besten Freund von Jimmy Stewart, sondern den Guerilla-Kämpfer Geronimo. Die Cochise-Rolle machte ihn zum Star, er wurde für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert. Schauspielerische Höchstleistungen wurden ihm als stoischem, bei Bedarf auch gütigem oder streng dreinblickendem Indianerhäuptling nicht abverlangt. Die Nominierung war ein politisches Signal.
Beide Filme markieren einen Wendepunkt in der Behandlung der Native Americans. Der in harschen Schwarz-Weiß-Bildern erzählte Devil's Doorway (die sehr eindrucksvollen Außenaufnahmen wurden gelegentlich mit den Photographien von Ansel Adams verglichen) ist konsequenter und hatte Mühe, die Produktionskosten einzuspielen. Broken Arrow (in Technicolor) mochten alle. Er war der einflussreichere der beiden Filme. Die Geschichte beginnt im Arizona des Jahres 1870. Erzählt wird sie von Tom Jeffords (James Stewart), der wie Lance Poole auf Seiten der Union im Bürgerkrieg und später dann - als Scout der Armee - auch gegen die Apachen gekämpft hat. Alles habe sich genauso abgespielt, versichert Jeffords eingangs, nur mit einem Unterschied: die Apachen sprechen im Film nicht ihre eigene Sprache, sondern Englisch. Das war neu in Hollywood. Der gewöhnliche Leinwand-Indianer sagte entweder gar nichts, weil er Teil der Landschaft war, oder er artikulierte sich auf Tarzan-Niveau.
Broken Arrow wies darauf hin, dass Indianer Leute mit eigener Sprache und Kultur sind. Und sogar noch mehr. Auf dem Weg nach Tucson rettet Jeffords einem schwer verletzten Indianerjungen das Leben. Der Junge sagt, dass sich seine Mutter bestimmt Sorgen macht. Jeffords stellt erstaunt fest, dass auch die Indianer Menschen sind und eine Mutter haben. Heute wirkt das komisch. 1950 war diese Erkenntnis so neu, dass sie extra betont werden musste. Weil Jeffords dem Jungen gegenüber freundlich war, wird er von den Apachen nicht umgebracht (Merke: Die Indianer sind nicht nur Menschen, sie sind auch fair.). Allerdings muss er mit ansehen, wie die Apachen einen Trupp Goldsucher überfallen und die Gefangenen zu Tode martern. Das kennt man schon aus anderen Filmen. Hier jedoch erfährt man, dass einer von den Goldsuchern drei Indianerskalpe in der Satteltasche hatte. In der Stadt wird dafür eine Ausrottungsprämie bezahlt. Dieser Film sagt sehr offen, dass es Weiße gibt, die nur der Genozid zufrieden stellen würde. Die Apachen dagegen verteidigen ihr Land, und sie skalpieren nicht.
Wenn die Apachen Wilde sind, dann sind es die Weißen auch, denn der Krieg wird von beiden Seiten äußerst grausam geführt. Und die Weißen haben angefangen. Jeffords weiß, dass es ein junger Armeeoffizier war, der den Kreislauf der Gewalt in Gang setzte. Das hat einen realen Hintergrund. 1861 wurde Cochise zu Unrecht beschuldigt, die Rinder weißer Farmer gestohlen zu haben. Ein unerfahrener Offizier lockte ihn in eine Falle, konnte statt seiner aber nur einige seiner Verwandten (darunter seinen Bruder) festsetzen. Auch Cochise nahm Gefangene, um sie auszutauschen. Das misslang. Schließlich töteten beide Seiten ihre Geiseln. Damit begann ein sehr langer Krieg mit den Chiricahua-Apachen, dessen kolportierte Opferzahlen vermutlich stark übertrieben sind (mehr tote Weiße rechtfertigten mehr Gewalt gegen die Indianer), der aber verheerende Konsequenzen für die weitere Besiedelung und die wirtschaftliche Entwicklung Arizonas hatte.
Auch Tom Jeffords gab es wirklich. Er war im Gebiet von Tucson für den zivilen Postverkehr zuständig, wagte sich in das Lager der Apachen, um eine sichere Passage für seine Postreiter auszuhandeln und wurde der Freund von Cochise. Im Film soll er den auf solche Aktionen spezialisierten Colonel Bernall bei einer Ausrottungs-Kampagne unterstützen. Das lehnt er ab. Stattdessen lässt er sich von einem alten Indianer in der Sprache und den Gebräuchen der Apachen unterweisen. Dann reitet er auf eigene Faust in die Berge, kommt unversehrt in das Tal der Chiricahuas und trifft Cochise. Der Häuptling ist beeindruckt von Jeffords' Mut und Aufrichtigkeit. Als Zeichen des guten Willens gewährt er fünf Postreitern freies Geleit. Der Krieg geht unterdessen weiter. Colonel Bernall wird vernichtend geschlagen und getötet, weil Cochise der überlegene Taktiker ist. Präsident Grant hat inzwischen den Bürgerkriegsgeneral Oliver Howard geschickt (auch eine historische Figur), der mit den Apachen einen Friedensvertrag aushandeln soll. Das gelingt mit Jeffords' Hilfe. Nur Geronimo und seine Anhänger wollen weiter kämpfen.
Cochise vs. Geronimo
Für das von der Writers Guild of America mit einem Preis bedachte Drehbuch zeichnete bis 1997 Michael Blankfort verantwortlich. Blankfort stellte seinem Kollegen Albert Maltz, einem der profiliertesten linken Drehbuchautoren und einem der exemplarisch abgeurteilten Hollywood Ten, seinen Namen zur Verfügung, weil Maltz auf der schwarzen Liste stand. 1997 beschloss die Writers Guild, in solchen Fällen die Angaben zu korrigieren - im Vorspann der in Deutschland erschienenen DVD wird allerdings weiter Blankfort genannt, auf der US-DVD nicht mehr. (Die Amerikaner haben eine einfache Lösung gefunden: im Bonusmaterial ist der ursprüngliche Vorspann enthalten.)
Einiges in Broken Arrow erweckt denn auch den Eindruck, dass es hier um andere Rote geht als um die Apachen. Jeffords' Vermittlungsbemühungen stoßen in Tucson, wo es fast nur Indianer- bzw. Kommunistenhasser gibt, auf Misstrauen und Ablehnung. Einmal verweigert er auf inquisitorische Fragen die Antwort mit dem Hinweis, dass es sich um seine Privatangelegenheit handele. Im Kontext des Jahres 1950 kann man das nur als Anspielung auf die vom "Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten" veranstalteten Tribunale verstehen. Weil es nicht sein darf, dass die Apachen dank eigener Fähigkeiten den selbsternannten Indianertöter Bernall schlagen, gerät Jeffords in Verdacht, ein Verräter zu sein. Der Mob hat ihm schon die Schlinge um den Hals gelegt, als General Howard das Lynchen unterbindet.
Ein Abgesandter des Präsidenten macht der Hexenjagd ein Ende: bei diesem Drehbucheinfall dürfte Maltz' Wunsch der Vater des Gedankens gewesen sein (die Realität sah leider anders aus). Im Indianerfilm der 1950er wurde dadurch eine beschwichtigende Konstante etabliert. In Devil's Doorway führt das Sortieren in Gut und Böse nicht wirklich weiter, weil das System selbst rassistisch ist. Broken Arrow ist da viel konzilianter. In der Vergangenheit wurden Fehler gemacht (durch den Offizier zum Beispiel, der Cochises Bruder aufhängen ließ), aber die Regierung mit Präsident Grant an der Spitze will das Richtige. Dadurch wird altbekannten Erzählmustern der Weg bereitet: Es gibt gute und schlechte Indianer, und es gibt gute und schlechte Weiße. Sind die Bösen erst unschädlich gemacht, kann der Frieden kommen.
Interessant ist die Entwicklung. Am Anfang des Films erstreckt sich das Gebiet der Apachen über große Teile Arizonas und ein Stück von Mexiko. Cochise, berichtet Jeffords, hat alle Apachenstämme vereinigt, und weil sie jetzt unter einer Führung kämpfen, sind sie so gefährlich (in Seeing is Believing vergleicht Peter Biskind die Indianer mit den Hafenarbeitern in On the Waterfront, die ein gleichwertiger Gegner sind, weil sie sich in einer - von Elia Kazans Film kriminalisierten - Gewerkschaft organisiert haben). Vor dem Friedensvertrag steht die Spaltung. Geronimo wird weiter kämpfen. Die Sympathieverteilung ist ganz klar. Der charismatische Cochise ist wie Winnetou, nur älter. Jay Silverheels, der Darsteller des stets mürrischen Geronimo, schrieb später als Tonto, Freund des Lone Ranger, TV-Geschichte. Vor Broken Arrow hatte man ihn in solchen Rollen wie der in Canyon Passage gesehen: da spielt er den Indianer, der Hoagie Carmichael die Mandoline zerbricht. Silverheels (im Film der Böse) war im echten Leben ein Mohawk-Indianer; Jeff Chandler (der Gute) war ein Jude aus Brooklyn. In Broken Arrow kommt es darauf an, dass er deutlich hellhäutiger und weniger "fremd" ist als sein finsterer Gegenspieler.
Stellen wir uns vor, wir müssten für Geronimo ein paar Dialogzeilen schreiben, mit denen er erklärt, warum er weiter kämpfen will. Was würde uns da einfallen? Wahrscheinlich etwas in der Art: Ein "Frieden" ist für die Indianer gleichbedeutend mit dem Dahinsiechen in der Reservation. Das ist eine schleichende Form des Völkermordes und daher nicht akzeptabel. Der Geronimo von Broken Arrow aber lehnt den Friedensvertrag nur deshalb ab, weil dieser auch Raubzüge der Apachen nach Mexiko untersagen würde. Woher, fragt Geronimo, sollen wir Vieh und Getreide (lebensnotwendige Güter) bekommen, wenn wir sie nicht mehr von den Mexikanern holen dürfen wie bisher?
Cochise weiß die Antwort: Das Vieh erhalten die Apachen in Zukunft von der US-Regierung. Anders formuliert: sie werden Almosenempfänger. Das sind dieselben Apachen, deren Freund Tom Jeffords vorher schöne Worte darüber sagen durfte, dass ein Frieden nur in Frage käme, wenn die Indianer freie, selbstbestimmte Menschen bleiben. Zum Friedensvertrag, der die Guten im Film so beglückt, gehört die Landkarte mit dem nun kleiner gewordenen Gebiet der Indianer. Wie die Shoshonen in Devil's Doorway bewohnen Cochise und seine Apachen ein grünes Tal in den Bergen. Der Film suggeriert, dass sie einfach bleiben werden, wo sie sind. Die Verwendung des hässlichen, eindeutig negativ besetzten Wortes "Reservation" wird peinlichst vermieden. Devil's Doorway ist da viel ehrlicher, kann daher nicht einmal die Andeutung eines Happy Ending liefern.
Auch in Broken Arrow gibt es Szenen, die man so vom Western noch nicht kannte. Einige von den abtrünnigen Apachen überfallen die Postkutsche. Jeffords holt Hilfe. Zurück kommt er nicht mit der Kavallerie, sondern mit den Kriegern von Cochise. Im Kontext des Jahres 1950 war das eine bedeutende, positiv interpretierte Neuerung. Vom Jahr 2010 aus sieht man auch die Schattenseiten. Der Film führt Indianer vor, die zuerst gemeinsam kämpfen und dann - auf dem Weg zum Frieden - gegeneinander. Wenn man an die weitere Entwicklung denkt, an den Kalten Krieg in Europa und an Vietnam, wirkt das nicht mehr so erfreulich.
Fataler Kinderwunsch
Parallel zur Erzählung vom Frieden zwischen Weiß und Rot gibt es die Liebesgeschichte von Tom Jeffords und der schönen Apachin Sonseeahray (Debra Paget), deren Name verdächtig nach den englischen Worten für "Sonne sieht einen Strahl" klingt und in der Apachensprache soviel wie "Morgenstern" bedeutet, oder zumindest wird uns das mitgeteilt (für die in der Werbung sehr strapazierte Authentizität der indianischen Sitten und Gebräuche würde ich die Hand nicht ins Feuer legen). Sonseeahray steckt gerade mitten in einem Erwachsenwerden-Ritual, als Jeffords das erste Mal das Apachenlager betritt. Es ist Liebe auf den ersten Blick.
Von nun an wird Sonseeahray stark mit solchen indianischen Ritualen assoziiert. Bei einem traditionellen Tanz wählt sie Tom Jeffords als Partner, und weil der ein Ehrenmann ist, schickt er Cochise als Brautwerber zu deren Eltern. Nach allem, was man weiß, zeugten die weißen Jäger, Siedler und Goldsucher erhebliche Mengen halb-indianischer Kinder. Im Film ist das immer viel schwieriger. Cochise warnt auch gleich, dass Tom und Sonseeahray im Spannungsfeld zwischen zwei Kulturen stehen und es nicht einfach haben werden. Die Liebenden ficht das nicht an. Nach einer indianischen Hochzeitszeremonie reiten sie auf weißen Pferden zu ihrem Hochzeits-Wigwam außerhalb des Dorfes. Während der Friedensprozess voranschreitet, genießen die Eheleute ihr privates Glück. Ihre Beziehung scheint die Annäherung zwischen Rot und Weiß zu symbolisieren.
Einmal liegen sie glücklich am Fluss, und Sonseeahray träumt am Ende der Szene von gemeinsamen Kindern. Das ist ihr Todesurteil. Broken Arrow verliert keine Zeit. Gleich in der nächsten Szene folgt die Antwort. Weil für sie nur ein toter Indianer ein guter Indianer ist, wollen Ben Slade (Will Geer) und andere unverbesserliche Rassisten Cochise ermorden und so den Friedensprozess torpedieren. Doch bei dem Anschlag stirbt nicht der Häuptling der Apachen, sondern Sonseeahray. Das war nicht der Plan der Indianerhasser, ist aber das vom Film gewünschte Ergebnis (sonst hätte man das nicht erfinden müssen).
Falls es damals schon Drehbuchseminare gab, erfuhr man da sicher, dass jetzt eine Szene kommen muss wie diese: Einer von den Angreifern wurde verwundet. Jeffords, außer sich vor Schmerz, will vom Frieden nichts mehr wissen und den Mann erstechen. Cochise lässt das nicht zu. Jeffords, sagt er, habe ihn gelehrt, dass man die Weißen und die Indianer nicht nach ihren Verrätern beurteilen darf; der Friedensprozess müsse weitergehen (Das "You who taught me so well" des Originaldialogs ist in der deutschen Synchronfassung wegübersetzt). Cochise, der in der Vergangenheit schon mal Krieg gegen die Weißen geführt hat, weil die seinen Bruder aufgehängt haben, weiß jetzt von sich aus, wie es richtig ist. Nach dieser gelungenen Überprüfung des Lernziels kann Jeffords, der Mentor des Apachenhäuptlings, von dannen reiten.
Vorher muss Sonseeahray noch beigesetzt werden. Die Weißen aus Tucson kommen zum Kondolieren. Sonseeahrays Tod, sagt General Howard, hat erst den echten Willen zum Frieden geschaffen; durch ihn ist der Friedensvertrag mehr als ein Stück Papier geworden. Und was sagt der Film? Die Aussöhnung zwischen den Kulturen ist eine gute Sache. Die Indianer sind auch Menschen (besonders in der Cochise-Variante), und vielleicht sogar die besseren; aber sie sollen bitte bleiben, wo sie hingehören. Eine Indianerin, die Kinder vom weißen Helden will, wird das nicht überleben.
Am Schluss reitet Tom Jeffords so allein davon, wie er am Anfang gekommen ist. Seine Frau, erläutert James Stewarts Stimme aus dem Off, war von nun an immer bei ihm - ganz gleich, ob er sich in den Städten der Weißen, bei den Indianern oder im Gebirge aufhielt. In Deutschland war man da weniger kulant. "Ruhelos durchstreifte ich die Steppen und Berge Arizonas", sagt der Synchronsprecher. Einer wie er, der eine Indianerin geheiratet hatte, war nicht mehr gesellschaftsfähig.
Während die MGM Devil's Doorway zunächst gar nicht zeigen wollte, erhielt Broken Arrow bei der Fox das volle Werbeprogramm. Zur Beglaubigung der Authentizität wurde eine Begegnung der Kulturen organisiert. In einem Beitrag für die Movietone News (die Fox- Wochenschau) war zu sehen, wie der "Autor" des Films in Fort Apache, Arizona der jungen Fawn für ihr indianisches "Coming of Age Ritual" das Kostüm schenkt, das Debra Paget bei diesem Ritual trägt. Und weil der Film so ehrlich ist, kriegt der Mann anschließend von den Stammesältesten den "Schild des gebrochenen Pfeils" überreicht. Michael Blankfort, der im Vorspann genannte Drehbuchautor, wollte wahrscheinlich nicht hinfahren, weil er nur seinen Namen zur Verfügung gestellt hatte. Albert Maltz, der wirkliche Drehbuchautor, war nicht vorzeigbar, weil er auf der schwarzen Liste stand. Also nahm man eben Elliott Arnold. Er hatte wenigstens Blood Brother geschrieben, die Romanvorlage.
Sehr schön ist auch ein Wochenschaubeitrag mit den Stars von Broken Arrow. Beseelt von der die Völker und die ethnischen Gruppen verbindenden Botschaft des Films, zeigt Jimmy Stewart seiner Partnerin Debra Paget den Entwurf der neuen, noch inoffiziellen US-Flagge mit den beiden Sternen, die Alaska und Hawaii repräsentieren werden, sobald sie als 49. und 50. Bundesstaat in die Union aufgenommen sind. Es dauerte dann aber doch noch bis 1959, bis auch die Eskimos und die Hawaiianer US-Bürger wurden. Für Barack Obama, geboren 1961 in Honolulu, war das wichtiger als für die Präsidentschaftshoffnung der Ultrakonservativen, Alaskas frühere Gouverneurin Sarah Palin, die in Sandpoint, Idaho zur Welt kam. Zum Leidwesen von Arnold Schwarzenegger kann nur Präsident werden, wer in den USA geboren wurde.
Aus Broken Arrow wurde eine Hörspielreihe und eine Fernsehserie, und er löste eine Flut von nach demselben Muster gestrickten Indianerfilmen aus. Die Native Americans waren so populär, dass in Hondo sogar John Wayne ein paar von ihnen in seinem Stammbaum hat. Jeff Chandler spielte noch zweimal Cochise (in Battle at Apache Pass und, mit Rock Hudson als Sohn, in Taza, Son of Cochise), durfte aber auch die Jeffords-Rolle übernehmen: in The Great Sioux Uprising vermittelt er als ehemaliger Armeearzt zwischen den Weißen und Häuptling Red Cloud, und in War Arrow schlägt er mit Hilfe der Seminolen (gute Indianer) die Kiowa (böse Indianer). Letzteres reicht schon fast an die Leistung von Tom Jeffords heran. Der besiegt die Apachen quasi im Alleingang, indem er sie in gute (die Cochise-Fraktion) und böse (die von Geronimo angeführte Opposition) spaltet.
In Broken Arrow zerbricht Cochise mit einer symbolischen, dem Film den Titel gebenden Friedensgeste einen Pfeil. Das Zeichen der Niederlage ist es auch. Geronimo wird nach Mexiko verdrängt. Cochise geht in die Reservation. Erst nach Jahren, sagt Tom Jeffords am Ende, habe er begriffen, dass der Tod Sonseeahrays den Frieden besiegelt habe. Die gängige Interpretation dazu: Ihr Tod war das Opfer, das für den Frieden gebracht werden musste. Wenn es dafür einfach eine Leiche brauchte, hätte man auch die indianische Frau von Cochise umbringen können, oder den famosen Arthur Hunnicutt als Chef der Postreiter. Es muss aber Sonseeahray sein, weil mit ihr zugleich das ungeborene, vermutlich schon gezeugte Kind einer Indianerin und eines Weißen aus der Filmwelt entfernt wird (erst kommt die Hochzeitsnacht, dann die Ermordung). Das ist der wahre Preis des Friedens.
Teil 2: Alles im Fluss: Rassenmischung bringt Freud und Leid
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