OPCW-Dokument ordnete die Löschung eines Berichts zum Vorfall in Duma an

Der Chlorgas-Kanister, der durch das Dach auf ein Bett gefallen sein soll. Bild: Screenshot

Weitere geleakte Dokumente verstärken den Zweifel an der Unabhängigkeit der OPCW und am Abschlussbericht zum angeblichen Giftgasangriff in Duma

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

WikiLeaks hat weitere Dokumente veröffentlicht, die die OPCW, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, weiter unter den verstärkten Verdacht bringen, den Abschlussbericht über den angeblichen Giftgasangriff in Douma (Duma) am 7. 4. 2018 aus politischen Interessen manipuliert zu haben, um Syrien und Russland zu beschuldigen und vielleicht die Bombardierung der Amerikaner, Briten und Franzosen auf angebliche syrische Orte des Chemiewaffenprogramms zu legitimieren. Die Bombardierung erfolgte, als gerade die OPCW-Inspektoren zur Untersuchung des Vorfalls in Syrien eingetroffen waren und außer Beschuldigungen u.a. der Weißhelme noch gar nicht klar war, ob es sich um einen Giftgasangriff handelte und falls ja, von wem er ausging.

Der im März dieses Jahres veröffentlichte Abschlussbericht der Fact-Finding Mission der OPCW (Wahrscheinlich Chlorgas) geht davon aus, dass es "gute Gründe" für den "Einsatz einer toxischen Chemikalie", "wahrscheinlich" Chlorgas, gebe und dass die Kanister aus der Luft abgeworfen worden seien, was einzig die syrische Armee zum Täter machen würde. Allerdings hieß es, es sei nur "möglich", dass die Kanister Chlorgas enthielten. Die Formulierungen waren sehr vorsichtig und ließen Hintertüren offen. Für die meisten Medien reichten diese vagen Formulierungen, um Syrien zu beschuldigen.

Bekannt wurde aber durch Leaks und Whistleblower, dass selbst diese Formulierungen durch Auslassungen von Befunden der Inspektoren herausdestilliert wurden. Dafür interessierten sich dann kaum mehr viele westlichen Medien, offenbar ging das gegen den ideologischen Strich. So kam durch die Working Group on Syria, Propaganda and Media ein geleakter, im Februar verfasster Berichtsentwurf über die technische Bewertung der Kanister zu einem anderen Schluss. Der technische Bericht wurde im Abschlussbericht nicht, nicht einmal als Frage, berücksichtigt, sondern offensichtlich unterdrückt.

Moniert wurde hier, dass in der vorläufigen Fassung des Abschlussberichts nur eine Hypothese, nämlich der Abwurf von Chlorgaskanistern von Flugzeugen, verfolgt wurde, nicht aber, wie man das wissenschaftliche mache, verschiedene Hypothesen aufzustellen, um keinen Vorannahmen anheimzufallen.

Die Ausmaße, die Eigenschaften und das Aussehen der Kanister und der umgebenden Szene der Vorfälle waren inkonsistent mit dem, was man in dem Fall erwarten müsste, wenn einer der Kanister von einem Flugzeug abgeworden wurde. In jedem Fall erzeugte die alternative Hypothese die einzig plausible Erklärung für die Beobachtungen am Tatort.

Aus dem technischen Bericht

Die Inspektoren folgerten daraus, dass beide Kanister "mit einer höheren Wahrscheinlichkeit händisch an diesen beiden Orten platziert wurden, als dass sie von einem Flugzeug abgeworfen wurden". Das würde in die Richtung weisen, dass die "Rebellen" oder die Weißhelme den Angriff inszeniert haben.

Im Oktober hatte schließlich "ein Whistleblower aus den Reihen der OPCW, der an dieser 'Fact Finding Mission' beteiligt war", einem international besetzten Panel der Courage Stiftung erklärt, dass wichtige Informationen zu chemischen Analysen, toxikologischen Gutachten, ballistischen Studien und Zeugenaussagen in dem Abschlussbericht unerwähnt geblieben seien. Mehrere an der Duma-Mission beteiligte Inspektoren seien bei der Erstellung des Abschlussberichts nicht einbezogen oder konsultiert worden.

Im November veröffentlichte dann WikiLeaks eine Email eines an der Faktenfindungsmission beteiligten OPCW-Inspektors vom 22. Juni 2018, der an den Briten Robert Fairweather, dem damaligen Kabinettschef der OPCW, seinen Stellvertreter Aamir Shouket und Mitglieder der FFM gerichtet war. Der Emailschreiber beschwert sich über die einseitige Darstellung und selektive Aufnahme von Befunden: "Ich bin entsetzt, wie sehr die Fakten falsch dargestellt wurden."

Für die OPCW-Leitung wurde es nun doch ungemütlich. OPCW-Generaldirektor Fernandon Arias wies Ende November während der OPCW-Jahrestagung alle Zweifel an der Unparteilichkeit der Organisation zurück. Vermutlich in Koordination damit hatte Bellingcat versucht, den Abschlussbericht zu rechtfertigen und die Kritik zu widerlegen, was aber alles andere als überzeugend war (Bellingcat verteidigt OPCW-Abschlussbericht).

"Bitte löscht dieses Dokument aus dem DRA"

Jetzt veröffentlichte WikiLeaks weitere Emails. Besonders entlarvend eine Email des Franzosen Sebastien Braha, Kabinettschef der OPCW, der erzürnt über eine Untersuchung war, die angeblich außerhalb des Auftrags durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt steht der OPCW-Inspekteur Ian Henderson, der den Bericht wohl verfasst hat. Braha schreibt im Februar 2019 u.a. an Henderson und den OPCW-Inspektor Boban Cekovic: "Bitte löscht dieses Dokument aus dem DRA (Documents Registry Archive), da DRA spezifischerweise NICHT mit einer Nicht-Routine-Mission ohne vorherige Anweisung befasst ist. Und bitte löscht alle Spuren von seiner Lieferung/Speicherung etc. im DRA."

Gegenüber Boban beklagt sich Henderson über das Vorgehen der OPCW-Führung, die in das Kernteam nur einen Inspekteur, einen Paramedic, aufgenommen habe, der vor Ort gewesen ist. Ihn habe man ausgeschlossen, obgleich er chemischer Ingenieur sei, der sich mit Druckkesseln und Ballistik auskenne. Er spricht von zwei Berichten, die offenbar unerwünscht waren. Darunter der oben erwähnte technische Bericht, nach dem die beiden Kanister wohl nicht aus der Luft abgeworfen worden seien.

Ein anderes Dokument behandelt ein Treffen zwischen OPCW-Mitarbeitern und vier Toxikologen, bei des darum ging, ob die bei den Opfern beobachteten Symptome mit einem Angriff mit Chlorgas übereinstimmen. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass es keine Übereinstimmung der Symptome mit der Aussetzung an Chlorgas gebe. Es habe auch keine andere chemische Substanz damit identifiziert werden können. Das ist natürlich vernichtend, dass solche Expertenauskünfte in dem Abschlussbericht weder erwähnt noch wiederlegt wurden. Eine weitere Email vom Juli 2018 von Sami Barrek, dem FFM-Leiter, scheint nahezulegen, dass viele der Inspektoren, die vor Ort den Vorfall untersucht haben, vom Kernteam (Alpha Team) ausgeschlossen wurden, das das weitere Vorgehen im Fall diskutieren sollte.

Julian Assange

Derweil geht es WikiLeaks-Gründer weiterhin schlecht, der im Hochsicherheitsgefängnis Belmash sitzt und auf das Auslieferungsverfahren im Februar wartet. Seine Anwälte beschwerten sich, sie hätten keinen ausreichenden Zugang zu ihrem Klienten, Assange wiederum habe keinen Zugriff auf Beweismittel, vor allem auf neuere.

Nils Melzer, der UN-Sondergesandte für Folter, hatte nach einem Besuch im Mai berichtet, dass das Leben von Assange gefährdet sei, wenn er weiterhin den Haftbedingungen ausgesetzt sei, die er als "psychologische Folter" bezeichnete. Daraufhin hatten 60 Mediziner einen offenen Brief an die britische Innenministerin geschrieben und gefordert, Assange in ein Krankenhaus zu verlegen. Die britische Regierung antwortete nicht einmal darauf. Am 16. Dezember schrieben 100 Mediziner einen offenen Brief an die australische Regierung, in dem sie sich über die britische Regierung beklagen und eine sofortige Intervention verlangen: "The Australian government has shamefully been complicit by its refusal to act, over many years. Should Mr Assange die in a British prison, people will want to know what you, Minister, did to prevent his death."

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.