Obama sabotiert Klimaverhandlungen

Juni-Niederschlag relativ zum langjährigen Mittel. Bild: NOAA

Die Energie- und Klimawochenschau: Die USA schwitzen, Manila versinkt, das Eis schmilzt und die US-Regierung steht immer noch nicht zu ihrer Verantwortung

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Während sein Land unter einer schweren Dürre stöhnt und ihm Klimawissenschaftler einmal mehr, wie mehrfach berichtet (Atomkraft? Wofür?, Die Zukunft wird heiß sein), vorgerechnet haben, dass das vermutlich eine Folge des Klimawandels ist, gibt der Sondergesandte des US-Präsidenten Barack Obamas für die Klimaverhandlungen, Todd Stern, einen interessanten und zugleich deprimierenden Einblick in Ziele und Gedankenwelt der US-Führung: An der Obstruktionspolitik wird weiter festgehalten, die USA sind auch weiter nicht bereit, ihre besondere Verantwortung als aktuell zweitgrößter, aber historisch mit großem Abstand größter CO2-Verursacher anzuerkennen - und vor allem: Das mühsam vereinbarte Ziel, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, wird in Frage gestellt.

Darauf hatten sich die Staaten der Klimarahmenkonvention, das heißt so ziemlich alle Staaten der Erde, auf der Klimakonferenz im mexikanischen Cancun im Dezember 2010 geeinigt (Chinas "Warp-Geschwindigkeit"). Nach vielen Rückschlägen in den internationalen Verhandlungen war das zumindest einmal ein kleiner, zunächst noch relativ unverbindlicher Schritt gewesen, der eine Marke setzte, ein Maß, an dem sich orientiert werden könnte. Klimawissenschaftler können nämlich relativ gut berechnen, wie viel Treibhausgase noch emittiert werden dürfen, wenn dieses Ziel nicht überschritten werden soll.

Von all dem will Stern und, wir dürfen wohl davon ausgehen, auch sein Chef nichts mehr wissen. Das sei zu unflexibel, funktioniere nur auf dem Papier. Staaten würden nie Zusagen treffen, die gegen ihre Kerninteressen verstoßen. Damit wird er wohl zu allererst den Anspruch der die US-Politik beherrschenden Konzerne gemeint haben, die Appalachen auf der Suche nach dem letzten Krümel Kohle vollends zu verwüsten und den Golf von Mexiko weiter zu vergiften, bis auch der letzte Tropfen Erdöl ausgebeutet ist. Offensichtlich gibt es auch bei den US-Demokraten keinen führenden Politiker mehr, der in der Lage ist, im Vorfeld von wichtigen Wahlen - im Herbst wird über den nächsten Präsident abgestimmt - dem Wahlvolk (knapp der Hälfte der erwachsenen Bevölkerung) reinen Wein einzuschenken.

In der Hauptstadt der Philippinen, Manila, die gerade in Monsunfluten versinkt, kommentierte Lidy Nacpil, Direktorin des Netzwerks Jubilee South - Asia Pacific Movement on Debt and Development Sterns Rückzieher: "Für uns ist es schockierend, dass dieser Salto rückwärts zu einem Augenblick kommt, in dem die Philippinen unter genau jener Art von Extremwetter leiden, die mit steigenden Temperaturen häufiger und stärker werden. Obama sollte unseren Menschen erklären, auf wie viel Schlimmeres wir uns einstellen müssen, damit er Flexibilität hat."

Der rund 12 Millionen Einwohner zählende Großraum Manila, Metro Manila, ist nach tagelangen Regenfällen faktisch zum Stillstand gekommen. 80 Prozent des Gebiets sind überschwemmt, in einigen Bezirken musste der Strom vorsorglich abgeschaltet werden. Fast 70 Menschen sind bereits in den Fluten umgekommen, rund 250.000 mussten ihre Häuser verlassen. Für Mittwoch wurde erwartet, dass die Regenfälle endlich nachlassen.

Dürre in den USA

Auch die USA leiden weiter unter Unwettern, allerdings der etwas anderen Art. Gebiete, die im letzten Jahr von schweren Überschwemmungen heimgesucht wurden, leiden nun unter einer katastrophalen Dürre. Der Vergleich der beiden Abbildungen zeigt, dass in vielen US-Bundesstaaten schon seit vielen Wochen außergewöhnlich hohe Temperaturen mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen zusammentreffen. Da höhere Temperaturen vermehrte Verdunstung bedeuten, verschlimmern sie die Auswirkungen des Niederschlagsdefizits noch.

Juni-Temperaturen relativ zum langjährigen Mittel (die Juli-Daten wurden noch nicht veröffentlicht). Bild: NOAA

Inzwischen ist ein Großteil der landwirtschaftlichen Flächen der USA von der Dürre betroffen, die laut Stern die schlimmste seit mindestens einem halben Jahrhundert ist. Insbesondere die Maisernte leidet sehr unter der Trockenheit, und entsprechend verharrt der Preis für dieses Grundnahrungsmittel inzwischen seit Wochen auf Rekordniveau (siehe auch Welternährung: Preise klettern in extreme Höhen).

Daher mehren sich jenseits des Atlantiks nun die Stimmen, die ein Ende der Subventionen für Agrarsprit fordern. Dieser wird in den USA vor allem als Ethanol aus Mais hergestellt und dann dem Benzin beigemischt. 4,3 Milliarden Scheffel Mais (rund 109 Millionen Tonnen) sollen dafür im letzten Jahr verwendet worden sein. 2009 entfielen auf die USA mit rund 40 Milliarden Litern etwas mehr als 50 Prozent der Weltproduktion, nachdem die Herstellung in den Jahren zuvor von bereits hohem Niveau weiter deutlich gesteigert wurde. Die EU-Länder hatten - auf wesentlich niedrigerem Niveau - im selben Zeitraum ebenfalls erheblich zugelegt, zuletzt aber eher stagniert.

Eisschwund

Derweil zieht sich hoch im Norden das Meereis immer weiter zurück. Schon in wenigen Tagen könnte sich die Nordwestpassage durch die kanadischen Inseln ganz öffnen, nach dem der Parry-Kanal bereits völlig eisfrei ist. Auch die Nordostpassage entlang der sibirischen Küsten wird sich in diesem Sommer vermutlich öffnen. Das noch verbleibende Eis in Teilen des Tschukschischen Meeres und Ostsibirischen Meeres ist bereits sehr löchrig, wie die in der Abbildung wiedergegebenen Satellitendaten vom 6. August zeigen.

Dargestellt ist die Meereiskonzentration in Planquadraten von 6,25 mal 6,25 Kilometern, die Auflösung der Rohdaten ist allerdings etwas gröber. Bild: Uni Bremen, Beschriftung W. Pomrehn

Das Eisgebiet lag im Juli bereits etwas mehr als zwei Millionen Quadratkilometer unter dem Durchschnitt für diesen Monat, wie das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center in Colorado schreibt. Die Analyse der Polar Research Group der Universität von Illinos in Urbana Campaign zeigt, dass es zur Zeit eine geschlossen Eisdecke nur noch in einem relativ kleinen Umkreis um den Nordpol und nördlich der grönländischen Küsten gibt.

Jahresgang der Eisbedeckung der nördlichen Meere. In den vergangenen Jahren war die Eisbedeckung regelmäßig deutlich geringer als im Mittel der Jahre 1972 bis 2011, wobei 2007 und 2011 die Jahre mit der niedrigsten Bedeckung waren. 2012 könnte einen neuen Minusrekord aufstellen. Bild: Uni Bremen

Für einige ist das Grund zum Frohlocken. Die südkoreanische Werft Hyundai Heavy Industries arbeitet bereits seit längerem an einen neuen Eisenerzfrachter mit verstärkten Schiffswänden, der künftig im Sommer auf der arktischen Route fahren könnte. Und bei Shell hofft man, bis Mitte August grünes Licht für Bohrungen im Tschuktschischen Meer vor der Nordküste Alaskas zu bekommen. In einer Region, die auch in absehbarer Zeit noch bis zu neun Monate im Jahr von Eis bedeckt sein wird, will der britisch-niederländische Konzern Öl fördern. Nicht nur die Umweltschützer von Greenpeace sind da skeptisch. Immerhin ruht das Eis nicht einfach auf dem Meer, sondern wird von Winden und Strömungen mal in diese, mal in jene Richtung gedrückt. Bohrinseln und -gestänge werden also erheblichen Belastungen ausgesetzt sein.

Jahrestag des Elbhochwassers

Und zum Schluss ein kleiner historischer Rückblick. Vor zehn Jahren wurden Teile Mitteleuropas von schweren Überschwemmungen heimgesucht, als Elbe und Donau sowie einige ihrer Nebenflüsse, namentlich die tschechische Moldau, über ihre Ufer traten. Schon die erste Augustwoche war in dieser Region nicht gerade regenarm gewesen. Der Boden war vielerorts bereits durch die vorhergehenden Niederschläge gesättigt, als das Tiefdruckgebiet "Ilse" ab dem 9. August erneut feuchte Luftmassen von der Adria heranführte. In den Morgenstunden des 12. August erreichte sein Kern Sachsen und verstärkte sich dort weiter.

Derlei Tiefdruckgebiete sind im Sommer ohnehin bereits sehr ergiebig, weil das Oberflächenwasser der Adria sehr warm ist und daher die von den Systemen nach Norden transportierte Luft große Mengen an Wasserdampf enthält. Anfang August 2002 führte aber zudem eine ziemlich ungewöhnliche Wetterlage dazu, dass Tief "Ilse" praktisch über Sachsen festgenagelt und gegen den Nordhang des Erzgebirges gedrückt wurde.

In der Folge regnete es sich dort, über der Tschechischen Republik sowie über Teilen Österreichs und Bayerns, nahezu vollständig aus. In Normalfall ziehen Tiefdruckgebiete, geleitet von den atmosphärischen Höhenströmungen, übers Land, sodass sich der Niederschlag besser verteilt. Nicht so in diesem Fall. Wie der Deutsche Wetterdienst in einer kleinen Übersicht schreibt, gab es an vielen seiner Messstationen Niederschläge, wie sie nie zuvor dort registriert wurden. An der Station Zinnwald-Georgenfeld, auf dem Kamm des Erzgebirges, fielen innerhalb 24 Stunden 312 Liter Regen pro Quadratmeter. Nach Angaben des Wetterdienstes ist das der höchste je in Deutschland registrierte Tagesniederschlag.

In den nächsten Tagen traten in der gesamten Region diverse Flüsse über ihre Ufer. In Deutschland war vor allem Sachsen besonders stark betroffen, wo 21 Todesopfer gezählt wurden. Die materiellen Schäden beliefen sich nach Angaben der Bundesregierung auf rund 13 Milliarden Euro. In der Tschechischen Republik waren 15 Todesopfer zu beklagen. Die Schäden werden dort auf zwei bis drei Milliarden Euro geschätzt, was für den kleinen Staat, der seinerzeit ein Vierzigstel der deutschen Wirtschaftsleistung aufwies, ungleich schwerer wog.

Abgeleitete Niederschlagshöhen in Millimeter. Zeitraum: 10.08.2002, 8 Uhr MESZ bis 13.08.2002, 8 Uhr MESZ. Bild: DWD

Der Deutsche Wetterdienst hat einen längeren Bericht über die meteorologischen und klimatologischen Aspekte des Geschehens herausgegeben. Darin gibt er die verschiedenen Prognosen des deutschen, des europäischen (EZMW in Reading, GB) und des US-amerikanischen Vorhersagemodells aus den Tagen vor dem Unwetter wieder. Daran wird deutlich, dass der genaue Pfad des Tiefdruckgebiets und die Höhe der Niederschläge sich erst relativ spät abgezeichnet haben. Dennoch hatte es bereits am Freitag - also mehr als zwei Tage vor Beginn des Unwetters - erste und zum Teil eindringliche Warnungen des Wetterdienstes gegeben. Formale Unwetterwarnungen wurden ab Sonntagmittag veröffentlicht. Eine andere Frage ist allerdings, wie die Behörden mit diesen Warnungen umgingen.