Öffentliche Einsicht in Missstände bei den UN

USA stellen interne Untersuchungsberichte ins Netz

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Die Beziehungen zwischen den Vereinten Nationen und den USA können getrost als eher angespannt bezeichnet werden. Die Vereinten Nationen seien ein bürokratischer Moloch, der unnötig Geld verschlinge - mit den Beitragszahlungen müsse man es deshalb nicht so genau nehmen. Sagen die USA. Um zu beweisen, was bei den UN so alles schief läuft, hat der UN-Botschafter bei den Vereinten Nationen seit letztem Sommer sämtliche Untersuchungsberichte der UN-internen Inspektionskommission OIOS ins Netz gestellt. Unter anderem zu den Missständen im Management der Friedensmissionen können Rechercheure aus den Papieren detailgenaue Erkenntnisse gewinnen.

„Wir dachten, es sei eine gute Idee, sie (die Untersuchungsberichte) öffentlich zu machen“, erklärte Zalmay Khalilzad, der Nachfolger des berühmt-berüchtigten UN-Gegners John Bolton.. In den OIOS-Untersuchungsberichten ist von Verschwendung, Missmanagement, sexuellen Übergriffen und Korruption die Rede – mal in großem, mal in kleinerem Ausmaß.

The reports provide rare insight into the inner working of dozens of U.N. departments that deal with matters including peacekeeping, the U.N. pension fund, the environment and the Office for Outer Space Affairs. More than 50 audits alone examine the practices of the United Nations' High Commissioner for Refugees. U.S. officials say they hope the documents will allow journalists, scholars and activists to exercise greater oversight than even governments, including the United States, have the resources to provide.

U.S. Officials Divulge Reports On Confidential U.N. Audits

Allerdings will es Botschafter Khalilzad dem interessierten Bürger auch nicht allzu leicht machen: Die Seiten sind nicht direkt verlinkt, und es gibt auch keine Übersicht, welches Dokument denn nun welche Vorwürfe untersucht. Nach einiger Suche finden sich allerdings Ordner, die den vor-informierten Recherchierenden zumindest als Wegweiser dienen können. So gibt es den Ordner zur UN-Friedens-Mission im Kongo, in dem immerhin 13 Berichte abgelegt sind; die Mission in Liberia hat zu neun Untersuchungen geführt, und rund drei Dutzend (!) Berichte liegen zu den Vorgängen rund um die UNMIK-Mission und den internationalen Flughafen in Pristina, Kosovo vor.

Die kriminellen Machenschaften rund um das Management von Kosovos internationalen Flughafen waren so offenkundig, dass sie in den Jahren 2005 und 2006 bereits zu zahlreichen Presseberichten führten (ohne dass aber die OIOS-Papiere selbst an die Öffentlichkeit gelangten). Und auch die Blauhelm-Einheiten im Kongo sind zu trauriger Berühmtheit gelangt: Aus ihren Reihen wurden zahlreiche Vergewaltigungen an Frauen aus der Bevölkerung begangen. Auch diesen Vorwürfen sind die Inspektoren nachgegangen – als Bericht an die UN-Generalversammlung ist eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse sogar auf den offiziellen UN-Seiten im Netz zu finden.

Die neueste Kongo-Untersuchung von OIOS behandelt nun ein weiteres brisantes Thema, das sogar schon bis vor den UN-Sicherheitsrat gelangte: Im Jahr 2001 hatte ein UN-Expertenbericht darauf hingewiesen, dass Netzwerke aus Rebellen, Militärs und in- wie ausländischen Geschäftsleuten für glänzende Geschäfte mitten in den kongolesischen Kriegswirren sorgten – Geschäfte, die den Kriegsparteien überhaupt oft erst ermöglichten, ihre Leute zu finanzieren. Der Untersuchungsbericht zum illegalen Goldhandel in der Demokratischen Republik Kongo behandelt nun die Frage, ob auch Blauhelmtruppen bei der illegalen Rohstoffausbeutung im Kongo ihre Finger im Spiel haben. Der „streng vertrauliche“ Bericht geht Augenzeugenberichten nach, wonach drei Goldhändler im Bürgerkriegsgebiet Ituri beobachtet worden waren, wie sie Geschäfte betrieben, ohne im Besitz der dafür notwendigen staatlichen Lizenzen zu sein.

OIOS schickte Mitarbeiter in die Goldgräberstadt Mongbwalu:www.monde-diplomatique.de/pm/2005/12/09.mondeText.artikel,a0042.idx,8, die die Zeugen vor Ort interviewten. Aus den im Bericht zusammengefassten Aussagen wird deutlich, dass die drei besagten Geschäftsleute beste Kontakte sowohl zu Offizieren der kongolesischen Armee wie auch zu den in Mongbwalu stationierten Blauhelmen pflegten: Das Trio übernachtete im UN-Camp und ließ sich von Hilfsflugzeugen der UN durch das unwegsame Gelände transportieren. Kongolesische Offiziere und Mitarbeiter der katholischen Diözese Bunia hatte zuvor dafür gesorgt, dass die Geschäftsleute die entsprechenden Papiere, die sie als Mitarbeiter von Hilfsorganisationen auswiesen, erhielten. Der OIOS-Untersuchungsbericht stellt abschließend fest, dass der zuständige Offizier durch seine enge Beziehungen zu den Geschäftsleuten gegen bestehende Richtlinien verstieß und deshalb ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden müsse. Außerdem sollte die UN-Mission im Kongo (MONUC) die Verfahren zur Ausstellung von Passierscheinen an Nicht-UN-Mitarbeitende überprüfen.

Wer sich ansonsten einen ersten Eindruck über dubiose Subunternehmens-Verträge, Benzinklau und sonstige Misswirtschaft bei UN-Blauhelm-Missionen verschaffen will, der kann ihn - ganz offiziell – aus dem OIOS-Jahresbericht 2007 gewinnen. Einzelheiten allerdings sind nach wie vor nur aus den von den Amerikanern veröffentlichten Einzelberichten zu erfahren. Chef-Inspekteurin Inga-Britt Ahlenius würde zwar gerne mehr Berichte ihrer Abteilung selbst veröffentlichen dürfen - doch so viel Transparenz ist bei den Vereinten Nationen bisher nicht gerne gesehen.