Öffentliche-rechtliche Sender mit Doppelmoral: Millionen für Stars, Peanuts für Journalisten
Rundfunkgebühren-Debatte: Spitzenhonorare für Lanz, Lichter und Kerner. Wie Transparenz ausgespielt wird und wo Qualität kaputt gespart wird.
Der eine bekommt von der Redaktion eine teure Lampe vors Gesicht gestellt, 60 Sekunden lang für 670 Euro, der andere kriegt nicht einmal ein anständiges Bierglas ins improvisierte Studio gestellt. Der eine, Friedrich Merz, war bei "Caren Miosga" zu Gast, der andere, Claudius Seidl, Kulturjournalist, bei der Talkrunde "Thadeusz und die Beobachter".
Das kleine Schlaglicht darauf, wie ernst öffentlich-rechtliche Sender Sparmaßnahmen umsetzen, ist im Magazin für Medienwirtschaft DWDL, mit Hintergrundbeleuchtung nachzulesen: Verstehen Sie Spar?.
Die Schere und der Entrüstungsnerv
Die Sicht hinter die Kulissen geht diskret mit den Gefühlen der Leserschaft um. Zwar wird gleich zu Anfang eine große Sache bemüht – die fortlaufend weiter auseinanderklaffende Schere zwischen "Arm und Reich", die ja auch bei den Gesprächssendungen selbst öfter Thema ist –, aber der Entrüstungsnerv wird nicht direkt angebohrt.
Den nahm sich die Welt am Sonntag am vergangenen Wochenende vor. Ihr wurden nach ihren Angaben aus der Senderzentrale in Mainz eine Liste über die "geheimen Honorare" der ZDF-Stars zugespielt. Darauf stehen vorwiegend prominente Moderatoren von Gesprächssendungen.
Die Topverdiener: Millionenbeträge
Als Topverdiener werden aufgelistet: Markus Lanz, mit knapp 1,9 Millionen Euro im laufenden Jahr. 2025 sollen es rund zwei Millionen Euro sein. Moderator Horst Lichter ("Bares für Rares") soll bis 2025 rund 1,7 Millionen Euro pro Jahr bekommen. Oliver Welke soll bis Ende vergangenen Jahres mit rund 1,18 Millionen Euro jährlich honoriert worden sein.
Soweit die Millionen-Beträge. Auf der Liste zu finden ist auch Jan Böhmermann, an den sich besonders viel Wut aus dem Lager der von den "Zwangsgebühren" Entrüsteten richtet, mit 682.000 Euro und Luft nach oben sowie Johannes Kerner mit 630.000 jährlichem ZDF-Zubrot. Es gibt noch einige mehr, die lukrative Verträge aushandeln konnten.
Als Richtschnur dazu wurde das Jahresgehalt von ZDF-Intendant Norbert Himmler angegeben: 372.000 Euro im Jahr – "ohne Sachbezüge, Aufwandsentschädigung, Altersvorsorge und Dienstwagen".
Die Honorarliste soll von März letzten Jahres stammen.
"Starre Gehaltsobergrenzen nicht praktikabel"
Die WamS bettet das einen Titelaufmacher ein. Der fackelt nicht lange mit dem Entrüstungspotential: "ZDF zahlt Millionen-Honorare von Gebührengeldern". Die luxuriösen Top-Honorare werden vor den Hintergrund der Debatte gestellt, die mit der von der KEF in Aussicht gestellten Rundfunkgebührenerhöhung wahrscheinlich noch weiter an Fahrt zulegt.
Dazu präsentiert die Zeitung, die in der Debatte einen "Es reicht jetzt"-Kurs verfolgt, eine weitere Enthüllung: das Ergebnis einer Abstimmung im ZDF-Verwaltungsrat, ob man prokativ die Spitzenhonorare offenlegen soll. Die Abstimmung soll "jüngst" stattgefunden haben und sie fiel nach Informationen der Welt mit knapper Mehrheit gegen ein solches Vorhaben aus.
Das ist schwer nachvollziehbar. Vorgetragen werden von Vertretern der Ablehnung rechtliche Probleme, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Das ist eine Hürde, aber wohl mit Hilfe von Juristen zu klären. Weniger verständlich ist, wie vom Chef der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern ins Spiel gebracht, "dass starre Gehaltsobergrenzen nicht praktikabel seien".
Die journalistische Qualität: Auf verlorenem Posten
Da kommt man ins Wundern. Weil starre und sehr niedrige Einkommensgrenzen auf anderer Ebene schon längst von den Öffentlich-Rechtlichen praktiziert werden – zum Schaden der journalistischen Qualität. Hier steht ein Journalismus-Ausbilder und Journalist mit jahrzehntelanger Erfahrung bei den Öffentlich-Rechtlichen ziemlich allein. Weshalb man seine Position nicht oft genug in die Debatte bringen kann.
Es geht um den gut informierten und vernetzten Peter Welchering, der in der großen lauten öffentlichen Debatte über die Rundfunkreform für die freien, unabhängigen Journalisten eintritt, von deren Arbeit die Qualität der vielen Sendungen abhängt, die wesentlich den guten journalistischen Nimbus der Sender tragen, und die durch die Sparmaßnahmen in prekäre Verhältnisse gezwungen werden.
Welchering stellt einen Schlaglicht-Vergleich an, den sich Unterstützer der Öffentlich-rechtlichen genauer anschauen sollten:
Für einen Beitrag für http://heute.de liegt das Honorar für Angehörige des journalistischen Maschinenraums bei 250 Euro. Durchschnittlicher Arbeitsaufwand dafür: 1,5 Tage.
Peter Welchering
Das ist eine Kluft zu den Top-Gehältern, die mehr Aufmerksamkeit verdient – wenn man denn die Reform der mit Rundfunkgebühren finanzierten Sender ernst nehmen will.
Eine Gruppe allerdings kommt in dieser Debatte kaum zu Wort: die der festen-freien Mitarbeiter*innen. Also diejenigen, die den größten Teil des täglichen Programms der Sender herstellen, in einer gesetzlich legitimierten Scheinselbständigkeit arbeiten und nicht selten in prekären Verhältnissen leben. Und das liegt nicht daran, dass sich diese Mitarbeiter*innen nicht artikulieren könnten.
Nein, die Klopfzeichen aus dem Maschinenraum werden ignoriert, weil Rundfunkpolitiker*innen wie Hierarch*innen tatsächlich einen Neuanfang für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wagen müssten, wenn sie die Hilferufe aus dem Maschinenraum ernst nähmen. Davor schrecken viele zurück.
Peter Welchering
Transparenz an vorletzter Stelle
Ach ja, da wäre noch die Transparenz als selbstverständliche Forderung an die Quasi-Behörden ARD, ZDF und Deutschlandfunk, die mit acht Milliarden an Gebühren von Bürgerinnen und Bürgern auskommen müssen.
Die neulich veröffentlichten Reform-Empfehlungen des Zukunftsrates listete Kriterien auf, an die sich eine Evaluation der Auftragserfüllung der Sender orientieren sollten.
Dort steht Transparenz an vorletzter Stelle. Nach Verlässlichkeit, Wahrhaftigkeit, Vielfalt, Innovation und Verständlichkeit und vor der Zugänglichkeit.