"Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft": Wer zahlt für die Klimakrise?
Gasheizungen sollen weichen: Mit einem deutlich höheren Preis soll der Ausstoß von Kohlendioxid verringert werden. Arme Menschen müssen sich dann im Winter warm anziehen
Erdgas sollte eine Brücke sein, bis die Gesellschaft ganz auf fossile Energieträger verzichten kann. In einer neuen Studie fordert das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), die Brücke solle möglichst kurz sein: Schon im Jahr 2030 könnte genug erneuerbare Wärme erzeugt werden, um kurzfristig aus der Nutzung von Erdgas aussteigen zu können. Allerdings dürften die Heizkosten bis dahin deutlich ansteigen.Im Auftrag der EWS Elektrizitätswerke Schönau hat das FÖS berechnet, welche Herausforderung Erdgas für den Klimaschutz bedeutet. Untersucht wurde der Gebäudesektor. Er sei für den Klimaschutz die größte Herausforderung, heißt es in der Studie, weil er die Klimaziele bislang deutlich verfehle.
Er ist für gut 16 Prozent des gesamten Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich und 60 Prozent davon gehen auf die Erzeugung von Wärme durch Verbrennen von Erdgas zurück. Wärme aus Erdgas ist teurer als bislang angenommen - und die Kosten muss in erster Linie die Gesellschaft tragen. Im Jahre 2012 hatte das Umweltbundesamt (UBA) angenommen, jede Tonne Kohlendioxid verursacht "externe Kosten" von 80 Euro, also Kosten, die sich nicht im Preis widerspiegeln, sondern der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Im vergangenen Jahr ging das UBA schon von 195 Euro je Tonne Kohlendioxid aus - und die externen Kosten steigen mit der Zeit weiter an. In der FÖS-Studie heißt es nun, Erdgas im Wärmesektor Deutschlands sei für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich, die bis 107,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid entsprechen. Nur etwa 87,1 Millionen Tonnen entstehen beim Verbrennen, der Rest entsteht durch den Austritt von Methan bei der Förderung und dem Transport von Erdgas.
Methan ist kurzfristig etwa 28-mal so klimaaktiv wie Kohlendioxid - und ist Hauptbestandteil von Erdgas. Es zerfällt zwar schneller als CO2, gilt aber im Hinblick auf die Kipppunkte im Klimasystem als besonders gefährlich. Jedes Jahr entstehen demzufolge bis zu 21 Milliarden Euro Klimakosten im Gebäudesektor. "Die Studie zeigt, dass die wahren Klimakosten durch Erdgas weit höher sind als der aktuelle Preis", betonte Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS, "denn drei Viertel dieser Kosten sind bisher nicht im Preis berücksichtigt". Es sei dringend angezeigt, diese Kosten so schnell wie möglich im Preis der Brennstoffe sichtbar zu machen. Als einen Ausweg schlagen die Studienautoren einen höheren Preis auf Kohlendioxid vor. Bis zum Jahr 2030 solle er auf 215 Euro je Tonne ansteigen.
Zum Vergleich: In diesem Jahr liegt der CO2-Preis im Wärmesektor bei 25 Euro je Tonne und er soll bis 2025 auf 55 Euro je Tonne anstiegen. Auf Mieter dürften damit enorme Kosten zu kommen. Anfang des Jahres hatte der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, die Mehrkosten für den aktuellen CO2-Preis beziffert. Ist im Haus eine Ölheizung, müssen Mieter zwischen 85 und 100 Euro im Jahr mehr bezahlen; bei einer Gasheizung zwischen 65 und 80 Euro. Entsprechend höher dürften dann die Heizkosten im Jahre 2030 sein.
Wer die Kosten in Zukunft stemmen muss, ist doch nicht abgemacht. Siebenkotten hatte zum Beispiel gefordert, die Vermieter sollten die Kosten tragen. Die Bundesregierung hatte sich auf einen Kompromiss geeinigt: Sowohl Vermieter als auch Mieter sollen die Kosten zur Hälfte tragen. Aber in der Union gibt es erheblichen Widerstand dagegen. "Die hälftige Umwälzung der CO2-Verbrauchskosten auf die Vermieter stellt einen fundamentalen Bruch des Verursacherprinzips dar", sagte Jan-Marco Luczak, Sprecher der Unionsfraktion für Recht und Verbraucherschutz. Vermieter hätten auf den Verbrauch der Mieter keinen Einfluss. Mit anderen Worten: Der Beitrag zum Klimaschutz, den arme Menschen dann leisten können, ist: eine kalte Wohnung. Das FÖS schreibt weiter: Erneuerbare Wärme habe das Potenzial, Erdgas im Gebäudesektor künftig zu ersetzen.
Mit "Erneuerbarer Wärme" sind Solarthermie, Biomasse, Geothermie, Umweltwärme und Abwärme aus der Industrie gemeint. Diese Technologien könnten - je nach Szenario - im Jahr 2030 zwischen 1.403 und 2.183 Terawattstunden Wärme liefern, was fast doppelt so hoch wäre wie der heutige Endenergieverbrauch im Wärmesektor.Neben einem höheren Preis auf Kohlendioxid schlagen die Studienautoren ordnungsrechtliche Maßnahmen vor. Spätestens wenn im Jahr 2023 das Gebäudeenergiegesetz (GEG) überprüft werde, sollten Effizienzvorgaben "für alle Gebäude deutlich verschärft und eine Austauschpflicht sowie das Einbauverbot für Gasheizungen ab 2026 festgelegt werden".
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