Öl bald bei 150 Dollar das Fass?

:Bundesverband Solarwirtschaft

Die Energie- und Klimawochenschau: Der Ölpreis sprintet von Rekord zu Rekord, aber bei der IEA hält man einen Angriff auf den Iran für "unvermeidbar"

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Zeit der Rekorde: Der Dollarkurs bewegte sich am Montagmorgen mit 1,5809 $/€ auf seinen historischen Höchststand von 1,597 $/€ zu, hat sich am Dienstagmorgen aber wieder auf 1,5574 gesenkt, während sich der Ölpreis zunächst wieder etwas beruhigte. Der hatte am Freitag mit einem Plus von fast 11 US-Dollar den größten Sprung in seiner Geschichte gemacht und war auf einem neuen historischen Höchststand von 139,12 $/b (US-Dollar pro 159-Liter-Fass) gelandet.

Inzwischen geht die Angst vor einer Weltwirtschaftskrise um, denn schließlich ist das schwarze Gold noch immer das Schmiermittel der globalen Ökonomie. Ohne billige Energie ist weder der stark expandierende internationale Warenaustausch noch der motorisierte Massenindividualverkehr denkbar. Entsprechend hoch her ging es am Montag auf dem Markt der Erklärungen für die jüngste Preisrally.

Unmittelbaren Anstoß des Runs auf Öl-Futures hatte am Freitag eine Mischung aus schwachem Dollar, kriegerischen Drohungen aus Israel gegenüber dem Iran und die Vorhersage der Investment-Banker von Morgan Stanley gegeben, der Ölpreis würde schon zum 4. Juli die Marke von 150 $/b knacken. Jeffrey Currie von Goldman Sachs schloss sich am Montag dieser Sicht an. Die Wahrscheinlichkeit habe enorm zugenommen, dass irgendwann im Sommer diese Schwelle erreicht werde. "Die Nachfrage nach Öl ist schwach, aber das Angebot ist noch schwächer", zitiert Reuters den Experten, der damit unausgesprochen die Frage aufwirft, weshalb die Förderung nicht ausgeweitet wird. Sollte Peak Oil doch schon um die Ecke lauern?

Bei der Internationalen Energie-Agentur (IEA) macht man unterdessen den Mangel an Lagerhaltung für den aktuellen Preisanstieg verantwortlich. Spekulation spiele hingegen keine Rolle. Wie die Experten von Goldman Sachs meint auch die IEA, dass der Markt zu eng sei. Ein weiterer Schlüsselfaktor sei die "Unvermeidbarkeit eines Angriffs auf den Iran", wie Reuters unter Berufung auf Lawrence Eagles, Chef der IEA-Abteilung Ölindustrie und -märkte, schreibt. Offenbar scheint für einige ein neuer Golfkrieg schon eine ausgemachte Sache.

USA sträuben sich

Der Iran wird sicherlich auch Thema sein, wenn sich im nächsten Monat auf der japanischen Insel Hokkaido die Staats- und Regierungschefs der Gruppe der Acht (G8) treffen, zu der neben den USA Kanada, Großbritannien, Russland, Frankreich, Japan, Italien und Deutschland gehören. Des weiteren hat die japanische G-8-Präsidentschaft Ölpreis, Energiesicherheit und Klimaschutz ganz oben auf die Agenda gesetzt. Ob vielmehr als letztes Jahr auf dem Heiligendamm-Gipfel an der Ostsee herauskommen wird, ist fraglich. Seinerzeit hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel damit gebrüstet, dass sie dem US-Präsidenten die unverbindliche Zusage abgerungen hatte, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.

Viel mehr wird vermutlich auch in diesem Jahr nicht drin sein. Am Rande der noch bis zum Ende dieser Woche stattfindenden Klimaverhandlungen in Bonn (siehe Boom und Hunger) ließ US-Chefunterhändler Harlan Watson verlauten, dass von den USA nicht viel zu erwarten sei. Bis 2020 die Treibhausgasemissionen gegenüber dem 1990er Niveau um 25 bis 40 Prozent abzusenken, sei nicht machbar. Die Präsidentschaftskandidaten würden nur davon sprechen, bis 2020 die Emissionen auf das 1990er Niveau zurückzuführen. Dazu hatten sich die USA wie alle anderen Industriestaaten bereits 1992 in der Klimarahmenkonvention verpflichtet, sich allerdings nie daran gehalten. Die Clinton-Regierung – Vize-Präsident war seinerzeit Al Gore – hatte befunden, das noch von Bush Senior unterschriebene und später im Parlament ratifizierte Dokument sei in der entscheidenden Passage völkerrechtlich nicht bindend.

Solarthermie ohne Lobby

Aber zum Glück gibt es auch kleine Lichtblicke: Wie bereits berichtet, hat am Freitag das so genannte Klimapaket 1 den Bundestag passiert. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das Gesetz zur Förderung der Kraftwärmekopplung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen.

Der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW), der die Interessen von etwa 600 Unternehmen der Branche vertritt, hat eine recht übersichtliche Zusammenfassung der veränderten Förderbedingungen für die Fotovoltaik veröffentlicht. Wie man unten stehender Tabelle entnehmen kann, wird vor allem die Förderung von großen Dachanlagen ab dem nächsten Jahr drastisch beschnitten. Außerdem werden die Vergütungssätze selbst für kleine Anlagen 2015 in etwa das Niveau der Kleinverbraucher-Strompreise erreicht haben. Sollte die elektrische Energie für die Privathaushalte in den nächsten Jahren noch teurer werden, womit zu rechnen ist, so wird dieser Zeitpunkt sogar schon etwas früher erreicht.

Beim BSW ist man sogar der Meinung, dass die Fotovoltaik und die anderen erneuerbaren Energien langfristig niedrigere Preise sichern werden. Nach den harten Tönen der letzten Wochen ist man nun voll des Lobes für den schließlich gefundenen Kompromiss: Die Gefahr eines Markteinbruchs sei gebannt.

Angesichts der eher dürftigen Förderung der Solarthermie, für die es nur bei Neubauten eine Pflicht gibt, ist der abrupte Stimmungswandel beim BSW schon auffällig. Vermutlich hängt dieser damit zusammen, dass die Branche von Fotovoltaik-Unternehmen dominiert wird, während die in vielen Gegenden Deutschlands energetisch sinnvollere Solarthermie bisher kein großes ökonomisches Gewicht entwickelt hat.

Insgesamt arbeiten nach BSW-Angaben inzwischen 60.000 Menschen in der Solarwirtschaft. In den nächsten drei Jahren sollen nach Auskunft von BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig über sieben Milliarden Euro in den Ausbau von Solarfabriken sowie in entsprechende Forschung und Entwicklung investieren werden. Mehr als 10.000 weitere Arbeitsplätze könnten dadurch in Deutschland geschaffen werden.

Auch im Ausland ist Deutschlands Fotovoltaikindustrie längst aktiv. Branchenprimus Q-Cells, der im seinem letzten Quartalsbericht ein Plus beim Vorsteuergewinn von 63 Prozent ausgewiesen hat, plant im mexikanischen Bundesstaat Baja California Investitionen in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar (2,2 Milliarden Euro). Bereits im zweiten Halbjahr 2008 soll mit dem Bau eines neuen Werks begonnen werden. Eine weitere Fertigungsanlage für eine Milliarde Dollar wird in Malaysia entstehen, um von dort den asiatischen Markt in Angriff zu nehmen.

Schweizer Käse

Derweil stehen in der Arktis die Zeichen weiter auf Rot. Das dortige Meereis scheint auf dem besten Wege, ähnlich weit wie im letzten Jahr zu schrumpfen - oder gar noch weiter. 2007 war erstmalig seit Menschengedenken die Nord-West-Passage ohne Eisbrecher passierbar gewesen. Schon Ende Mai sah das Eis auf dem nördlichen Ozean wie ein Schweizer Käse aus. Zahlreiche eisfreie Flächen, zum Teil an sehr ungewohnten Orten, lassen nichts Gutes ahnen.

Die Eisausdehnung ist derzeit zwar noch geringfügig größer ist als im letzten Jahr, doch mit durchschnittlich -8000 Quadratkilometern pro Tag zog sich das Eis im Mai schneller zurück, als ein Jahr zuvor, wie das Nationale Datenzentrum für Schnee und Eis (NSIDC) der USA berichtet.

Eis wie ein Schweizer Käse: Die grauen und dunkelgrauen Flächen kennzeichnen Gebiete, in denen die Bedeckung nicht mehr vollständig ist. Bild: State of the Canadian Cryosphere

Ursache hierfür könnten neben ungewöhnlichen Ostwinden über der Beaufort-See nördlich Kanadas und Alaskas, etwas überdurchschnittliche Lufttemperaturen und die Tatsache sein, dass nach dem starken Rückgang im Vorjahr große Teile der Eisfläche nur noch aus dünnem, einjährigen Eis besteht. Unten stehende Grafik dokumentiert die Verteilung des älteren Eises Mitte Mai 2008.

Die NSIDC-Wissenschaftler zitieren außerdem eine neuere Untersuchung, die die Zunahme von Wasserdampf und Wolken über Teilen der Arktis im Frühjahr belegen. Wolken haben eine doppelte Funktion: Sie reflektieren das Sonnenlicht, sodass es nicht das Eis erwärmen kann. Zusammen mit dem Wasserdampf sorgen sie jedoch auch dafür, dass die Erdoberfläche, oder in diesem Falle das Eis, nicht allzusehr auskühlen kann. Letzterer Effekt überwiegt im Frühjahr, so lange die Sonne über der Arktis noch sehr tief steht und ihre Strahlung daher noch schwach ist. Mit anderen Worten: Die Zunahme der Wolken und der Luftfeuchtigkeit im Frühjahr haben höchstwahrscheinlich zum Rückgang der sommerlichen Eisbedeckung beigetragen, der seit Anfang der 1980er Jahre beobachtet wird.

Eisbedeckung am 19. Mai. Die hellblaue Fläche ist einjähriges Eis. Flächen mit anderer Farbe sind im unterschiedlichen Maße mit älterem Eis bedeckt. Dass das Eis an der grönländischen Ostküste meist älter als ein Jahr ist, erklärt sich aus der südlichen Eisdrift. Durch die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen wird das Eis von den dortigen Winden auf den Nordatlantik herausgetragen. Neben der Erwärmung im Sommer ist das eine wesentliche Senke für das arktische Meereis. Bild: National Snow and Ice Data Center