Ölstreit zwischen Russland und Weißrussland
Weißrussischer Staatskonzern Belneftekhim stoppt Exporte, erklärt aber heimische Treibstoffversorgung für vorerst sicher
Zum Jahresende 2019 endete der Öl-Liefervertrag zwischen Russland und Weißrussland. Auf ein Nachfolgeabkommen konnten sich die russische und die weißrussische Seite bislang nicht einigen, weil man in Russland auf einen Steueraufschlag für Exporte besteht, den man in Weißrussland nicht zahlen will. Das weißrussische Staatsunternehmen Belneftekhim hat deshalb nach eigenen Angaben den Betrieb in seinen beiden gigantischen Raffinerien in Masyr und Nawapolazk auf ein technologisch notwendiges Minimum reduziert.
Wladimir Sisow, der stellvertretende Vorsitzende des Konzerns, erklärte gestern, dass die Lieferung russischen Öls wieder aufgenommen worden sei. Er geht davon aus, dass ein Exportvolumen von 650.000 Tonnen Öl im Januar erreicht werden kann. Andrej Bunakow, ein anderer hochrangiger Belneftekhim-Manager, hat währenddessen versprochen, dass die weißrussische Ölförderung und die Reserven den heimischen "Bedarf an Autotreibstoff und anderen Ölprodukten" vorerst "in vollem Umfang decken" können, weshalb sich die Bürger seines Landes "nicht beunruhigen" sollten.
Über ein Drittel aller weißrussischen Exporte
Vorerst eingestellt hat man dagegen den Export von raffiniertem Treibstoff und anderen Ölprodukten (was nach Angaben des russischen Pipelinebetreibers Transneft jedoch nicht den direkten Rohöltransit in die EU berührt). Bunakow zufolge verstößt Belneftekhim mit dem vorläufigen Exportstopp nicht gegen Verträge mit seinen Kunden aus 90 Ländern, weil die "Erfüllung von Vereinbarungen […] verschoben werden" könne.
Der Staatskonzern stellte den Zahlen des amerikanischen Congressional Research Services nach mit seinen petrochemischen Produkten (zu denen auch viele Düngemitteln und Kunststoffe zählen) in den Zehnerjahren ein gutes Drittel aller weißrussischen Exporte. Zur Industrieproduktion des Landes trug er mit einem knappen Drittel bei. Belneftekhim konnte seine Erzeugnisse auch deshalb zu sehr marktfähigen Preisen herstellen, weil Moskau dem Konzern lange Steuervorteile gewährte und das russische Öl günstiger liefern ließ als an Unternehmen in anderen Ländern.
Vereinbarte wirtschaftliche Integration von Russland und Weißrussland stockt
Wenn Weißrussland nun "Öl und Gas zu Weltmarktpreisen einkaufen muss", könnte es den Berechnungen des Ökonomen Jaroslaw Romantschuk vom Minsker Mises-Zentrum nach "zwischen drei und fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts" einbüßen. In der Vergangenheit bekam es seine günstigen Lieferbedingungen nicht nur wegen seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Sowjetunion gewährt, sondern auch, weil sein Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko Ende der 1990er Jahre eine stärkere wirtschaftliche Integration mit Russland vereinbart hatte.
In der jüngeren Vergangenheit äußerte er sich jedoch zunehmend zurückhaltender zu dieser Integration und sendete stattdessen Signale aus, die man als Annäherungsversuche an die EU interpretieren konnte (vgl. Lukaschenko warnt vor Anschluss Weißrusslands an einen "anderen Staat"). Ob er auf diesem Weg seine Bevölkerung mehrheitlich hinter sich hätte, ist unklar.
Die Weißrussen sind ganz überwiegend orthodox und sprechen eine dem Russischen so ähnliche Sprache, dass sie bei einem anderen Verlauf der Geschichte heute vielleicht als bloßer Dialekt gelten würde. Wenn sie nicht ohnehin Russisch als Umgangssprache nutzen, wie drei Viertel der Bevölkerung. Der 1990 begonnene Versuch, dieses Russisch durch Weißrussisch zu verdrängen, scheiterte 1995 mit einer Volksabstimmung, bei der 86,8 Prozent der Bürger für die Wiedereinführung des Russischen als Amtssprache stimmten.
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