Österreich: Innenminister plant gesetzliche Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit
Interessen von Geschäftsinhabern sollen mehr berücksichtigt und Spaßdemos schneller verboten werden
Innenminister stehen im Ruf, dass ihnen Sicherheit und Ordnung näher sind als das Grundgesetz, dessen Vorgaben sie manchmal wie lästige Hindernisse behandeln. Der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) wagt nun einen Vorstoß, der diesem Bild entspricht.
Er will das Versammlungsgesetz novellieren und geht damit, wie erste Reaktionen zeigen, auf Konfrontationskurs mit der SPÖ, den Grünen und zivilrechtlichen Organisationen wie Amnesty International.
"Sobotka will Demonstrationen einschränken", lautet die Überschrift zu einem Artikel von presse.com, der eine Erregungswelle in einigen Medien auslöste. Sein Vorschlag sei das Resultat "mehrerer negativer Erfahrungen", erklärt der österreichische Innenminister.
"Verfassungsrechtlich undenkbare Vorschläge"
Sobotka will mit seinem Gesetzesentwurf mehr Rechtssicherheit und eine klarere Regelung von Versammlungen, wie er betont. Selbstverständlich werde das Recht auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit garantiert (das österreichische Versammlungsgesetz hat seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention).
Das sieht Heinz Patzelt, der Generalsekretär von Amnesty International Österreich und bekannter Gegenspieler der ÖVP, vor allem wenn es um deren Flüchtlingspolitik geht, ganz anders. Er macht in Sobotkas Gesetzesnovelle "serienweise schwerste menschenrechtswidrige, verfassungsrechtlich undenkbare Vorschläge" aus.
Als tatsächlich sehr eigenartige Vorschläge fallen zwei Neuerungen auf: Zum einen schlug Sobotka vor, dass für jede Demonstration ein Versammlungsleiter benannt wird. Ursprünglich hatte der Innenminister vor, dass dieser "zivilrechtlich haftbar gemacht werden kann, wenn im Zuge der Demonstration etwa Sachbeschädigungen passieren".
Doch sah Sobotka aufgrund der ersten Kritik ein, dass ihm dies etwas heikel geraten ist. Er ruderte zurück: Die Haftung des Veranstaltungsleiters für Sachbeschädigungen solle "nur schlagend werden, wenn diesem 'rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist'". Den Versammlungsleiter gab es bisher schon, aber ihm die Haftung für Sachbeschädigungen zuzuweisen, wäre ein Novum.
"Wenn Geschäfte große Einbußen fürchten"
Der andere heftig umstrittene Punkt betrifft die Verbotsmöglichkeit einer Demonstration aus Geschäftsinteressen - "wenn berechtigte Interessen anderer verletzt sind, etwa, weil Geschäfte große wirtschaftliche Einbußen fürchten müssen". Wenn der Adventsmarkt gestört wird, aber auch massive Verkehrsbehinderungen werden als Beispiele zumindest für eine Verlegung genannt.
Kontrovers aufgenommen wird auch der Vorschlag Sobotkas, künftig genauer zu prüfen, ob eine Veranstaltung nur eine "Spaßdemo" ist, was künftig ebenfalls als Grund für ein Verbot geltend gemacht werden könne. Es läge dann in der Definitionsmacht der Behörde, im Vorfeld die Veranstaltung danach einzuordnen, ob sie "unter den Versammlungsbegriff fällt und als Grundrecht schützenswert ist" oder eben nur ein Spaß, der die Ordnung stört. Als einfache Beispiel erwähnt der Presse-Artikel hier die Udo-Jürgens-Parade. Man kann sich allerdings vorstellen, dass es Grenzfälle gibt, in denen auch politisches mitspielt.
Vorgesehen im Gesetzesentwurf sind auch höhere Strafen für Missverhalten bei Demonstrationen, sowie eine länger Voranmeldefrist. Bislang muss eine Demonstration mindestens 24 Stunden zuvor angemeldet werden, künftig sollen Behörden 72 Stunden vorher informiert werden, damit "mehr Vorkehrungen" getroffen werden können.
Anders als im bisherigen Versammlungsgesetz soll künftig ein Mindestabstand von 150 Metern zwischen einer Demonstration und einer Gegenveranstaltung eingehalten werden. Werden stärkere Konflikte befürchtet, so sollen diese nur mit zeitlichem Abstand voneinander genehmigt werden.
Wenig Begeisterung bei der SPÖ und der Gewerkschaft
Der ÖVP-Minister braucht die Zustimmung des Koalitionspartners SPÖ für seinen Gesetzesentwurf, der in Details noch ausgearbeitet würde. Doch zeigen sich Vertreter der SPÖ bislang wenig begeistert.
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim bezeichnete den Vorschlag als "völlig inakzeptabel". Der Bundesgeschäftsführer der SPÖ mahnte, dass das Demonstrationsrecht ein hohes Gut sei, mit dem man nicht spielen sollte. Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian, wird damit zitiert, dass er Sobotka "Ignoranz und Ahnungslosigkeit" vorwirft.
Von Rechtsexperten kommt der Einwand, dass für Einzelfälle Spielraum herrsche, aber bei generellen Regeln sei das anders. So sei eine generelle Regel, die ein Verbot von Demonstrationen bei großen wirtschaftlichen Einbußen für Geschäfte oder Verkehrsproblemen eine Demo vorsehe, rechtlich nicht haltbar. Ebenso sei ein generelles Verbot, an bestimmten Orten zu demonstrieren, unzulässig.
Manchen, wie dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Wien, erfreut die Diskussion. Er fordere kein Verbot, aber eine gleichberechtigte Mitsprache der Wirtschaft bei der Genehmigung.
Vorstöße genügen manchmal, um den Gestaltungsraum bestimmter Interessen zu erweitern.