Österreich künftig ohne russisches Gas?

Erdgasfördertum in schneebedeckter Ebene

Erdgasrig in Sibirien. Foto: Grigorii Pisotsckii, shutterstock

Die russische Gazprom will die Erdgaslieferungen in die Alpenrepublik stoppen. Dort wähnt man sich gut vorbereitet, aber Anfang 2025 drohen neue Schwierigkeiten.

Vom weltweiten Handel mit Rohstoffen geht eine gewisse Faszination aus. Denn hier scheint das Prinzip zu gelten: "Öl und Gas sind dicker als Blut". Es scheint, als sei kein Staat mächtig genug, um gegen Energielieferinteressen aufzubegehren, Österreich ist es sicher nicht.

Als russische Truppen vor ziemlich genau 1000 Tagen den ukrainischen Nachbarn überfielen, war die Empörung und das ehrliche Entsetzen groß in Austria. Ein großer Strom Geflüchteter wurde mit Solidarität und Anteilnahme in Österreich aufgenommen. Bis heute gibt es kaum antiukrainische Ressentiments in Österreich. Man fühlt mit der Ukraine mit – und bezieht weiterhin russisches Gas.

Die Energiesicherheit war einerseits ein politisches Ziel, das schwerer wog, als der Vorwurf die russische Kriegsmaschinerie mitzufinanzieren. Außerdem gibt es gewisse wirtschaftliche Gründe. Die wirtschaftliche Stärke Österreichs hat – ganz ähnlich wie in Deutschland – auch viel mit den niedrigen Energiepreisen zu tun. Dass das Gas "vom Russen" kam, stört dabei kaum.

Energiesicherheit wiegt schwerer als moralische Bedenken

Prinzipiell ist Österreich im Energiemix ganz gut aufgestellt: 35 Prozent der Primärenergieträger stammte im Jahr 2023 aus inländischer Erzeugung und davon sogar 87,6 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern. Wasserkraft ist in Österreich gut ausgebaut und auch "biogene" Brennstoffe liefern erneuerbare Energie.

Dennoch müssen immer rund 65 Prozent zur Deckung des Gesamtenergieaufkommens importiert werden, im wesentlichen Öl und Erdgas. Zwar produziert Österreich immer noch rund 500.000 Tonnen Rohöl und 600 Millionen Kubikmeter Gas im Jahr (Stand 2022). Die Fördermengen sind allerdings seit Langem rückläufig.

Per Probebohrungen wird nach neuen Gasfeldern in Österreich gesucht. Hieran lässt sich ermessen, wie wenig ernst die heimische Energieindustrie die Klimakrise nimmt.

Russisches Erdgas seit fast 65 Jahren

Ende der 1960er winkte die Sowjetunion mit einem guten Geschäft für Österreich. Als erstes blockfreies Land bezog man die günstigen Energieimporte. Eine Tradition, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs fortgesetzt wurde. Im Dezember 2023 kamen 98 Prozent der Erdgasimporte Österreichs aus Sibirien.

2018 schloss dann das österreichische Öl- und Gasunternehmen OMV einen Vertrag mit Gazprom bis zum Jahr 2040. Sebastian Kurz und Wladimir Putin einigten sich hierbei sogar auf eine Steigerung der Importe. Erdgas galt und gilt als Übergangsenergieträger und wurde deshalb als ökologischere Option gelabelt.

Die Lieferverträge werden in der Energiewirtschaft zu äußerst günstigen Konditionen für die Produzenten abgeschlossen. Das beutet, dass Österreich das Erdgas bezahlen müsste, selbst wenn es das russische Gas nicht bezöge – sei es aus moralischen Gründen wegen des Ukraine-Krieges oder aus ökologischen Erwägungen.

Juristischer Streit zwischen Gazprom und OMV

Vermutlich wäre das Gas auch weiterhin geströmt, wenn nicht ein Streit zwischen der österreichischen OMV und Gazprom ausgebrochen wäre. Ein Schiedsgericht legte nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) einen Schadensersatz in Höhe von 230 Millionen Euro fest, die der OMV aufgrund unregelmäßiger Gaslieferungen im Jahr 2022 zustehen.

Eigentlich hätte Gazprom also liefern müssen, ohne bezahlt zu werden. Deshalb kündigte der Konzern Mitte November an, die Lieferungen einzustellen. Wann die Abschaltung genau erfolgt, ist unklar, weil das ein technisch recht aufwendiger Prozess ist.

Die Aufregung hielt sich in Österreich in engen Grenzen. Der Bundeskanzler rief eine Pressekonferenz ein und genoss die Rolle des Machers. Das Land war schließlich längst gewarnt, nachdem kurz nach Beginn des Ukrainekrieges der Erdgaspreis innerhalb kurzer Zeit von 20 Euro pro Kubikmeter auf 200 Euro gestiegen war.

Ich kann Ihnen versprechen: Niemand wird in Österreich aufgrund einer Gasmangellage frieren und keine Wohnung wird in Österreich kaltbleiben.

Bundeskanzler Karl Nehammer

Zu Beginn des Ukraine-Krieges hatte man in Österreich tatsächlich Angst, im Winter frieren zu müssen. Jetzt sind die Erdgasspeicher hingegen zu 90 Prozent gefüllt. Auch der Preis von Gas ist wieder gefallen, weil die ganze Welt nach Alternativen gesucht hat.

Bereitstellung von Lieferalternativen

Nachdem die Nordstream-Pipelines in der Nordsee zerstört worden waren, wurde schnell Ersatz geschaffen. Die OMV besitzt Anteile an einem LNG-Terminal in Rotterdam. Dort kann verflüssigtes Gas aus dem Mittleren Osten bezogen werden. Ferner produziert die OMV auch Gas in Norwegen und die nötigen Pipelinekapazitäten hat man vorsichtshalber ebenfalls bereits ersteigert.

Am 1. Januar 2025 läuft ein wichtiger Vertrag über den Transit von russischem Gas durch die Ukraine aus, was erhebliche Auswirkungen auf die verbleibenden russischen Gasexporte haben wird. Diese werden vor allem in Österreich, Ungarn und der Slowakei zu spüren sein, für die die ukrainische Transitroute im Jahr 2023 etwa 65 Prozent des Gasbedarfs gedeckt hat.

Auch Bayern betroffen?

Derzeit macht das Gas, das über die Ukraine geliefert wird, etwa die Hälfte der verbleibenden russischen Pipeline-Gasexporte in die EU und ein Drittel der gesamten russischen Gasexporte, einschließlich LNG, aus. Insgesamt ist der Anteil des ukrainischen Transits an den EU-Gasimporten von elf Prozent im Jahr 2021 auf etwa fünf Prozent gesunken.

Die EU und die betroffenen Länder haben nun folgende Optionen:

  • Russische Lieferungen nach Mittelosteuropa durch LNG zu ersetzen;
  • russische Lieferungen durch aserbaidschanisches Gas über ukrainische Pipelines zu ersetzen;
  • das Gasabkommen zwischen der EU, der Ukraine und Russland neu zu verhandeln.

Welche der Lösungen schließlich favorisiert werden wird, ist derzeit noch offen.

Deutschland ist insofern betroffen, als Bayern Gasspeicher mit Österreich teilt. Über den Zugriff auf das darin gelagerte Erdgas hatte es bereits 2022 schon einmal Krach gegeben.