Warum werden Putin-Gegner in Berlin vom Geheimdienst überwacht?
Aktivisten forderten unter anderem schnelle Unabhängigkeit von russischem Gas. Warum das ein Fall für den Verfassungsschutz ist, bleibt geheim. Vermisst er hier Doppelmoral?
Schilder mit dieser Frage "Warum beobachtet der Berliner Verfassungsschutz Putin-Gegner?" hielten Demonstrantinnen und Demonstranten am vergangenen Montag vor dem Berliner Abgeordnetenhaus hoch. Dort ging es im Geheimdienstausschuss auch um die Frage, warum im aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht verschiedene Aktionen der Antimilitaristischen Aktion Berlin erwähnt werden – etwa eine Protestkundgebung, die im März 2022 unter dem Motto "Klimaschutz statt Krieg" vor der Gazprom-Zentrale in Berlin stattgefunden hat.
Gefordert wurde dort die schnellstmögliche Unabhängigkeit von russischem Gas und anderen fossilen Energieträgern, die nicht selten von autoritären Regimes geliefert werden. Von solchen wurde hier allerdings im Plural gesprochen.
Grund für Beobachtung bleibt geheim
Diese Aktionen sind auch nach Ansicht des Abteilungsleiters des Berliner Verfassungsschutzes, Michael Fischer, nicht verfassungsfeindlich. Zugleich betont Fischer, dass die Amab vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Der Grund liege nicht in den putin-kritischen Aktionen. Den eigentlichen Grund wollte er aber dem Ausschuss aber nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Geheimschutzraum nennen.
Was dort gesagt wird, dürfen auch die Abgeordneten nicht öffentlich machen. So bleibt es ein Geheimnis, warum mit der Amab eine antimilitaristische Initiative beobachtet wird, die aus ihren Aktionen zumindest nie ein Geheimnis gemacht hat. Man kann auf ihrer Homepage nachsehen.
Ist die Amab mit ihren Aktionen vielleicht durch ihren Witz und ihre Ironie erfolgreicher, als der Verfassungsschutz erlaubt? Schließlich gelang es der Gruppe immer wieder, gesellschaftliche Diskussionen zumindest mit anzustoßen. Dabei wird allerdings nicht nur der russische Krieg in der Ukraine, sondern auch die Aufrüstungspolitik Deutschlands und der anderen Nato-Länder immer wieder kritisiert. Gleiches gilt für Geschäfte mit Regimes wie dem Golfemirat Katar, das jetzt Ersatz für russisches Erdgas liefern soll.
Unklar bleibt nach Fischers Ausführungen auch, auf welchen Level die Überwachung der Amab durch den Berliner Inlandsgeheimdienst stattfindet. Werden nur öffentlich zugängliche Informationen ausgewertet, oder bedient sich der Geheimdienst auch verdeckter Ermittlungsmethoden? "Die Antwort kann nur der Verfassungsschutz geben, tut es aber nicht", erklärte Niklas Schrader, der für Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, gegenüber Telepolis. Schrader hatte auf der Sitzung des Geheimdienstausschusses den Fall zur Sprache gebracht und Fischer kritische Fragen gestellt.
Für Schrader ist der Fall ein Grund mehr, um die Auflösung aller Geheimdienste zu fordern. "Dieser Vorgang ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Verfassungsschutz demokratisches Engagement diskreditiert und behindert. Eine öffentliche politische Diskussion darüber ist nicht möglich", kritisiert Schrader die Tatsache, dass er selbst die im Geheimschutzraum erhaltenen Informationen nicht weiterverbreiten darf.
So schafft sich der Verfassungsschutz selbst einen Schutzraum, der ihn auch gegen Kritik abschirmt. Denn wenn nicht einmal die Art und der Grund der Überwachung veröffentlicht werden dürfen, wird sie auch der öffentlichen Diskussion entzogen.
Jan Hansen von der Amab findet es im Gespräch mit Telepolis fast schon witzig, dass Fischer immer Wert darauf legt, dass sein Verfassungsschutz kein Geheimdienst, sondern ein Nachrichtendienst sei. "Aber kaum gibt 's kritische Nachfragen, liefert er halt keine 'Nachrichten' sondern versteckt sich im Geheimhaltungsraum."
Welche Antimilitaristen werden noch beobachtet?
Interessant wäre auch die Frage, welche antimilitaristischen Organisationen neben der Amab noch vom Verfassungsschutz beobachtet werden Schließlich wird im aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht auf einen linken Twitter-Kanal verwiesen, auf dem zum Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung aufgerufen wurde.
Auch die Interventionistische Linke wird im Verfassungsbericht mit der Forderung nach den "Aufbau einer lebendigen und internationalistischen 'Bewegung gegen Militarismus und Krieg'" zitiert. Zudem habe die IL festgestellt, dass der Aufrüstungstaumel "von den dringend notwendigen Kämpfen gegen Klimakrise, Rassismus, Pflegenotstand oder Mieteinwahnsinn" ablenke. Den Wahrheitsgehalt dieses Satzes haben wir in letzter Zeit immer wieder zu Spüren bekommen.