Österreicher wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine festgenommen
Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wirft dem 25-Jährigen vor, Separatisten getötet zu haben, "die sich bereits ergeben hatten"
Seit drei Wochen gelten an den Außengrenzen des Schengenraums verschärfte Kontrollvorschriften - nicht nur für die Einreise, sondern auch für die Ausreise. Ihnen ist es dem polnischen Grenzschutz zufolge zu verdanken, dass am Wochenende in der Ortschaft Dorohusk ein 25-Jähriger festgenommen wurde, den die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt mit einem Europäischen Haftbefehl suchte, was die Beamten bei einem elektronischen Abgleich seiner Passdaten feststellten.
Während der polnische Grenzschutz als Grund für den Haftbefehl nur allgemein eine Teilnahme am Bürgerkrieg in der Ukraine nannte, wurde die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt konkreter: Ihr zufolge soll der Mann "im Zuge der Kampfhandlungen um den Flughafen Donezk" Separatisten, "die sich bereits ergeben hatten", getötet haben - und zwar nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten. Diese den Tatbestand eines "Kriegsverbrechens gegen Personen" erfüllenden Handlungen habe das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in einem Bericht dokumentiert.
Prawyj Sektor oder offizielle ukrainische Streitkräfte?
Der Staatsanwaltschaft nach verübte der Festgenommene die Taten "auf ukrainischer Seite". In welcher Einheit das geschah, ist noch unklar. Jurij Grigorjew, der Sprecher der Organisation Prawyj Sektor ("Rechter Sektor"), räumte gegenüber dem Österreichischen Rundfunk zwar ein, dass ein infrage kommender Österreicher, den der ORF "Benjamin F." nennt, "während des Maidan beim Prawyj Sektor war", ergänzte aber, der Freischärler habe im Kampf um die Ostukraine nicht ihrem DUK-PS-Miliz, sondern dem Bataillon "Kyjiwska Rus" der 59. Brigade der offiziellen ukrainischen Streitkräfte angehört.
Dem ORF zufolge stammt Benjamin F. aus dem alemannischsprachigen Bundesland Vorarlberg, in das er Ende 2016 zwischenzeitlich zurückgekehrt sein soll - angeblich, weil man ihn in der Ukraine verdächtigt hatte, ein Spion zu sein. Im Januar reiste er von dort aus in die Schweiz weiter, wo er sich auf einem Bauernhof um Ziegen gekümmert haben soll. Im März sagte er dem Kurier dann, er "glaube nicht an einen Erfolg im 'normalen Leben', so wie die Dinge heute stehen". Deshalb wolle er wieder zum österreichischen Bundesheer gehen", in das er als Siebzehnjähriger eintrat, und dort Unteroffizier werden: "Einmal Soldat", so F. damals, "immer Soldat".
Zwischenzeitlich war ihm der Dienst beim Bundesheer allerdings zu langweilig geworden, weshalb er erst zu einem privaten Sicherheitsdienstleister und 2014 nach Kiew ging, wo die "Euromaidan"-Bewegung den Präsidenten stürzte. Anschließend soll er in Syrien für die kurdische YPG und im Irak für die kurdischen Peschmerga gekämpft haben. Ob er bereits dort Kriegsverbrechen beging, ist unklar. Dokumentiert sind solche Taten nicht. Im März 2015 kehrte er in jedem Fall in die Ukraine zurück und kämpfte dort gegen russischsprachige Separatisten. In diesem Konfliktherd, der auf kleiner Flamme weiter brennt, kamen inzwischen bereits mehr als 10.000 Menschen ums Leben.
Offene Fragen
Über politische Aktivitäten F.s ist bislang nichts bekannt. Treffen die Berichte zu, nach denen er sowohl für die Peschmerga als auch für die YPG und den "Euromaidan" kämpfte, deutet das darauf hin, dass er sich stets für solche Gruppen begeisterte, die in westlichen Quantitätsmedien jeweils als "die Guten" geschildert wurden (vgl. Grüne Falken und eurokritische Tauben).
Dass die österreichischen Behörden nicht bereits dann zugriffen, als er sich Ende 2016 und Anfang 2017 in der Alpenrepublik aufhielt, liegt daran, dass das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung die Staatsanwaltschaft erst am 17. Februar 2017 über die Kriegsverbrechen informierte, wie Pressesprecher Erich Habitzl Telepolis heute Mittag mitteilte. Der Haftbefehl wurde unmittelbar danach - am 22. Februar2017 - ausgefertigt. Dazu, ob es sich bei dem Festgenommenen tatsächlich um den Vorarlberger Benjamin F. handelt, von dem der ORF und der Kurier ausgehen, will die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf Persönlichkeitsschutzrechte nichts sagen.
Auch zu einer eventuellen Beteiligung an Kampfhandlungen in Syrien und im Irak heißt es lediglich, in einem Verfahren werde selbstverständlich der gesamte Sachverhalt berücksichtigt. Klar bestätigt wird dagegen, dass ein zweites Verfahren wegen eines "Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz" anhängig ist. Mit der Auslieferung aus Polen rechnet man in Wiener Neustadt frühestens in "ein paar Wochen".
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.