Österreichische Regierung will zwischen Russland und dem Westen vermitteln
Außenministerin Kneissl setzt auf eine "faktenbasierte Außenpolitik"
Nach dem amerikanisch-britisch-französischen Raketenangriff auf Ziele in Syrien hat der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz eine "unabhängige Untersuchung" der Vorfälle gefordert, mit denen diese Angriffe begründet wurden. Er habe, so der ÖVP-Politiker, zwar "Verständnis für [eine] begrenzte militärische Aktion mit dem Ziel, weitere Kriegsverbrechen mit Chemiewaffen zu verhindern", sei aber "schwer besorgt" und fordere "die verantwortlichen Akteure dringend zu politischen Gesprächen unter UN-Vermittlung und zur Einhaltung des Völkerrechts auf". Es sei, so Kurz, "das Gebot der Stunde, sich der Vernunft zu besinnen und den diplomatischen Friedensprozess mit allem notwendigen Nachdruck voranzutreiben", um eine Eskalation "dieses Stellvertreterkrieges oder gar eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland" zu verhindern.
Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl sagte dem ORF in diesem Zusammenhang, es böten "sich sicherlich Möglichkeiten an, dass man sich in dieser verfahrenen Situation vielleicht als Gesprächskanal anbietet". Über so eine Vermittlerrolle Österreichs werde sie diese Woche sowohl beim heutigen EU-Außenministertreffen als auch bei ihrem anschließenden Besuch in Moskau sprechen.
Grundlage dieser Gespräche sei eine "faktenbasierte Außenpolitik": Dazu müsse man den Experten der OPCW "die notwendige Zeit und die Möglichkeiten zu geben, um die Vorfälle in der Stadt Duma in Ost-Ghouta aufzuklären". Dann könne man "die Verantwortlichen für den Einsatz von Chemiewaffen zur Rechenschaft ziehen" und ihre "Fähigkeit, weitere Kriegsverbrechen zu begehen, einschränken".
Maas mit "Haltung"
Anders als für die österreichische Außenministerin steht für ihren deutschen Amtskollegen Heiko Maas der Schuldige bereits fest: Russland. Diese "Haltung" könnte dem Wirtschaftsblogger Norbert Häring nach mit ein Grund gewesen sein, dass "der beliebteste Politiker der SPD als Außenminister abgesägt [wurde], damit der vielleicht unbeliebteste Politiker der SPD Außenminister werden konnte." Dazu zitiert Häring aus einer von der NATO finanzierten Broschüre des Atlantikrats, in der Maas' NetzDG "als vorbildhafte Maßnahme im Kommunikationskampf gegen Russland" gelobt wird.
Als innerparteilicher Gegenpol zu Maas positioniert sich gerade der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann, der am Wochenende twitterte, deutsche Außenpolitik müsse "Friedenspolitik, Deeskalation und Entspannung sein". "Das", so Hartmann, sei "die Stimme der Vernunft" und die der SPD "Willy Brandts, Egon Bahrs und Helmut Schmidts für die [er] eintrete".
In den deutschen Bundestagsoppositionsparteien ist man gespalten: Die Grünen geben sich eher russlandkritisch, die Linken eher russlandfreundlich - und bei den Liberalen geht der Riss mitten zwischen dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner und seinem Vize Wolfgang Kubicki hindurch.
Deutsche mehrheitlich gegen Angriffe
In der AfD gab Petr Bystron mit seinem gegenüber der ARD-Tagesschau geäußerten "Nein zum Regime Change" die überwiegende Meinung der Wähler seiner Partei wieder: Die sprechen sich mit 76,3 Prozent so deutlich gegen den Angriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs aus wie keine andere Wählergruppe. Aber auch insgesamt ist einer repräsentativen Civey-Umfrage nach eine deutliche Mehrheit von 59,9 der Deutschen dagegen. Explizit dafür sind lediglich 30,8 Prozent der Befragten, 9,3 Prozent geben sich unentschieden.
Diese Skepsis dürfte auch damit zu tun haben, dass Beweise für seine syrische oder russische Verantwortung bislang lediglich behauptet, aber nicht vorgelegt wurden - und dass sich viele noch an den angeblichen Hufeisenplan im Kosovo, die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak und an die Kuwaiter Brutkastenlüge erinnern. Entsprechend hat sich das von "lokalen Aktivisten" vorgelegte Foto einer angeblichen Gasbombe, die zwar ein Dach durchschlagen haben, aber dann auf einem unbeschädigten Bett gelandet sein soll, zu einem massenhaft parodierten Mem entwickelt.