Österreichs Regionen wehren sich gegen Krankenkassenzerschlagung

Seite 2: Krankenkassen als Staats-Sparkasse

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die österreichischen Bundesländer und Gebietskrankenkassen sind offenbar mit genug gesundem Misstrauen gegen die Wiener Zentralregierung ausgestattet, um die fiskalischen Gefahren einer Kassenzentralisierung zu erkennen. Selbst die beiden ÖVP-regierten Bundesländer Niederösterreich und Salzburg und die beiden ÖVP-geführten Gebietskrankenkassen von Tirol und Vorarlberg gehen nach einem Bericht des "Kurier" deutlich auf Distanz zum Zentralisierungskonzept. Die Salzburger Gebietskrankenkasse befürchtet ein "verstaatlichtes Gesundheitssystem" u. a. wegen der beabsichtigten Übertragung der Beitragsabwicklung auf die Finanzbehörden. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse bezeichnet Teile des Konzeptes als verfassungswidrig.

Die österreichischen Kritiker und Skeptiker liegen richtig: In Deutschland häuft sich die journalistische Publizistik und wissenschaftliche Literatur über den dreisten Missbrauch der Gesetzlichen Krankenversicherung als Staats-Sparkasse durch die jahrzehntelange Überwälzung von Staatsaufgaben aus der Steuerfinanzierung in eine Beitragsfinanzierung. Diese Transformation des Steuerstaates in einen Sozialabgaben-Staat ist in Deutschland unter der Bezeichnung "Versicherungsfremde Leistungen" berüchtigt. So wurden beispielsweise die Gesundheitskosten der Merkelschen Flüchtlingswelle per Federstrich den Krankenkassenbeitragszahlern aufgelastet.

Auch der Rechnungshof Österreich ahnt hier Ungemach. Lapidar stellt er fest: "Unklar scheint, was mit den Rücklagen der Gebietskrankenkassen (2017: rd. 1,3 Mrd. EUR) zu geschehen hat."

Verschwiegene Fusionskosten …

Eine betont wirtschaftsnahe Regierung wie die Kurz-Koalition, die nicht nur keine seriösen, sondern gar keine Zahlen zu den Kosten der angestrebten Großfusion vorlegt, versucht entweder die Öffentlichkeit zu täuschen oder sie ist vielleicht wirtschaftsaffin, aber nicht wirtschaftskompetent. Jeder BWL-Studierende weiß, welchen enormen Aufwand Großfusionen verursachen.

Der Rechnungshof Österreich kann der Wiener Koalition auch hier Kritik nicht ersparen: "Die angeführten Fusionskosten…sind nicht bewertet",d.h. ohne Zahlenangaben.

Die Gebietskrankenkassen gehen von Fusionskosten von 500 Mio. EUR aus. Das wäre dann schon einmal die Hälfte der in der politischen Debatte immer behaupteten Einsparungen von 1.000 Mio. EUR, die durch die Zentralisierung angeblich erreicht werden könnten.

... und peinliche Sparphantasien

Ausgesprochen peinlich für die Zentralisierer in Wien ist die von der zuständigen Bundesministerin Beate Hartinger-Klein monatelang herausposaunte Einsparung von angeblich 1 Mrd. EUR durch die Kassenzentralisierung.

Damit hat sie das Vorhaben zum Gespött nicht nur in der österreichischen Öffentlichkeit, sondern auch in der deutschen Fachwelt gemacht. Dort haben schon vor Jahren einschlägige Untersuchungen gezeigt, dass die Verwaltungskosten bei Krankenkassen nach der Zentralisierung deutlich höher als vor der Zentralisierung waren und dass die zentralen Angestellten-Kassen schon vor der Kassenreform höhere Verwaltungsausgaben hatten als die regionalen Arbeiter-Kassen.

Die abschmetternde Stellungnahme des Rechnungshofes Österreich lautet hier: "Im Zusammenhang mit der Präsentation des vorliegenden Entwurfes in der Öffentlichkeit bezifferte u.a. auch die zuständige Bundesministerin das Einsparungspotenzial mehrfach mit 1 Mrd. EUR…. Der Nachweis zum Einsparungspotenzial der oben erwähnten 1 Mrd. EUR fehlt."

Blindgänger deutsche "Gesundheits-Linke"

Hinter dem vom politischen System und seinen Medien in Deutschland geschickt immer wieder eskalierten Pseudokonflikt "Links" gegen "Rechts" wird dort konsequent die Transformation der derzeit noch flächendeckend-wohnortnahen Krankenhausversorgung mit ca. 1900 Standorten in ein hochzentralisiertes und wohnortfernes Großklinikenbusiness mit nur noch 300 Standorten betrieben. Die deutsche Gesundheits-Linke steht im Verdacht heimlicher oder dümmlicher Komplizenschaft mit dem politisch-ökonomischen Großkrankenhauskartell.

Dies verwundert nicht, da die deutsche Gesundheits-Linke ein Sammelplatz und Abstellgleis der Reste der Reform-Sozialdemokratie, pensionierter SPD-Gesundheitsbürokraten und der theorielosen Branchengewerkschaft verdi ist. In diesem Sektor herrschen Dünnbrett-Keynesianismus und Staatsidealisierung sowie eine fragwürdige Liebe zum "Zentralen".

Eine solche Gesundheits-Linke versteht natürlich überhaupt nicht, was derzeit in Sachen Gebietskrankenkassen in Österreich vor sich geht, da ihr regionale Autonomien eher verdächtig sind und ein bisschen EU-Stalinismus näher liegt. Selbst das bei allem Taschenrechner-Keynesianismus doch ehrbare und ernst zu nehmende "linke" Ökonomen-Magazin "Makroskop" sperrt sich, trotz direkter Aufforderung, gegen eine Erörterungen des Themas "Zentralisierungsangriff auf die österreichischen Gebietskrankenkassen". Ansonsten werden aber auch noch die unbedeutendsten europäischen Länderthemen eifrig reportiert und kommentiert.

Auch in Sachen "Krankenkassenzerschlagung in Österreich" betreibt die deutsche Linke ihre vom Wähler bestätigte Überflüssigkeit.