Online-Nachrichtenflut überfordert viele Deutsche, zeigt Bitkom-Umfrage

Verwzeifelter hinter einem Schreibtisch. Man sieht nur einen hochgestreckten Arm.

Bild: Stokkete/Shuterstock.com

Die Informationsflut im Netz überwältigt viele Deutsche. Misstrauen gegenüber Online-Nachrichten wächst. Wird das Internet zur Desinformationsfalle?

Die Informationsflut im Internet überfordert viele Deutsche. Für die schon etwas floskelhafte Alltagseinsicht hat eine aktuelle repräsentative Umfrage von Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, recht anschauliche Größen ermittelt.

Befragt wurden 1002 Internetnutzer - das Mindestalter war 16 Jahre - im März dieses Jahres. Mittlerweile informieren sich neun von zehn Personen, die danach gefragt werden, woher sie ihre Informationen über das Zeitgeschehen beziehen, übers Internet, so das erste Ergebnis der Bitkom-Präsentation1.

Radikale Minderheiten und informierte Mehrheiten mit einem Problem

Nur eine radikale Minderheit von einem Prozent verweigert sich komplett: "Konsumiere generell keine Nachrichten". Und acht Prozent mögen keine Nachrichten aus dem Internet konsumieren.

Die Hälfte der Befragten ist mehrmals am Tag im Netz unterwegs, um Nachrichten zu lesen. Ein Drittel schaut dafür mindestens einmal täglich ins Internet, etwa 13 Prozent mehrmals die Woche. Einzig fünf Prozent reichen seltenere Besuche.

Möglicherweise aus dem Grund, der neuerdings häufiger Thema wird, wenn es um Mediennutzung geht: Statt des erhofften Überblicks kommt der Überdruss:

Die Hälfte (50 Prozent) fühlt sich davon häufig überfordert. 58 Prozent wissen oft nicht, welchen Nachrichten im Internet sie vertrauen können. 62 Prozent reduzieren ihren Nachrichtenkonsum manchmal bewusst, wenn sie die Informationsflut überfordert.

Bitkom, Nachrichtenflut im Netz

Informationsüberflutung führt zu Nachrichten-Eskapismus

"Überforderung und ein daraus resultierender Nachrichten-Eskapismus sind insbesondere in Kriegs- und Krisenzeiten zwar nachvollziehbar, ebnen auf lange Sicht aber Desinformation und Fake News den Weg", warnt Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom.

Der Politikwissenschaftler und Protagonist für mehr digitale Bildung an den Schulen betont die Notwendigkeit einer umfassenden Stärkung der Medienkompetenz, beginnend in der Schule bis ins hohe Alter.

Hoffentlich schärft dies das Urteil und das Wahrnehmungsvermögen für Vorgestanztes, Floskeln der Bild- und Sprachvermittlungen und Irreführendes.

KI-Texte: Ein neuer Blick

Nach den Zahlen der Bitkom-Umfrage haben zwei Drittel der Befragten in den vergangenen zwölf Monaten Falschmeldungen wahrgenommen. 85 Prozent der Internetnutzer stimmen der Aussage zu, es sei insgesamt schwer, den Wahrheitsgehalt einzelner Meldungen zu überprüfen. 76 Prozent sehen Falschmeldungen als mitverantwortlich dafür, dass extreme Parteien in Deutschland an Einfluss gewinnen.

Mit dem ubiquitären Einsatz der Künstlichen Intelligenz wird die Lese- und Wahrnehmungskompetenz der Leserschaft noch mehr herausgefordert: 80 Prozent der Befragten können aufgrund von KI nicht sicher sagen, welche Fotos und Videos im Netz echt sind, hat die Umfrage ermittelt.

Dennoch würde es ein Drittel (33 Prozent) nicht stören, Online-Artikel zu lesen, die von einer KI geschrieben wurden.

92 Prozent der Befragten fordern jedoch Transparenz und meinen, dass Nachrichten-Artikel gekennzeichnet werden sollten, wenn eine KI an ihrer Erstellung beteiligt war.

"Künstliche Intelligenz birgt große Potenziale. Sie kann künftig etwa dabei helfen, Falsch- und Desinformation zu erkennen und Nutzerinnen und Nutzern bessere Orientierung im Nachrichtendschungel bieten", sagt Hauptgeschäftsführer Roleder dazu.

Die Guten und die Bösen

Er warnt:

In falschen Händen kann KI aber auch ein mächtiges Instrument für Manipulation und Desinformation sein. Daher muss die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Quellen besser vermittelt werden.

Nicht nur in den falschen Händen könnte man anmerken. Vielleicht gar auch in den Händen, die das Gute wollen. Auch da gäbe es noch einiges zu überdenken.

Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass jeder von uns identitätsstützende Denkfehler begeht, also Informationen, auch wissenschaftliche, vor allem in eine Richtung liest, die die eigene Weltsicht unterstützt.

Als Demokrat sollte man sich deshalb immer wieder fragen, ob Tatsachen, die man für erwiesen hält, wahr sind oder politische Maßnahmen, die man leidenschaftlich unterstützt, wirklich gerechtfertigt sind. Oder ob es da berechtigte Einwände geben könnte.

Das tut manchmal weh und ist oft anstrengend, aber ich glaube, jeder kritische Mensch muss sich das zumuten.

Philosoph Philip Hübl, SZ-Magazin