Onyx für alle
Schweizer Bürger werden nun auch von der Armee belauscht
Informationen, die von der Schweizer Armee mit dem Satellitenhorchsystem "Onyx" aus dem Äther gefischt werden, dürfen nun auch vom Inlandnachrichtendienst weiter bearbeitet werden. Mit einer entsprechenden Gesetzesanpassung wurde legalisiert, was bereits Praxis ist.
Im Prinzip gibt es in der Schweiz eine strikte Arbeitsteilung zwischen dem beim Bundesamt für Polizei angesiedelten Inlandnachrichtendienst DAP (Dienst für Analyse und Prävention) und den beiden militärischen Geheimdiensten (militärischer und strategischer Nachrichtendienst). Letztere haben sich auf die Beschaffung von "sicherheitspolitisch relevanten Informationen über das Ausland" zu beschränken (Schweiz testet Satellitenabhörsystem).
Die beiden Kammern des Parlaments haben diese Arbeitsteilung nun aufgeweicht. Gemäss Artikel 99, Absatz 2bis des neuen Militärgesetzes dürfen die militärischen Dienste auch "Informationen über Personen in der Schweiz, die bei Gelegenheit (...) anfallen und die für die innere Sicherheit oder die Strafverfolgung von Bedeutung sein können, dem Bundesamt für Polizei weiterleiten." Konkret bedeutet dies, dass solche "Zufallsfunde", die aus dem Abhören der satellitengestützten Kommunikation gewonnen werden, legal auch vom Dienst für Analyse und Prävention DAP ausgewertet werden dürfen. Damit erhält der Inlandnachrichtendienst Informationen, die er selbst nicht beschaffen dürfte. Zum Abhören von Telefon-, Mobil-, Fax- und Internetkommunikation im Inland ist gemäß BÜPF (Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) eine richterliche Genehmigung erforderlich, zudem wird das einheimische Lauschen auf Delikte beschränkt, die in einem abschliessenden Katalog definiert sind.
Während der Debatte im Nationalrat versuchte Verteidigungsminister Samuel Schmid die von linker Seite geäußerten datenschutzrechtlichen Bedenken zu zerstreuen und behauptete, es gehe nicht darum, "dass der strategische Nachrichtendienst jetzt plötzlich Inlandaufklärung macht." Ein bisschen eleganter und vor allem präziser als der wortkarge Minister versuchte der christlich-demokratische Abgeordnete Guido Zäch die Vermischung von zivilen und militärischen Aufgaben zu rechtfertigen: "Es geht nicht um die systematische Erfassung von Daten, sondern lediglich um den Austausch von Informationen, die bei der Arbeit angefallen sind." Zentrales Motiv war auch in dieser Debatte der 11. September 2001. Man wolle mit diesem Gesetzesartikel eben genau verhindern, dass der eine Dienst nicht wisse, was der andere tut, so wie dies mit FBI und CIA in den USA der Fall gewesen sei, hieß es unter anderem. Dieses Argument schien zu überzeugen, auf jeden Fall wurde die Gesetzesänderung zu Gunsten der Schlapphüte mit einer Zweidrittelmehrheit genehmigt.
Der aktuelle Parlamentsbeschluss ändert indes nur wenig an der herrschenden Praxis. Wie der Tagesanzeiger am Montag berichtete, behandelt die Abteilung Elektronische Kriegsführung (EKF) als Betreiberin des Lauschsystems Onyx bereits heute Anfragen des Inlandnachrichtendienstes. Verklausuliert hatte diese Kooperation bereits der frühere Verteidigungsminister Adolf Ogi bei der parlamentarischen Behandlung der Kredite für Onyx vor drei Jahren angetönt. Das System stehe der Bundespolizei (heute: DAP) "grundsätzlich nicht direkt zur Verfügung", hieß es damals. Zur Zeit befindet sich Onyx noch im Aufbau, den Vollbetrieb wird das System im kommenden Jahr aufnehmen.
Dem Kontrollorgan der militärischen Nachrichtendienste, der Geschäftsprüfungsdelegation, stößt die mangelnde Transparenz schon seit einer Weile sauer auf. Insbesondere das Fehlen eines Kontrollkonzepts wird von der Parlamentariergruppe kritisiert. Bereits seit mehr als einem Jahr steht die Forderung nach einem solchen im Raum. Ein entsprechender Bericht hätte erstmals im vergangenen Herbst vorgelegt werden sollen, aufgrund fehlender Informationen aus dem Verteidigungsministerium musste die Geschäftsprüfungsdelegation den Termin auf Frühling 2002 verschieben. Nach Angaben von Philippe Schwab, dem Sekretär des Gremiums, könne im Herbst mit einem Kontrollkonzept gerechnet werden. Einige Fragen seien inzwischen geklärt, der heikelste Punkt allerdings, die Weitergabe von Onyx-Daten an den Inlandnachrichtendienst, bedürfe einer solideren gesetzlichen Grundlage, teilte Schwab Ende April mit. Inzwischen gibt es eine gesetzliche Grundlage. Nicht für die Kontrolle, sondern für das Weitermauscheln der Dienste nach altbewährter Manier.