Open Music

Ist die GPL auf Musik übertragbar?

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Im Rahmen des Wizards of Os-Kongresses war Musik eines der zentralen Themen. Immer noch ist Musik das kulturelle Format im Netz, das exemplarisch für andere wie Film, Games oder Bücher die neuen Distributionswege über das Netz austestet.

Per se sah also für das Panel alles ganz gut aus. Leute aus der Praxis waren zur Genüge vorhanden, und natürlich - das sei nebenbei angemerkt - gehorchten wie auf fast allen Panels des "Wizards of Os"-Kongresses die Agierenden auf der Bühne dem Klischee und waren männlichen Geschlechts. Es sei jedem Menschen selbst überlassen, was das über unsere Gesellschaft aussagt oder nicht ... Das Panel wurde von Sascha Kösch, Musikredakteur von de:Bug - Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte und dem Journalisten Janko Roettgers betreut.

Zunächst stellte der Open Music Aktivist Michael Kleinhenz verschiedene Grade von Lizenzen vor, die für Musik gemäß Open Source gelten sollen. Verschiedenfarbige Lizenzen markieren dabei den Grad der "Offenheit" gemäß dem Ampelprinzip. Während die sogenannte "grüne" Lizenz im weitesten Sinne der Gnu Public License entspricht, sind die "gelbe" und die "rote" Version deutlich restriktiver. Kleinhenz selbst gab von Anfang an zu, dass die Übertragung der Open Source Lizenz auf Musik dabei nicht unproblematisch ist.

Der ehemalige Musiker Jonny Häusler, der heute eine Internetagentur führt, makelte den bunten Lizenzierungen auch prompt an, dass Musik deutlich emotionalisierter verhandelt wird als Software. Und deshalb stärker davon bestimmt ist, in welchem Kontext sie auftaucht. Sein Fallbeispiel war ein Musikstück, das als Open Source beispielsweise von der NPD genutzt und unter ihre Werbung gelegt werden könnte. Kleinhenz konterte, dass es dieses Problem nicht nur für Musik gäbe, denn Quellcode sei auch eine Form der Meinungsäußerung. Sascha Kösch machte noch einmal deutlich, dass nicht das Verbot bei Open Music im Vordergrund steht, sondern die Erlaubnis. Das Problem bleibt natürlich bestehen. Looza von Tokyo Dawn Records, der dritte eingeladene Gast, erläuterte das Problem dann detaillierter und plauderte aus seiner Praxis als Musiker der Trackerszene.

Von Open Source zu Freeware

Die Kongressteilnehmer nutzen fleißig das Funklan. Hier Veranstalterin Inke Arns auf dem Open Music Panel (Mitte).

Tokyo Dawn Records ist ein Musikprojekt, das aus der Trackerszene entstanden ist. Es veröffentlichte lange unter dem, was man dort als Open Source verstand, weil Open Source auch der Haltung der Trackszene entspricht. Ende der Neunziger wurde die Website sehr bekannt, denn zum einen wurde die Qualität der Tracker-Musik aus technischen Gründen immer besser und die Files immer größer, zum anderen wurde zu dieser Zeit intensiv über die Trackerszene berichtet. Dann kamen die ersten "Entwendungen". Ohne Absprache wurde ein Song in England als White Label gepresst. Weitere Zweckenfremdungen folgten, wie beispielsweise schlechte Remixe. Gleichzeitig gab es technische Probleme, die ftp-Server waren auf Grund der immer größeren Files immer stärker beansprucht.

1999 organisierte sich Tokyo Dawn dann um. Einerseits wechselte man das Format von Mp3 auf das Open Source Komprimierungsverfahren ogg-vorbis, andererseits wurde man rigider und veröffentlichte nicht mehr alles, sondern unterwarf die Musik einer spezifischen Labelpolitik. Und - die Musik wurde nicht mehr als Open Source, sondern als Freeware freigegeben. Man durfte sie sich also weiterhin umsonst runterladen, aber nicht mehr mit ihr machen, was man wollte. Möglicherweise wird demnächst auch ein Micropayment-System eingeführt, das jedoch auf freiwilligem Zahlen basieren wird.

Looza sprach ein grundsätzliches Problem bei der Übertragung der GPL-Lizenzen auf Musik an: Software ist ein Format, das immer verbessert werden kann und weiter entwickelt wird. Bei Musikstücken dagegen gibt es einen Moment, in dem der Song fertig ist. Janko Roettgers stellte die Frage, wie relevant solche Lizenzen wie die von Open Music überhaupt seien, wenn sich keiner daran hält? Auch Sascha Kösch räumte ein, dass die Umsetzung derzeit nicht wirklich praktizierbar ist. Es folgte eine sehr lebendige, teilweise auch witzige und unterhaltsame Diskussion, an der sich das Publikum rege beteiligte - wenn es denn durfte. Anders als auf vielen anderen Panels musste man sich nicht durch Emailchecken oder sonstiges Surfen mit Hilfe des von den Veranstaltern zur Verfügung gestellten Funk-LANs ablenken, das zwar dankbar angenommen wurde, aber einen auch dazu einlud, während der Kongressveranstaltung sich mit vollkommen anderen Dingen abzulenken. Alles in allem kann man zum Open Music Panel zumindest sagen: Die Jungs haben sich gut geschlagen.