Operation Luxor: Die einfache Weltsicht der ÖVP

Die Österreichische Volkspartei über "Terror", Asyl-Politik, Afghanistan und den Klimawandel

Der von der ÖVP (Österreichische Volkspartei) verkündete Kampf gegen den "politischen Islam" beruht, wie viele Kritiker bereits seit Beginn dieser Kampagne feststellten, auf einem sehr wackeligen Fundament. Im November vergangenen Jahres gab es in diesem Zusammenhang eine Großrazzia, die gegen vermeintliche Muslimbrüder vorgenommen wurde.

Diese Operation, die mit dem Namen "Luxor" betitelt wurde, war zum Teil rechtswidrig, wie das Oberlandesgerichts Graz feststellte. Die Vorbringung, dass die Verdächtigen einer Terrororganisation angehören würden, ist dem Gericht zufolge zu dünn. Der konkrete Wortlaut des Urteils lautet der Zeitung Die Presse zufolge nämlich:

Anders etwa als beim Islamischen Staat (IS), dessen terroristische Ausrichtung mittlerweile gerichtsnotorisch ist, tragen die aktenkundigen Verfahrensergebnisse aus Sicht des Beschwerdegerichts derzeit nicht die Verdachtsannahme, bei der Muslimbruderschaft handle es sich (...) um eine weltweit homogene Gruppe.

Die Presse

Zwar gibt es innerhalb des Spektrums der Bruderschaft auch Zweige - wie die Hamas -, die auch international als Terrororganisation eingestuft werden, doch ist die Bewegung insgesamt betrachtet zu heterogen, als dass ein Terrorverdacht bei jedem einzelnen Mitglied gerechtfertigt wäre.

Seit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Graz hat sich Innenminister Nehammer, der für die Operation Luxor federführend war, nicht geäußert, obwohl er sich (kurz nachdem die Razzien stattfanden) noch enthusiastisch selbst auf die Schultern klopfte, weil er entschieden gegen den "politischen Islam" und dem "islamistischen Terror" vorgegangen sei.

Bekämpfer des "Islamismus"

Freilich passte dieses Auftreten in den politischen Kurs der ÖVP sich als Bekämpfer des "Islamismus" zu inszenieren, denn die Razzien fanden eine Woche nach dem Terroranschlag in Wien im vergangenen November statt. Jedoch hatte die Operation Luxor rein gar nichts mit diesem Anschlag zu tun. Der Terrorist vom 2. November bekannte sich zum selbsternannten "Islamischen Staat", während die Hausdurchsuchungen bei vermeintlichen Muslimbrüdern durchgeführt wurden.

Zu behaupten, dass Vertreter des "politischen Islam" (worunter für die ÖVP wie auch einige regierungsnahe Wissenschaftler eben auch die Muslimbrüder zählen) im Endeffekt dasselbe Ziel haben würden wie etwa al-Qaida oder der IS (sprich: Terrororganisationen), zeugt entweder von peinlicher Unwissenheit oder bewusstem politischem Kalkül.

Unabhängig davon, ob die Betroffenen der Operation Luxor nun Muslimbrüder sind oder nicht, ist die pauschale Etikettierung der Gruppe bzw. "Massenbewegung" (um bei der Bezeichnung des OLG Graz zu bleiben) als "terroristisch" ein undifferenziertes Vorgehen. Die Razzien zeigen, dass die ÖVP auch nicht davor zurückschreckt den Schockzustand der Bevölkerung kurz nach dem Terroranschlag dafür zu nutzen, um sich selbst als Helden zu profilieren.

Der Umgang mit Autokraten

Widersprüchlich ist das Verhalten der österreichischen Regierung auch angesichts der Tatsache, dass diese erst vor wenigen Tagen den Kronprinz Abu Dhabis, Mohammed bin Zayed (MbZ), mit militärischen Ehren in Wien willkommen geheißen hat. Einen Autokraten, der für geopolitische Zwecke Krieg in Ländern wie Libyen, Somalia und Jemen führt, empfängt die ÖVP gerne.

Mit diesem kann man sich auch auf wirtschaftliche Deals einigen. Die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechte scheint nur wichtig zu sein, wenn es um vermeintliche Muslimbrüder geht. Die Muslimbruderschaft ist aber auch dem Kronprinzen ein Dorn im Auge. Anders als in Österreich wird die Bewegung in den Emiraten nämlich seit 2014 tatsächlich als Terrororganisation eingestuft.

Als 2012 Mohammed Morsi in Ägypten gewählt wurde, unterstützten die Vereinigten Arabischen Emirate den Sturz des Muslimbruders und halfen dem Militär unter Abd al-Fattah as-Sisi beim Staatsstreich. Die Angst, dass die Muslimbrüder einen "islamistischen Gottesstaat" errichtet hätten können, kann nur ein unglaubwürdiger Vorwand Mohammed bin Zayeds sein, denn für lange Zeit galt er als Mentor des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS).

In den 1990-er Jahren erkannten neben Pakistan und Saudi-Arabien auch nur die VAE die Taliban-Regierung in Afghanistan an, die sie (also die VAE) 2003 wiederum auf der Seite der USA militärisch bekämpften. Für "extremistisch" halten die Emirate nur jene Gruppen, die ihnen gerade nicht in den Kram passen.

Eine Strategie, die auch die ÖVP verfolgt: Etikettierungen wie "politischer Islam", "Terrorist" und "politischer Islam" werden oftmals im selben Atemzug genannt, um mit der Wut und dem Frust der Gesellschaft zu spielen. Eine Differenzierung von tatsächlich terroristischen Gruppen und Bewegungen, die zum Teil problematisch sein mögen, aber mit Terror nicht zu tun haben, liegt nicht vor, wodurch die Vorwürfe an Glaubhaftigkeit verlieren.

Ein simplifiziertes Bild der Geschehnisse zu zeichnen, gehört zur Strategie der ÖVP, was nicht das Thema Islam betrifft und nur dort offensichtlich wird: In puncto Klimakrise behauptete Sebastian Kurz etwa, dass man auf nichts verzichten müsse, wenn man nur auf Innovation und Technologie setze. Eine Aussage, die von Klimaforschern scharf kritisiert wurde.

Auch was das Thema Asylpolitik anbelangt, möchte die ÖVP von ihrem bisherigen Kurs nicht abweichen. Obwohl andere EU-Länder wie Deutschland und Frankreich momentan keine Abschiebungen nach Afghanistan durchführen und die Grünen (also der Koalitionspartner der ÖVP) darauf verwiesen, dass auch Österreich momentan aus logistischen wie auch rechtlichen Gründen keine Abschiebungen nach Afghanistan durchführen kann, vermittelt Nehammer weiterhin den Eindruck, dass man jeden Fall einzeln bewerten müsse.

Mit der derzeitigen Realität hat dies gewiss nichts zu tun. Aber dies zuzugeben, würde wohl die eigene Wählerschaft verärgern, weshalb man weiterhin auf verzerrte und vereinfachte Narrative setzt.