Organspende und der Sinn des Lebens

Untersuchung zur Todesfeststellung vor Organentnahme. Bild: Deutsche Stiftung Organtransplantation

Der niederländische Regisseur Godfried Beumers über die zweite Chance im Leben

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Gesundheit ist ein hohes Gut in unserem Leben. Zwar genießen viele Menschen eine höhere Lebenserwartung denn je, abhängig vom Land, Geschlecht (Für einen "Equal Age Day"), Wohlstand und auch der ethnischen Herkunft. Doch selbst wenn es immer mehr hochbetagte Alte gibt, scheint einem Menschenleben spätestens um das Lebensalter 115 herum ein endgültiges Ende gesetzt (Maximales Lebensalter von etwa 115 Jahren?). Das heißt, dass wir alle, unseren Wohlstand und wissenschaftlichen Fortschritt zum Trotz, höchstwahrscheinlich einmal sterben werden. Wie können wir damit umgehen?

Godfried Beumers (65) ist Theaterregisseur und Erzähler und wohnt im niederländischen Nijmegen (Nimwegen). Vor einigen Jahren stellte ihn eine schwere Lebererkrankung vor die Entscheidung: Mit Sicherheit sterben oder wahrscheinlich sterben, wenn sich schnell genug ein Spenderorgan findet? Heute hält er vor Schulklassen und für Erwachsene Seminare über Organspende. Im Gespräch zeigt sich, was auch jüngere und gesunde Menschen aus seinen Erfahrungen lernen können.

Herr Beumers, gerade erhielt ich Post vom niederländischen Institut für Volksgesundheit, ob ich mich als Organspender registrieren lasse. Wie soll ich reagieren?

Godfried Beumers: Das ist natürlich Ihre Entscheidung. Doch selbst wenn Sie sich registrieren lassen, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich so weit kommt, gerade einmal 0,01%.

Warum so niedrig?

Godfried Beumers: Ich wünsche Ihnen natürlich, dass Sie noch lange leben. Eine Organspende kann jedoch nur durchgeführt werden, wenn jemand auf der Intensivstation stirbt. Ansonsten dauert es zu lange und sind die Organe nicht mehr lebensfähig.

Hätte es in Ihrem Fall nicht eine bestimmte anonyme Spenderin gegeben, dann könnten wir jetzt aber nicht dieses Gespräch führen.

Godfried Beumers: Das stimmt. Und dafür war und bin ich sehr dankbar. Tatsächlich haben viele Patientinnen und Patienten ein großes Bedürfnis, ihre Dankbarkeit auszudrücken. Immerhin musste jemand sterben, damit wir leben können. Das erzeugt auch Schuldgefühle. Manche standen jahrelang auf der Warteliste.

Wie lässt sich dieser Dankbarkeit Form geben?

Godfried Beumers: Die Identität der Spenderin oder des Spenders wird natürlich geheim gehalten, sofern es keine direkte Spende etwa von einer Niere oder von Lebergewebe innerhalb einer Familie ist. Ich bekam nur das Geschlecht und das Alter mitgeteilt. Es gibt aber die Möglichkeit, den Hinterbliebenen über eine Vertrauensperson einen Brief zukommen zu lassen, der ebenfalls anonym sein muss. Oft haben Menschen diesen Wunsch, finden später aber nicht die passenden Worte. Die Hinterbliebenen werden aber erst gefragt, ob sie so einen Brief empfangen möchten.

Haben Sie sich so bedankt?

Godfried Beumers: Ich habe ein halbes Jahr später ein Buch über die fünf Wochen im Krankenhaus geschrieben, weil alles so schnell gegangen war; und ich schrieb tatsächlich auch einen Brief. Zwei Jahre später hörte ich, dass sich die Empfänger darüber sehr gefreut haben.

Vielleicht fassen Sie kurz zusammen, was damals passierte.

Godfried Beumers: Ich war im Endstadium so krank, dass ich mich für jeden Atemzug bedankte: Wieder einer geschafft. Die Krankheit kam überraschend und innerhalb weniger Monate.

Damals hatte ich einen großen Auftrag als künstlerischer Leiter einer multikulturellen Organisation. Wir arbeiteten an einem Projekt für die Stadt Nijmegen, in dem es um Zuwanderer ging. In der Geschichte der Stadt hat es schon immer viele Zuwanderer gegeben. In dem Jahr der Produktion drohte sogar ein Iraker, von der Walbrücke in den Tod zu springen, da er abgeschoben werden sollte. Wir hatten alle einen immensen Arbeitsdruck, da die öffentliche Förderung davon abhing, ob unser Projekt ein Erfolg würde.

Und in dieser Zeit starben Sie beinahe?

Godfried Beumers: Ja. Erst färbte sich meine Haut orange. Wir fragten uns am Anfang: Hatte ich zu viel in der Sonne gelegen? Dazu kamen unter anderem Körpergeruch, Stimmprobleme, große Müdigkeit und Reizbarkeit.

Wie lange dauerte es, bis Ärzte die Ursache fanden?

Godfried Beumers: Monate. Im Frühjahr des betreffenden Jahres dachten wir das erste Mal daran, einen zweiten Arzt einzuschalten. Schließlich wurden wir von Spezialist zu Spezialist geschickt, doch niemand sah das große Ganze. Erst im Juni stellte sich heraus, dass meine Leber nicht mehr gut funktionierte und das Eisen nicht mehr verarbeitete. Dadurch kam es zur Verfärbung meiner Haut.

Und danach ging alles sehr schnell?

Godfried Beumers: Im Oktober war ich kurz im Krankenhaus. Ich erinnere mich noch an einen Arzt, der zu mir sagte: Wenn ich Sie hier noch einmal beim Arbeiten erwische, dann stelle ich die Behandlung ein. Schließlich wurde klar, dass meine Leber wegen eines Gendefekts völlig kaputt war. Im Dezember sagte man mir, dass eine Transplatation meine einzige Chance wäre und setzte man mich auf die Warteliste.

Wie standen damals Ihre Chancen?

Godfried Beumers: Die Wartezeit für eine Spenderleber betrug durchschnittlich drei bis sechs Wochen. Die Ärzte gaben mir aber nur noch zehn Tage.

Dass es schneller ging, klingt fast wie ein Wunder.

Godfried Beumers: Ja. An einem Montag kam ich auf die Warteliste; einen Tag später konnte ich schon operiert werden.