Ostdeutsche sehnen sich nach einem autoritären Staat – wirklich?
Eine Studie bescheinigt den Ostdeutschen mangelndes Vertrauen in die Demokratie. Davon könnte primär die AfD profitieren. Welchen Schluss die Forscher nicht ziehen.
Ostdeutsche sind Nazis. Sie sind unzufrieden mit dem politischen System in Deutschland, mögen keine Ausländer, neigen zu Rassismus und Antisemitismus und sehnen sich nach einem starken Führer in Deutschland. Wer das bisher geglaubt hat, könnte sich durch eine neue Studie bestätigt fühlen.
Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig hat sie am Donnerstag vorgestellt. Die Forscher gingen der Frage nach, warum die Alternative für Deutschland (AfD) gerade in Ostdeutschland so viel Zuspruch erhält. Untersucht wurden die rechtsextremen Einstellungen der Menschen in den fünf "neuen Bundesländern".
Das Ergebnis: Rechtsextreme Einstellungen haben nicht zugenommen, sondern bewegen sich seit rund 20 Jahren auf einem konstant hohen Niveau. Dies sei eine ernste Herausforderung für die Demokratie in Deutschland.
Vor allem die hohe Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen trieb ihnen Sorgenfalten auf die Stirn. Extremistische und neonazistische Parteien hätten dort ein erhöhtes Potenzial, Wähler anzusprechen. Wie die Menschen wieder von freiheitlich-demokratischen Werten überzeugt werden können, ließen die Forscher offen.
Das sind die zentralen Studienergebnisse
Knapp 14 Prozent der Befragten sind davon überzeugt (hier im Folgenden immer nur die "manifeste Zustimmung), dass Deutschland einen Führer benötigt, der das Land zum Wohle aller mit starker Hand regiert. 8,6 Prozent gaben an, dass es im nationalen Interesse unter Umständen besser sei, eine Diktatur als eine Demokratie zu haben.
Sechs Prozent sind überzeugt, dass der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten hatte. Knapp elf Prozent sind überzeugt, dass die Juden immer noch zu viel Macht und Einfluss haben. Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, man solle wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.
Ausländer kämen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen – das sagen mehr als 41 Prozent. Dass man sie wieder abschieben müsse, wenn die Arbeitsplätze knapp werden, sagten knapp 30 Prozent.
Ein entspanntes Verhältnis haben die Ostdeutschen zur Demokratie. Mehr als 90 Prozent bekennen sich zu ihr. Auch das im Grundgesetz verankerte politische System halten drei von vier Befragten für gut. Mehr als die Hälfte ist allerdings überhaupt nicht begeistert davon, wie politische Entscheidungen in der Realität zustande kommen.
Sind Ostdeutsche anders? Und wenn ja, warum?
Über die Ursachen dieser Einstellungen schweigen sich die Forscher aus. Zwar verweisen sie auf die 1990er-Jahre als Indiz dafür, dass rechtsextremes Gedankengut schon damals in der Bevölkerung präsent war. Damals hatten NPD und DVU erheblichen Zulauf. Dies dürfte allerdings eine Folge der Schocktherapie gewesen sein, die die Bundesregierung ganz Ostdeutschland verordnete.
Einen Hinweis geben die Forscher dennoch. In der Studie heißt es:
Liegen ähnliche sozio-ökonomische Konstellationen in Westdeutschland vor, lassen sich entsprechende autoritäre Dynamiken auch in Westdeutschland beobachten.
Diese Spur verfolgen die Forscher allerdings nicht. Stattdessen wollen sie "spezifische Ursachen" für die Einstellungen in Ostdeutschland finden. Diese können sie jedoch nicht benennen, obwohl die erhobenen Daten eindeutig auf einen Zusammenhang zwischen sozialer Lage und rechten Einstellungen hinweisen.
Soziale Lage hat Einfluss auf politische Einstellung
In der Studie heißt es:
Wie auch in vergleichbaren Untersuchungen finden sich unter Arbeitslosen deutlich mehr Menschen, die extrem rechten Aussagen zustimmen.
Die Forscher schreiben weiter:
In allen Dimensionen stimmen diejenigen, die am unteren Ende der Einkommenspyramide stehen, rechtsextremen Aussagen am häufigsten zu. Je höher das Einkommen ist, desto weniger Zustimmung finden die Statements unseres Fragebogens in Ostdeutschland – mit Ausnahme der Dimension Sozialdarwinismus.
Knapp 60 Prozent der Befragten gaben an, weniger als 2.000 Euro im Monat zur Verfügung zu haben. Zwölf Prozent mussten sogar mit weniger als 1.000 Euro im Monat auskommen. Damit beantworteten vorwiegend Menschen den Fragebogen, die nach ihrem Einkommen zur ärmeren Hälfte der Bevölkerung in Deutschland zählen. Das Medianeinkommen liegt laut Studie bei 1.960 Euro im Monat.
Die Skepsis der Ostdeutschen gegenüber dem politischen System der Bundesrepublik hängt auch mit den Erfahrungen der politischen Wende 1989/90 zusammen. Die DDR-Bürger hatten sich damals Freiheit erhofft – was sie bekamen, stand laut Studie im Kontrast dazu.
Statt blühende Landschaften zu bekommen, erlebten die Ostdeutschen den Zusammenbruch der Wirtschaft und Massenarbeitslosigkeit. Dazu bekamen die "Ossis" "Wessis", die ihnen erklärten, was sie falsch machten, wie sie zu leben und zu denken hatten. Häufig übernahmen auch drittklassige westdeutsche Akademiker Lehrstühle an ostdeutschen Universitäten und belagern diese zum Teil bis heute.
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