PP-Chefin in Madrid erhielt Masterabschluss geschenkt
"Spain is different" lautete einst ein Werbespruch, um dem Land einen modernen Anstrich zu geben, dabei gilt das eher dafür, dass es ganz besondere korrupte Seilschaften, Nepotismus und Repression gibt
Zwei Wochen war die sonst so quirlige Präsidentin der großen spanischen Hauptstadtregion Madrid abgetaucht. Nein, Cristina Cifuentes, Chefin der spanischen Volkspartei (PP) in der Region Madrid, ist nicht geflüchtet, weil sie von der Justiz der neuen Katalanischen Republik wegen Rebellion, Aufruhr oder Veruntreuung gesucht würde wie katalanische Politiker durch Spanien. Cifuentes war bis heute Nachmittag abgetaucht, um keine Erklärungen dazu abgeben zu müssen, dass sie einen Master einer Universität ohne jede Teilnahme und Prüfung geschenkt bekommen haben soll.
Dieses Geschenk sei von der Universität gekommen, die nach dem von Diktator Franco benannten Nachfolger König Juan Carlos benannt ist. "PP-Universität" nennt Professor Manuel Villoria diese Hochschule, an der selbst lehrt und einer der wenigen ist, die dort überhaupt den Mund aufmachen. Er kann jedenfalls auch nicht verstehen, warum bisher weder die Uni noch Cifuentes ihre Master-Arbeit vorlegen konnte, die eigentlich "jeder in seinem Computer hat".
Die Lage hat sich für die Chefin der Postfaschisten gestern weiter extrem zugespitzt, noch bevor sie sie am Nachmittag im Regionalparlament endlich Rede und Antwort stehen musste. Nicht nur die Opposition, sondern auch die Unterstützer der rechten Ciudadanos (Bürger) halten sie inzwischen praktisch für untragbar. Damit steht die PP kurz davor, auch die wichtige Hauptstadtregion zu verlieren, die sie nur dank der angeblichen Anti-Korruptionspartei noch regieren kann.
Das Wasser ist praktisch schon vor der Sondersitzung des Parlaments über ihrem Kopf zusammengeschlagen. Das hält die Ultrakonservativen aber nicht davon ab, weiter an Cifuentes festzuhalten. So sprach Ministerpräsident Mariano Rajoy von einer "ziemlich unsinnigen Polemik", denn Rücktritt ist ein Fremdwort in seiner PP, auch wenn die Beweise erdrückend sind. Das wird die PP aber empfindlich weiter schwächen, die in der Wählergunst abstürzt. Bei den letzten Wahlen reichte es Rajoy nicht einmal mit den rechten Bürgern für eine Mehrheit. Er könnte jederzeit aus dem Amt gejagt werden, wenn das die Sozialdemokraten nur wollten.
Mit Cifuentes stürzt auch eine PP-Hoffnungsträgerin beim Versuch ab, die massiven Korruptionsaffären in der Hauptstadtregion als Sauberfrau zu übertünchen. Sie hat sich bei ihren verzweifelten und zaghaften Versuchen, sich von den Vorwürfen reinzuwaschen, in den letzten beiden Wochen immer tiefer in den Schlamm gewühlt. Mit jeder Bewegung ging es weiter abwärts.
Es war Eldiario.es , die den Skandal öffentlich gemacht hat, dass die Noten von Cifuentes plötzlich an der Universität Juan Carlos verändert worden waren. Denn Cifuentes hatte in ihrem Lebenslauf - bis heute führt sie dort den Titel - einen Master der Uni angeführt, den sie jedenfalls auf normalem Weg nie erworben hat. Die Nachforschungen der Zeitung hatten ergeben, dass sie real keinen Abschluss für das Studium bekommen hatte.
Aber wegen dieser Nachforschungen wurde im Computersystem der Uni aus keinem Abschluss plötzlich ein guter Abschluss, um den Lebenslauf der Postfaschistin korrekt zu machen. Dass die Veränderung von Amalia Calonge vorgenommen wurde, die zudem sämtliche Protokolle für solche Vorgänge übergangen hat und die nicht einmal der entsprechenden Fakultät angehört, ließ schon aufhorchen. Doch die Lage ist derweil geklärt worden, denn es handelt sich um eine alte Freundin der Regionalpräsidentin, auch wenn das zunächst geleugnet worden war.
Allerdings ist der Vorgang nicht mit einem Freundschaftsdienst abzutun, denn die Universität wies die Vorgänge zunächst zurück. Sie leitete zaghafte Untersuchungen erst ein, als die Hinweise erdrückend wurden. Und als Cifuentes angeblich entlastende Dokumente der Uni vorzeigte, analysierte Eldiario sie mit der Lupe. Die Zeitung stellte fest, dass eine angebliche erneute Immatrikulation für das Masterstudium sogar Monate nach der Einschreibefrist geschehen sein soll.
Gefälschte Unterschriften
Auch dieses Dokument hatte Cifuentes nicht vorgelegt, sondern nur kurz vor eine Kamera gehalten. Noch besser ist aber das Dokument, mit dem sie ihre angeblichen Abschlussnoten belegen wollte. Es zeigt nicht die erforderlichen Stempel und die angebliche Prüfungskommission entspricht nicht den Normen. Das Beste ist aber, dass es mindestens zwei gefälschte Unterschriften aufweist, wie gestern bekannt wurde. Das Dokument sei auch erst an dem Tag "improvisiert erstellt" worden, als Eldiario.es den ersten Bericht veröffentlichte. So erklärt sich, warum eine der Professorinnen, die angeblich der Verteidigung der Abschlussarbeit beigewohnt haben soll, sich um eine Bestätigung gedrückt hat, der Prüfung beigewohnt zu haben.
Man könnte mit irregulären Vorgängen und Verstrickungen bis zum Erbrechen fortfahren und aufzählen, dass auch der angebliche Tutor von Cifuentes einen hochstehenden Posten unter Rajoy inne hatte und so weiter und so fort. Klar ist aber längst, dass Cifuentes nicht an der Uni studiert hat, es keine Masterarbeit gibt, die sie hätte verteidigen können.
Deshalb haben ihre "Kommilitonen" sie auch nie in der Uni gesehen, obwohl eine Anwesenheitspflicht von mindesten 80% besteht. Nicht einmal bei den "schriftlichen Prüfungen" sei sie an der Uni aufgetaucht, bestätigen die, die sich ihre Noten mit harter Arbeit erkämpfen mussten.
Besonders toll an dem gesamten Pfusch, mit dem Cifuentes gerettet werden soll, ist, dass die Regionalchefin angeblich ihre unauffindbare Masterarbeit am 2. Juli 2012 um 15 Uhr 45 verteidigt haben will. Dabei hat sie gleichzeitig an diesem Tag einen komplizierten Polizeieinsatz geleitet. Eine Million Menschen haben an diesem Tag in der Hauptstadt gefeiert, dass Spanien erneut Fußball-Europameister wurde. Dazu kommt, dass einer der angeblichen Prüfer zu der Uhrzeit nicht einmal in Madrid war.
Während man in Deutschland oder Ländern üblicherweise schon bei Plagiaten den Hut nehmen muss, hält die Regionalchefin der PP weiter an ihrem Stuhl fest, wie sie im Parlament deutlich gezeigt hat. Rajoy ist nicht einmal angesichts dieser Farce in der Lage, ein Machtwort zu sprechen, um in seiner PP zu retten, was noch zu retten ist. Eines wird bei diesen Vorgängen aber eindeutig klar: "Spain is different."