Paketzustellung künftig nicht mehr bis zur Haustür?
Der Onlinehandel boomt und der Wettbewerb zwischen den Zustellern treibt weitere Blüten
Die Vorweihnachtszeit gilt traditionell als Großkampfzeit im Einzelhandel. Was sich früher vorwiegend in den Innenstädten abspielte, hat sich inzwischen zumindest teilweise in den Online-Handel verlagert. Und da kommt es dann jedes Jahr zu Engpässen. Stellen sich die Zusteller auf die zusätzliche Paketmenge ein, dann wird in der Vorweihnachtszeit der gesamte Bestand an Leihtransportern weggebucht und wer im Dezember einen Umzug beabsichtigt, hat Pech gehabt.
In diesem Jahr nutzt die Branche die Gelegenheit, die Verbraucher auf ein Ende des bequemen Online-Shoppings in den eigenen vier Wänden einzuschwören. Heute bestellt und morgen geliefert funktioniert außerhalb der Ballungszentren schon länger nicht mehr - und künftig sollen die Besteller ihre Sendungen auch wieder an einer zentralen Stelle selbst abholen, denn die Anlieferung an der Wohnungstür des Bestellers wird den Paketdiensten zu teuer.
Kunden sollen die Pakete künftig selbst abholen
Der Preiskampf zwischen den Zustellern hat inzwischen dazu geführt, dass große Versender nicht mehr die üblichen Versandpreise bezahlen, sondern sich über massive Rabatte freuen können. Das lässt sich beim zentralen Abholen der Sendungen in den Versandzentren durch Bündelungen und Rationalisierungen durchaus begründen. Dann wird halt ein größerer LKW für die Abholung im Versandzentrum eingesetzt. Die Sortierung in den Verteilzentren ist inzwischen weitgehend automatisiert.
Da hält sich der Mehraufwand für zusätzliche Sendungen durchaus in Grenzen. Bei der Feinverteilung am Zielort bleibt der Aufwand jedoch gleich, unabhängig davon wie viele Pakete der Versender insgesamt aufgegeben hat. Die bisherigen Versuche, die Kosten der letzten Meile zu senken, haben sich zumeist auf dem Rücken der Zusteller abgespielt. Da wurden die eigenen Beschäftigten entlassen und die Zustellung auf Subunternehmen verlagert, die dann die Arbeit an Sub-Subunternehmer ausgelagert haben, für die der gesetzliche Mindestlohn nicht gilt.
Bei der Zustellung bis an die Haustür gibt es kein Einsparpotenzial mehr
Zur weiteren Beschleunigung bei der Zustellung beim Kunden hat man in den vergangenen Jahren eine Paketbox einzuführen versucht. In die Paketbox, die ursprünglich von DHL vorgestellt worden war, kann der Zusteller liefern, unabhängig davon, ob der Empfänger zuhause ist oder nicht. Obwohl es inzwischen mit dem Parcellock-System Paketboxen gibt, die auch anderen Zustellern zur Verfügung stehen und für die zur Bedienung notwendigen App eine DIN-Norm entwickelt wird, hat sich die Paketbox, welche es von mehreren Herstellern nicht nur für den Einsatz in Einfamilienhäusern sondern auch für Mehrfamilienhäuser gibt, in der Praxis bislang nicht durchgesetzt.
Das von Amazon in den USA vorgestellte System Amazon Key stößt in Deutschland auf so große Ablehnung, dass es zumindest in der vorgestellten Form in Deutschland ebenso wenig realisiert wird, wie die Idee, Pakete im Kofferraum von PKWs abzulegen. Schließlich kann der PKW die Annahme des Pakets nicht quittieren und die KFZ-Versicherungen wollen das Risiko, das sich für die Fahrzeuge aus einem Zugriffsrecht für Dritte ergibt, auch nicht übernehmen.
Auch der Vorschlag des Deutsche-Post/DHL-Gruppe- Vorstandsvorsitzenden Frank Appel, "es wäre ein guter Schritt, wenn eine Stadt per Ausschreibung einen Anbieter bestimmt, der tatsächlich die ganze Stadt bedient", ist sehr schnell wieder in der Versenkung verschwunden.
Und nun also der Vorschlag, dass die Zustellung nach Hause 50 Cent extra kosten soll und als Alternative die Abholung bei einem zentral gelegenen Paketshop erfolgen kann, der Besteller somit die teure letzte Meile selbst übernehmen soll. Das Problem dabei ist jedoch die Tatsache, dass nicht alle Paketzusteller über entsprechende Shops verfügen, welche auch für die Lagerung der Pakete über ausreichend Stauraum verfügen.
Daher geht man jetzt die Kommunen an, dass diese entsprechende Räume in zentraler Lage zur Verfügung stellen sollen, die dann von allen Paketdiensten gemeinsam genutzt werden könnten. Da werden sich die Kommunen sicher freuen, wenn sie dann auch die Paketausgabe für die unterschiedlichen Paketdienste organisieren dürfen.
Der einzige Vorteil, den die Allgemeinheit von einer solchen Lösung hätte, wäre die Tatsache, dass dann die in dritter Reihe parkenden Sprinter von DHL, UPS, DPD und Hermes die Straßen nicht mehr blockierten. Dafür verstopften dann alternativ die SUVs der Empfänger die Straße, in welcher der Paketshop liegt.
Kunden sollen für die Zustellung bis an die Haustüre extra bezahlen
Die Idee, dass Kunden für die gewohnte Zustellung bis an die Haustüre künftig 50 Cent extra bezahlen müssen, wird in erster Linie die kleineren Versender treffen. Bei den großen Händlern wird der geplante Aufschlag spätestens bei den nächsten Preisverhandlungen mit den Paketdiensten wieder untergehen. Der Vorschlag, die 50 Cent bei der Auslieferung in bar zu kassieren, würde die Auslieferung wohl um mehr als 50 Cents verteuern und könnte letztlich nur dazu zu dienen, die Kunden vom gewohnten Service zu entwöhnen.
Und wenn der Kunde dann nicht mehr von einem namentlich bekannten Paketdienst beliefert wird, sondern sein Paket in einer zentralen Verteilstelle am Ort abholen muss, lässt sich auch der Pakettransport an die Verteilstellen für mehrere Paketdienste zusammenfassen. Wenn es dann nur noch einen Dienstleister gibt, ist nicht nur das Rationalisierungspotenzial weitestgehend ausgereizt, sondern auch der Zustand vor der Liberalisierung der Paketzustellung wieder erreicht.