Papst vs. Bannon

Seite 2: Kirchenkampf und politische Polarisierung

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Auch nördlich der Alpen gingen die Vertreter der klerikalen Rechten in die öffentliche Offensive gegen den Papst. Gegenüber dem CSU-nahen "Schwarzfunk", dem bayerischen Politmagazin "Monitor", beschwerte sich der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, bitterlich über die Personalpolitik und den Reformeifer des Papstes. Der ehemalige Chef der Nachfolgeorganisation der Heiligen Inquisition beklagte bei Franziskus "gewisse Vorurteile gegen die Kurie", die mit dem "Herkunftsland" des Papstes in Zusammenhang stehen könnten. Einer der Vorgänger Müllers im Amt des Kardinalpräfekten der Glaubenskongregation war Joseph Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. Müllers Nachfolger, Luis Kardinal Ladaria, gehört hingegen der Societas Jesu an.

Der eskalierende Kirchenkampf zwischen reaktionären und fortschrittlichen, genuin antikapitalistischen Kräften in der Kirche ist Teil der allgemeinen, krisenbedingten Polarisierung in den spätkapitalistischen Gesellschaften, wie es etwa beim letzten Katholikentag offensichtlich wurde, als Auftritte von AfD-Politikern zu Protesten und Demonstrationen führten. Den erzreaktionären Thinktanks, die vom ehemaligen Berater des rechtspopulistischen US-Präsidenten geleitet werden, steht etwa die Seligsprechung des Salvadorianers Oscar Romero gegenüber, der von einer massenmörderischen, US-gestützten Militärjunta 1980 umgebracht wurde, weil er sich in der Tradition der Befreiungstheologie gegen die brutale Ausbeutung und Unterdrückung in dem mittelamerikanischen Land engagierte

Insbesondere die Societas Jesu, der auch der derzeitige Papst angehört, weist eine lange, bis in die Reduktionen der frühen Neuzeit zurückreichende Geschichte des sozialen Engagements auf, bei dem im Rahmen von Missionstätigkeiten dezidiert nichtkapitalistische Formen gesellschaftlicher Reproduktion geschaffen wurden. Bei den jesuitischen Reduktionen, die im Lateinamerika des 17. und 18. errichtet wurden, handelte es sich de facto um - von Jesuiten paternalistisch geführte - Indianerstaaten auf dem Gebiet des heutigen Paraguay, Uruguay und Brasilien, in denen Privateigentum an Produktionsmitteln und Geld verboten waren. Das ökonomisch ungemein erfolgreiche Sozialexperiment, in dem bis zu 100.000 Indios organisiert waren, wurde von den Kolonialmächten Spanien und Portugal in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Blut ertränkt.

Die Auseinandersetzung zwischen einer reaktionären, mit der Macht und dem Bestehenden kollabierenden Kirche, und einer progressiven Strömung innerhalb der Gläubigen ist auch für progressive Atheisten nicht ohne Belang - vor allem angesichts der rasch voranschreitenden Faschisierung der spätkapitalistischen Gesellschaften und der damit einhergehenden Notwendigkeit des Aufbaus breiter, antifaschistisch-demokratischer Bündnisse. Es handelt sich nicht um einen bloßen Kampf um die Auslegung religiöser, archaisch anmutender Dogmen, sondern um einen Moment der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die angesichts der eskalierenden Systemkrise an Schärfe gewinnen - und die faschistische Gefahr aufkommen lassen.

Während Bannon in rechtskatholischen Denkfabriken gegen den Papst agitiert, spricht sich dieser beispielsweise bei seiner jüngsten Visite im Baltikum gegen Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus aus - also genau dort, wo alljährlich Märsche von Veteranen der Waffen-SS organisiert werden, die als Anziehungspunkt für alte und neue Nazis dienen.

Und es war auch Thomas Sternberg, der jeglicher linksradikalen Umtriebe unverdächtige Präsident des Zentralrates der Katholiken in Deutschland, der einen klaren, unmissverständlichen Aufruf zum Widerstand gegen die in den Faschismus abdriftende AfD veröffentlichte, indem er deren "Parallelen zu Nationalsozialismus" offen benannte:

Ich rufe zum übergreifenden Widerstand aller freiheitlich-demokratischen Kräfte auf. Es muss unmissverständlich deutlich werden: So etwas geht in diesem Land nicht, so etwas wählen wir nicht, so etwas wollen wir nicht.

Thomas Sternberg

Im Endeffekt ist dies ein Aufruf zur Bildung einer breiten antifaschistischen Front, der eigentlich von progressiven, linken Kräften ausgehen müsste - um wenigstens noch das zivilisatorische Minimum angesichts der drohenden Barbarei zu verteidigen.