Peak Oil reloaded: Der Hype ums Fracking bekommt Risse

Seite 2: Neue Töne von Leonardo Maugeri, dem Evangelist der neuen "Ölrevolution"

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Die starken Förderrückgänge der einzelnen nach dem Fracking-Prinzip entölten Bohrungen haben jetzt selbst dem Ausrufer der neuen "Ölrevolution" Leonardo Maugeri (Freunde und Wegbereiter: Leonardo Maugeri und BP) zum Nachdenken gebracht.

In "The National Interest" schreibt der ehemalige Ölkonzernchef, dass "die Shale-Revolution nicht so simpel" sei. Weil die Bohrungen binnen 12 Monaten 50% ihres Anfangsoutputs verlören, müssten die Ölgesellschaften eine sich ständig steigernde Zahl an Bohrungen vornehmen. Exponentiell müsse die Zahl der Bohrungen wachsen, was laut Maugeri angesichts der riesigen und dünnbesiedelten Landschaften in Nord-Dakota und Texas kein Problem darstelle, so dass die sich beschleunigende Bohrintensität zu mehr als 100.000 Bohrungen führen könne. Übertragbar auf den Rest der Welt sei diese Entwicklung laut Maugeri aber schon deshalb nicht, weil die USA 60% der weltweiten Bohranlagen auf sich vereint - also außerhalb der USA gar nicht die Kapazitäten vorhanden wären, ähnlich intensiv vorzugehen.

In den USA wurden laut Maugerie in 2012 45.468 Bohrungen gesetzt, im Rest der Welt (Kanada ausgenommen) zusammen nur 3.921. Zudem seien die Protagonisten des US-Fracking-Booms kleine, aggressive Firmen, die außerhalb der USA so kaum zu finden seien. Das Landeigentum sei überdies in den USA primär privat, während im der Rest der Welt die jeweiligen Staaten über die Rohstoffförderung mitreden wollen.

Von den in den Medien oft suggerierten Annahme, die USA könnten zum Selbstversorger mit Öl werden, rückt der Fracking-Papst ab: Maximal 75% Selbstversorgungsgrad seien erreichbar, weshalb die USA nicht nur an die Eigenversorgung mit Öl denken sollten, sondern zunehmend auch an Effizienzmaßnahmen, um mit dem geförderten Öl sorgsamer umzugehen. In seiner Studie zur neuen Öl-Revolution standen andere Themen im Vordergrund, insofern kommen diese neuen Aussagen eher einer Revolution gleich: Der Evangelist der Fracking-Technologien empfiehlt den US-Amerikanern effizienteren Umgang mit Öl. Das lässt aufhorchen!

Allerdings reicht Maugeris Weitblick, was die Rekorde der US-Ölförderung betrifft, nur bis ins Jahr 2017. Bis dahin soll Fracking das Land (wieder) zum weltgrößten Ölförderer gemacht haben. Ob die dafür notwendigen Bohr-Geschwindigkeiten tatsächlich exponentiell wachsend fortführbar sind und wie die Entwicklung nach 2017 aussieht, bleibt eine offene Frage. Die hohen Decline-Raten der Technologie könnten bedeuten, dass nach Überschreiten eines lokalen Ölfördermaximums der Absturz umso heftiger ausfällt.

Die größte Gefahr für die Ölversorgung sieht Maugeri jedoch in der politischen Instabilität im arabischen Raum. Davon blieben auch die USA abhängig, wie weit auch immer der Versuch der "Ölunabhängigkeit" getrieben wird: "Im Gegenteil: Wenn eine politische Krise die Ölproduktion in Saudi Arabien oder einem anderen großen Ölproduzenten kurzfristig gefährden würde, würde der Ölpreis sprunghaft ansteigen, egal wie viel Öl Amerika produzieren kann." Die Außenpolitik sollten die USA entsprechend ausrichten.

Mit dem Verweis auf die zunehmend instabile Lage im arabischen Raum begründete der Chef der österreichischen Ölgesellschaft OMV Gerhard Roiss kürzlich übrigens die größte Akquisition in der Industriegeschichte Österreichs. OMV beteiligt sich für 2 Milliarden Euro an Statoil-Ölfeldern in der Nordsee, weil dort die politische Lage stabil sei.

Landkäufe und Guarkernmeh

l Dass der Fracking-Boom sich dämpft und Maugeris hochfliegende Exponential-Träume noch vor 2017 platzen könnten, lässt sich auch anhand der Landkäufe in den Fracking-Gebieten ablesen. Laut Bloomberg gaben die Öl- und Gasfirmen in der ersten Jahreshälfte 2013 nur noch die Hälfte jener Summen für Landkäufe aus, wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

"Die großen Flächen-Käufe liegen hinter uns", sagt Peter Voser von Shell. Die Firma nahm Wertberichtigungen auf ihre Nordamerika-Investments in Milliardenhöhe vor und erwartet, dass die bestehenden Investments sich im kommenden Jahr rechnen. Fracking ist teuer, exponentiell beschleunigte Bohraktivitäten erfordern exponentiell steigenden Kapitalbedarf, der umso schmerzhafter auf die Bilanzen drückt, je öfter erhoffte Förderergebnisse ausbleiben. Da die besten Plätze ("sweet spots") im Fracking-Geschäft zuerst ausgebeutet wurden, bleiben für die Zukunft nur Reservoirs mit geringerem Output, ohne dass die Förderkosten sinken.

Sinkende Ölpreise könnten deshalb den Fracking-Boom schnell beenden, was zeigt: Der Ölpreis darf eine Mindestgrenze nicht unterschreiten, ohne dass spürbare Knappheit entsteht, die die Preise wieder heben würde. Maugeri sieht diese Grenze bei 80 US$ kurz- und bei 65 US$ langfristig, woher auch immer er diesen Zukunftsoptimismus nimmt. (siehe auch: Warum der Benzinpreis nicht sinken darf). Heute liegt der Ölpreis in Nordamerika bei 100 US$ und der Boom verlangsamt sich trotzdem. Die Preisexplosion für Guarkernmehl, welches als Verdickungsmittel in den Frac-Flüssigkeiten eingesetzt wird, hat 2013 bereits einen starken Dämpfer erhalten. Offiziell, weil die Fracking-Industrie Alternativstoffe einsetzt. Denkbar ist aber auch: Der Hype klingt ab und mit ihm der Bedarf nach Guarkernmehl (E412). Das Erreichen des globalen Ölfördermaximums, Peak Oil, rückt näher.