Pentagon führte demonstrativ Atomkriegssimulation durch
Das Szenario passt zur neuen Nuklearen Doktrin eines "begrenzten" Einsatzes mit Mini-Nukes: Russischer Angriff mit einer taktischen Atomwaffe auf ein Nato-Ziel wird von den USA mit einer ebensolchen beantwortet
Die USA rüsten mit ihrem gigantischen Militärbudget (Militärisch bleiben die USA mit weitem Abstand Supermacht ) nicht nur die nuklearen Streitkräfte auf und statten sie mit neuen Atombomben aus, das Pentagon unter Präsident Donald Trump hat auch die Doktrin der strikten Abschreckung verlassen und setzt auf einen "flexiblen" Einsatz. Ein U-Boot wurde bereits mit den ersten neuen taktischen Mini-Atombomben W76-2 ausgerüstet. Sie sollen nach der Nuklearen Doktrin einen Einsatz von Atomwaffen ermöglichen, der unterhalb der Schwelle eines Atomkriegs bleibt. Explizit geht es in dem öffentlichen Teil des Nuclear Posture Review (NPR 2018) auch um die Abschreckung von "nicht-nuklearer Aggression", also um den Einsatz von Atomwaffen, ohne mit Atomwaffen angegriffen worden zu sein, das Grundprinzip des Gleichgewichts des Schreckens.
Wie vor kurzem zu erfahren war, haben sich die US-Streitkräfte auf einen möglichen Atomkrieg mit solchen Mini-Nukes vorbereitet. War Games dieser Art sind natürlich gewohnte Praxis, um sie auf den Ernstfall vorzubereiten und neue Strategien zu testen. Angesichts des längst wieder ausgebrochenen nuklearen Wettrüstens und der realistischen Möglichkeit, dass die USA nach Beendigung des INF-Abkommens zur Begrenzung landgestützter Mittelstreckenraketen auch das New-START-Abkommen aufkündigen werden, das die Zahl der Atomsprengköpfe auf Trägersystemen und die der Langstreckenraketen reduzieren sollte, steht eine solche Übung im Hauptquartier des Strategischen Kommandos angesichts der eskalierenden Konflikte vor allem zwischen den USA, Russland und China in einem bedrohlichen Kontext.
Davor waren demonstrativ Tests des strategischen Arsenals mit Bombern des Typs B-52H Stratofortress, Interkontinentalraketen und dem Abschuss einer unbewaffneten Trident-Rakete von einem U-Boot ausgeführt worden. Damit sollte auch die Einsatzbereitschaft der neuen Command and Control Facility (C2F) bestätigt werden.
Zumal normalerweise der Verteidigungsminister nicht an solchen War Games teilnimmt, was aber dieses Mal der Fall war, da Mark Esper bei der "Mini-Übung" mitmachte - und das Pentagon, anders als sonst, dies auch kundgab. Man wollte also auf die Übung aufmerksam machen. Esper habe einen Eindruck gewonnen, wie eine begrenzte Nuklearkriegsführung vonstattengeht. Vor allem dürfte es aber darum gegangen sein, für die Notwendigkeit der Ausgaben im vorgelegten Pentagon-Haushalt für 2021 zu werden, der vom Kongress verabschiedet wird.
Interessant ist die Ausgangslage der Simulation. Russland - natürlich, wer sonst? - hat in Europa mit eben einer taktischen Atomwaffe mit geringer Sprengkraft irgendein Nato-Ziel angegriffen. In der Übung ging es dann darum, so berichtet das National Defense Magazine, wie die USA in dem Fall dann doch mit einer Atomwaffe in einer "begrenzten" Reaktion zurückschlagen. Einzelheiten der Simulation wurden nicht bekannt, ein Pentagon-Mitarbeiter sagte gegenüber Journalisten: "Die andere Seite rüstet ihre Atomwaffen auf und modernisiert ihr Arsenal, daher ist (die Modernisierung der US-Atomwaffen) nur eine vernünftige Reaktion."
Für die Aufrechterhaltung und die Modernisierung der Atomwaffen und der Trägersysteme (Raketen, U-Boote, Flugzeuge, landgestützte Abschusssysteme und neue Long Range Stand Off Weapons, die von Flugzeugen abgefeuert werden und die AGM-86 ersetzen sollen, sind im Haushaltsentwurf für das Pentagon für 2021 44 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Esper wurde während der Simulation offenbar über mögliche Risiken informiert, die beim Übergang von alten Raketen, Bombern und U-Booten auf neue entstehen können. Sichergestellt werden müsse, dass die neuen Systeme einsatzbereit sein müssen, bevor die alten nicht mehr zu verwenden sind.
Nach Schätzungen wird die Modernisierung des Atomwaffenarsenals mit den Trägersystemen um die eine Billion US-Dollar und mehr kosten. Aber das sei erschwinglich, sagte ein Pentagonmitarbeiter, da dies Ausgaben über 30 Jahre hinweg seien. Jetzt würden nur "4 Prozent des Militärhaushalts" in das Atomwaffenarsenal geht, das steige Ende des Jahrzehnts für 10 Jahre auf 6,4 Prozent und würde dann noch einen Anteil von 3 Prozent haben.
Deutschland und die nukleare Abrüstung
Die kürzlich verabschiedete Erklärung der Stockholm-Initiative zur Verstärkung des Atomwaffensperrvertrags und zur nuklearen Abrüstung, die von den Außenministern Argentiniens, Deutschlands, Finnlands, Indonesiens, Japans, Jordaniens, Kanadas, Kasachstans, der Republik Korea, Neuseelands, der Niederlande, Norwegens, Schwedens, der Schweiz und Spaniens unterstützt wird, geht von dieser Situation aus: "Die Rüstungskontrollarchitektur, die der internationalen Sicherheit gute Dienste geleistet hat und weiterhin leisten muss, bricht auseinander, Beziehungen zwischen Staaten sind von immer größeren Spannungen geprägt, und neue und in der Entstehung begriffene Waffentechnologien bergen Gefahren." Formuliert werden zahlreiche Ziele als "Bausteine", die aber kaum als realistisch zu betrachten sind.
Deutschland und die Niederlande hätten zudem die Möglichkeit, selbst zur Abrüstung beizutragen und die nukleare Teilhabe zu beenden. Interessant für die vorwiegend propagandistische Stockholm Initiative ist auch, dass fast alle EU- und alle Nato-Staaten den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen nicht unterzeichnet haben ("So lange es Atomwaffen gibt, wird die Nato ein nukleares Bündnis sein"). Von der Stockholm Initiative hat den Verbotsvertrag nur Neuseeland und Indonesien unterzeichnet, von den EU-Staaten Österreich und Irland sowie der Vatikan, Liechtenstein und San Marino. Ratifiziert haben ihn nur zwei Staaten und der Vatikan. Ein besonderer Wille zur nuklearen Abrüstung ist nicht vorhanden. In Deutschland gibt es hingegen Bestrebungen, mit in die französische "Force de Frappe" einzusteigen oder gar selbst Atomwaffen anzuschaffen (Atommacht auf Umwegen?)
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