Pentagon will US-Truppen in Osteuropa permanent stationieren
Die Ausgaben für die militärische Präsenz in Europa gegen die "russische Aggression" sollen um mehr als das Vierfache steigen
Das Pentagon will nicht sparen. Der Haushaltsentwurf für 2017 sieht mit Gesamtausgaben von 582,7 Milliarden US-Dollar 2,4 Milliarden mehr als 2016 vor. Unter Präsident Obama sind die Verteidigungsausgaben 2010 auf den Rekordstand von 691 Milliarden gestiegen. Bush fing mit 316 Milliarden an, dann wuchsen die Ausgaben aufgrund der Kriege bis 2008 auf 665 Milliarden an, davon 187 Milliarden für die Auslandseinsätze (Overseas Contingeny Operations - OCO). Noch freilich ist nichts im Kongress entschieden. Im Präsidentschaftswahlkampfjahr wird sich das noch hinziehen, wobei an Ausgaben für Sicherheit vermutlich nicht gespart werden dürfte.
Die Ausgaben für OCO liegen nun, fast unverändert zu 2016, bei 58,8 Milliarden. Damit werden nicht nur die Einsätze in Afghanistan (Operation Freedom's Sentinel) und im Irak und in Syrien (Operation Inherent Resolve) abgedeckt, sondern auch, wie es im Entwurf heißt, "die wachsenden Bemühungen, die europäischen Alliierten zu stärken und Aggression abzuwehren". Mit Aggression ist natürlich die viel von der US-Regierung und der Nato beschworene "russische Aggression" gemeint. Aber als militärischer Hauptgegner gilt neben Russland auch China, während für das Pentagon eine "mögliche regionale Aggression" von Iran und Nordkorea ausgeht.
Für Afghanistan ist mit 41,7 Milliarden US-Dollar der größte Posten und nur geringfügig weniger als 2016 vorgesehen. Für die Kriegsführung im Irak und in Syrien sind es 7,5 Milliarden, darunter 300 Millionen für Ausbildung und Ausrüstung syrischer Kämpfer (Syria Train and Equip Fund - STEF), 2,5 Milliarden mehr als 2016. Am stärksten sollen die Ausgaben für die so genannte European Reassurance Initiative (ERI) wachsen, mit der Russland eingedämmt werden soll - um "aggressive Akteure in der Region abzuschrecken" und die "militärische Präsenz in Osteuropa zu erweitern". 2017 sind mit 3,4 Milliarden US-Dollar mehr als die vierfachen Ausgaben wie 2016 vorgesehen. Damit soll neben der erhöhten Präsenz in Osteuropa die militärische Bereitschaft der Alliierten und Partner in der Region gestärkt und "Maßnahmen zum schnellen gemeinsamen Vorgehen gegen alle Bedrohungen durch aggressive Akteure in der Region" geschaffen werden.
Erstmals seit dem Kalten Krieg werden damit wieder Soldaten, Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge dauerhaft an der Ostgrenze der EU zur Abwehr der "russischen Aggression" stationiert. Von der anderen Seite wird das als Nato-Aggression gesehen. Die U.S. Army Europe wird ab Frühjahr 2017, wenn der Haushaltsplan in Kraft tritt, bis 2017 permanent drei Kampf-Brigaden mit moderner Ausrüstung in Europa stationieren. Jedes Jahr soll eine Brigade mit ihrer Ausrüstung ausgetauscht und in den Ländern Litauen, Estland, Lettland, Polen, Rumänien und Bulgarien verteilt werden, so dass dort an der russischen Grenze immer amerikanische Soldaten präsent sind. Zu einer Brigade gehören 4.413 Soldaten. Zudem wird Ausrüstung fest in Europa stationiert. Neu hinzukommen 250 Panzer, Bradley-Schützenpanzer und Paladin-Panzerhaubitzen sowie weitere 1700 Fahrzeuge und Lastwagen.
Nach General Philip Breedlove, dem EUCOM-Kommandeur, wird damit die Präsenz der US-Armee und der modernsten Kampfausrüstung in Europa verstärkt. Die Rotationen der Truppen sollen auch die Fähigkeiten demonstrieren, "schnell Ausrüstung und Truppen nach Europa zu verlegen". Verstärkt werden auch Luftwaffe, Marine, Marines und Aufklärung sowie Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance (ISR). Um die 62.000 Pentagonmitarbeiter befinden sich bereits - oder immer noch -permanent in Europa. Die neuen Truppen sollen vor allem im Osten stationiert werden, aber auch in andere Nato-Länder für Übungen und Trainings kommen. Die ältere Ausrüstung, die zuvor in Osteuropa gelagert werden sollte, will man nun in Deutschland, Belgien und den Niederlanden verteilen.
Aus der Sicht Russlands verletzt die permanente Stationierung amerikanischer Truppen an der russischen Grenze die Nato-Russland-Grundakte. Dort heißt es allerdings nicht verbindlich, "dass das Bündnis in dem gegenwärtigen und vorhersehbaren Sicherheitsumfeld seine kollektive Verteidigung und andere Aufgaben eher dadurch wahrnimmt, dass es die erforderliche Interoperabilität, Integration und Fähigkeit zur Verstärkung gewährleistet, als dass es zusätzlich substantielle Kampftruppen dauerhaft stationiert". Was "substantiell" bedeutet, wurde nicht definiert, weswegen die US-Regierung behaupten kann, die Verlegung der Truppen an die russischen Grenzen in Osteuropa halte sich mit der Größe im Rahmen der Vereinbarung.
Die jetzt bekannt gewordenen Pläne sollen vermutlich auch auf die Nato-Partner einwirken, um auf dem Nato-Gipfel in Polen Zusagen zu einer Verstärkung des Militärs und einer Erhöhung der Einsatzbereitschaft zu erhalten. Nicht zuletzt geht es bei ERI auch darum, die Rüstungsexporte nach Europa anzukurbeln, wenn die Verteidigungshaushalte, wie zugesagt, erhöht werden und die Ausrüstung modernisiert wird. US-Verteidigungsminister Carter lobte bei einem Besuch in Estland gerade seinen estnischen Kollegen Hanson, weil Estland fast das einzige Land ist, das die von der Nato vorgegebene Höhe der Rüstungsausgaben von jährlich mindestens 2 Prozent des BIP kontinuierlich erfüllt.