Persilschein für Blackwater?
Darf die irakische Regierung einer amerikanischen Firma, die eines Verbrechens beschuldigt wird, die Arbeitserlaubnis entziehen?
Die Sache wird ernst genommen: Die amerikanische Außenministerin sprach dem irakischen Ministerpräsidenten, den sie gestern eigens angerufen hatte, ihr Mitgefühl aus. Immerhin kamen bei dem Vorfall, einer "wilden Schießerei" im Bagdader Viertel Al-Mansur, 8 Iraker ums Leben; 13 wurden verletzt. Zu vermuten steht, dass die Opfer unschuldige Passanten waren, so zumindest äußern sich Vertreter des irakischen Staates. Sie sprechen, wie Premier Maliki, unverhohlen von einem "Verbrechen".
Zwar sind solche grauenhaften Vorkommnisse, bei denen Zivilisten blindwütig auf der Strasse erschossen werden, im irakischen Chaos gewiss nicht selten, aber der Vorfall vom vergangenen Montag hat ein besonderes Moment: Die Schützen, die auf einen Angriff mit ungezielten Salven reagierten, waren diesmal keine amerikanischen Soldaten, sondern Angestellte der privaten Sicherheitsfirma Blackwater. Quod licet Jovi, non licet Bovi - das irakische Innenministerium reagierte empört und probt jetzt den Aufstand: Blackwater wurde die Lizenz entzogen, nach manchen Quellen droht gar die Ausweisung der Firma. Der amerikanischen Regierung würde das nicht gefallen.
Die eingangs erwähnte Entschuldigung von Condoleeza Rice sei notwendig gewesen, um das Gesicht beider Seiten zu wahren, schreibt der Guardian heute. Denn "Blackwater" ist ein heikles Thema
Die USA benötigen die Dienste der Sicherheitsfirma. Und sie sind durch Verträge Blackwater verpflichtet. Dass die Firma via Halliburton über gute Verbindungen zu Vize-Präsident Dick Cheney verfügte, dürfte ihr bei der Vergabe der zig Millionen Dollar schweren Verträge nicht geschadet haben. Die 1000 Blackwater-Angestellten im Irak (Zahl aus dem Guardian-Bericht) bewachen nicht nur Politiker, Diplomaten und andere VIPs, sie übernehmen auch Aufgaben, die eigentlich die amerikanische Armee selbst ausführen sollte, aus Personalmangel aber nicht dazu imstande ist, so etwa die Bewachung von Konvois wie am Sonntag, als es zu der folgenreichen Schießerei kam.
Das Arbeitsverbot von Blackwater ist allein aus diesem praktischen Grund für die US-Armee recht unangenehm. Dazu kommt noch die ökonomische Ebene und die der Herrschaftsverhältnisse: Wie frech ist das denn vom irakischen Innenministerium, den USA derart in die privaten Verträge zu fahren?
Andererseits ist Irak aber ein souveräner Staat, dessen Entscheidungen frei und verbindlich sind. Die Souveränität der irakischen Regierung ist ein Umstand auf dessen Bedeutung die US-Regierung in ihrer "Public Diplomacy" größten Wert legt. Und der Druck aus Washington auf die Regierung Maliki, was die Sicherheitslage des Landes betrifft, ist groß: Washington will endlich Fortschritte sehen. Was aber wenn sich die sicherheitspolitischen Entscheidungen gegen amerikanische Interessen richten?
Order 17
Rechtlich ist die Sache kompliziert. Wie auch an dieser Stelle öfter hingewiesen wurde, hat die Regierung Bush mit dem Kampf gegen den Terror einige rechtliche Grauzonen eröffnet. Der Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen gehört dazu. So viele private contractors wie im Irak gab es in der jüngeren Kriegsgeschichte nicht, auch die Art der Einsätze der Firmensoldaten ist pionierhaft: die Privaten übernehmen mehr und mehr Aufgaben, die eigentlich den regulären staatlichen Armeen zugedacht sind, ohne dass sie der Militärgerichtsbarkeit unterliegen. Wer also zieht die Angestellten der Sicherheitsfirmen zur Verantwortung, wenn sie Menschen fahrlässig töten?
Das nämlich legt der Sprecher des irakischen Innenministeriums den Blackwater-Angestellten zur Last: "They opened fire randomly at citizens.". Adam-Karim Khalaf bestätigt, dass man die Lizenz von Blackwater für ungültig erklärt habe und man diejenigen, die in den Vorfall am Sonntag verwickelt waren, juristisch verfolgen werde. Auf Ähnliches zielt auch die Äußerung seines Vorgesetzten, Innenminister Jawad al-Bolani, der von einem "großen Verbrechen" sprach, dem gegenüber man nicht schweigen könne.
Doch steht juristischen Schritten seitens der irakischen Regierung eine Verfügung gegenüber, die noch aus Verwalter Bremers Zeiten stammt, worauf gestern und heute amerikanische Zeitungen hinwiesen: die CPA (Coalition Provisional Authority)- Order 17. Sie besagt, dass "Contractors", die sich an ihre Vertragsbedingungen halten, Immunität gegenüber der irakischen Justiz genießen. Bei Verfehlungen der privaten Vertragspartner müsse man sich an den Entsendestaat richten:
Contractors shall be immune from Iraqi legal process with respect to acts performed by them pursuant to the terms and conditions of a Contract or any sub-contract thereto... Nothing in this provision shall prohibit MNF Personnel from preventing acts of serious misconduct by Contractors, or otherwise temporarily detaining any Contractors who pose a risk of injury to themselves or others, pending expeditious turnover to the appropriate authorities of the Sending State. In all such circumstances, the appropriate senior representative of the Contractor’s Sending State in Iraq shall be notified.
Al-Rubaie, nationaler Sicherheitsberater der irakischen Regierung, will das Hindernis nehmen und wünscht sich im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Blackwater eine Überarbeitung der Bremerschen Verordnung. Wenn der Wunsch nun Wirklichkeit würde, würde dies einiges über die faktische Souveränität des Irak aussagen.
Blackwater: Da weiß man, was man hat
Während sich der Beobachter noch wundert, dass Verordnungen aus der Zeit der Bremerschen provisorischen Verwaltung im souveränen Staat Irak eine derartige juristische Verbindlichkeit haben, ist der Fall für die Blackwater-Sprecherin schon abgeschlossen:
Die "Zivilisten", die wie berichtet auf Blackwater-Angestellte feuerten, waren tatsächlich bewaffnete Feinde und die Angestellten erwiderten das Feuer in Notwehr.
Anne Tyrrell
Blackwater bedauert demnach die Opfer, die man als bewaffnete Widerständler identifiziert: "Our people did their job to defend human life." Ganz korrekt wurden Vertragsleistungen und- bedingungen erfüllt, wie in den anderen tödlichen Vorfällen auch, in denen Blackwater involviert war. Eine Liste davon hat AP zusammengestellt.