Personalie Maaßen: Wenn CDU-Politiker die Stimmen der AfD zu sehr wollen
Mit der Kandidatenkür des Ex-Geheimdienstchefs will die Unionspartei in Südthüringen verhindern, dass der Wahlkreis 196 an die AfD oder Die Linke geht. Damit wirbt sie aber inhaltlich nur um rechte Wählerstimmen
Für manche Christdemokraten ist diese Personalie ein ähnliches Ärgernis, wie es der inzwischen aus der SPD ausgeschlossene Thilo Sarrazin jahrelang für seine Partei war - aber nur für manche: Schon am Tag nach der Nominierung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen für eine Bundestagskandidatur der CDU im Südthüringer Wahlkreis 196 ist der erste langjährige CDU-Politiker aufgrund dieser Entscheidung aus der Partei ausgetreten. "Eine Partei, die Maaßen nominiert, ist nicht mehr meine", erklärte der Ex-Staatssekretär Nicolas Zimmer am Samstag via Twitter. "Wo keine klare, eindeutige Abgrenzung zu rechten Brandstiftern stattfindet, ist für mich kein Platz mehr."
Der heute 50-jährige hatte mehr als 30 Jahre der CDU und davon 13 Jahre deren Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus angehört - von 1998 bis 2003 war er deren Parlamentarischer Geschäftsführer, von 2003 bis 2006 ihr Vorsitzender.
Allerdings machte Zimmer deutlich, dass die Nominierung des rechtslastigen Ex-Geheimdienstchefs für diesen Schritt nur der letzte ausschlaggebende Grund am Ende eines "Entfremdungsprozesses" von seiner Partei war. Zuvor hätten Funktionäre und Mandatsträger in der "Maskenaffäre" bewiesen, "dass ihnen jeglicher moralischer Kompass abhanden gekommen ist".
Im besagten Südthüringer Wahlkreis war Maaßen am Freitagabend mit 86 Prozent der Delegiertenstimmen zum Kandidaten der CDU gekürt worden. Er hatte damit den Platz von Mark Hauptmann eingenommen, der im Zuge der "Maskenaffäre" seine Ämter niederlegen musste, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit eingeleitet hatte. Bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 hatte Hauptmann in dem Wahlkreis, der Suhl, Schmalkalden, Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg umfasst, jeweils das Direktmandat für die CDU gewonnen. Deren Anspruch sei nun vor allem, dass der Wahlkreis nicht an die AfD oder an Die Linke falle, ließ dazu der CDU-Kreischef von Schmalkalden-Meiningen, Ralf Liebaug, verlauten.
Sechs Jahre Defintionsmacht über "Extremismus"
Maaßen, der dem rechten CDU-Flügel "WerteUnion" angehört, hatte als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz sechs Jahre lang geheimdienstliche Befugnisse und die Definitionsmacht über "Extremismus" in Deutschland, bis er im November 2018 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Anlass war ein Streit über die Bewertung von Ausschreitungen rechter Demonstranten in Chemnitz: Während die zuständige Staatsanwaltschaft in 120 Fällen wegen Straftaten wie Körperverletzung, Beleidigung und Landfriedensbruch ermittelte, hatte Maaßen schlicht geleugnet, dass es dort eine nennenswerte Häufung von Straftaten des rechten Spektrums gegeben habe. Teile der SPD-Spitze bewertete Maaßen im Zuge dieses Streits als "linksradikal".
Hauptsächlich formal will sich CDU-Chef Armin Laschet von der AfD abgrenzen: Er sehe in der Nominierung von Maaßen kein Spaltpotenzial für die CDU, sagte Laschet am Montag in Berlin nach einer hybriden Sitzung des CDU-Präsidiums laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland "Mit der AfD wird nicht koaliert, nicht kooperiert, nicht einmal verhandelt." Die AfD sei erklärter politischer Gegner der CDU. Ziel sei, dass die AfD aus den Parlamenten verschwinde. "Ich erwarte nur, dass sich jeder an diese Regeln, die ich vorgebe, hält. Auch der Kandidat im Wahlkreis Suhl/Schmalkalden."
Formal kann sich Maaßen daran allerdings auch halten, wenn er einfach nur Inhalte der AfD übernimmt und "ihre" Wählerstimmen abgreift, statt mit ihr zusammenzuarbeiten. Er selbst sagte nach seiner Nominierung laut einem Bericht des Tagesspiegel, er wolle sich an den Abgrenzungsbeschluss halten und "Menschen, die aus Protest AfD wählen, überzeugen, wieder die CDU zu wählen".
Not amused dürfte die Unionsspitze über eine aktuelle Umfrage nach der Maaßen-Nominierung sein: Im Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Kantar für die Bild am Sonntag büßten CDU und CSU drei Prozentpunkte im Vergleich zur Vorwoche ein und erreichten damit nur noch 24 Prozent. Damit liegen sie deutlich hinter den Grünen, die zur Zeit mit einem Stimmenanteil von 27 Prozent rechnen könnten.
Im Wahlkreis 196 bekommt der gebürtige Mönchengladbacher Maaßen derweil Gegenwind von einem einheimischen Olympiasieger, den die SPD ins Rennen schicken will. Allerdings versucht der ehemalige Biathlet Frank Ullrich dort nicht schwerpunktmäßig mit dem politischen Kampf gegen Rechts zu punkten: "Mein Hauptthema ist Sport", erklärte er am Sonntag im Gespräch mit dem Spiegel. Allerdings werde die AfD auch Probleme wie das Lohngefälle zwischen Ost und West nicht lösen.