Personen statt Programme
In Österreich tritt der ehemalige Grünen-Abgeordnete Peter Pilz mit einer Liste an, die keine Partei sein will - ein Vorbild für Boris Palmer?
Ende Juni verweigerten die österreichischen Grünen Peter Pilz, ihrem damals (neben den Ehemaligen Herbert Fux und Alexander van der Bellen) wahrscheinlich international bekanntesten Parteimitglied, Platz vier auf der Wiener Nationalratswahlliste. Jetzt will der unter anderem durch seine Enthüllungen zur Eurofighteraffäre (vgl. Österreichischer Verteidigungsminister zeigt Airbus an) renommierte Abgeordnete, dem seine ehemaligen Parteifreunde "Populismus" vorwerfen, bei der Nationalratswahl am 15. Oktober mit einer eigenen Liste antreten.
Das geht in Österreich leichter als in Deutschland, weil dazu nicht erst Tausende von Unterschriften in den einzelnen Bundesländern gesammelt werden müssen. Die Unterschriften von drei Nationalratsabgeordneten reichen aus. Pilz' Angaben nach wollen mindestens vier Nationalratsabgeordnete unterschreiben, damit seine Liste auf den Wahlzetteln steht - und zwar aus vier verschiedenen Parteien. Um wen es sich dabei genau handelt, will er heute offenbaren.
"Radikal pragmatisch"
Die Liste Peter Pilz soll den Angaben des 63-Jährigen nach keine Partei sein, sondern eine "Initiative". Dabei ließ er sich anscheinend (ebenso wie der ÖVP-Kanzlerkandidat Sebastian Kurz) vom Erfolg der Methode des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron beeindrucken (vgl. Österreich: Kurz will mit Macron-Methode siegen). Auch Pilz möchte mit seiner Liste "weder rechte oder linke Politik verfolgen", sondern "radikal pragmatisch" sein. Deshalb werde es auch kein Parteiprogramm geben, denn "bei uns sind die Personen die Programme".
Von diesen Personen, die auf der Liste stehen werden, sind bislang vier bekannt: Die Sängerin Maria Stern, die als Sprecherin eines Frauen-Volksbegehrens für Gratisverhütung und kürzeres Arbeiten bekannt wurde, der ehemals in der SPÖ beheimatete Tierschützer Sebastian Bohrn Mena, der Verbraucherschützer Peter Kolba, der für einen leichteren Zugang zu medizinischem Cannabis wirbt, und die Migranten-Jobmesse-Veranstalterin Stephanie Cox. In den nächsten Tagen sollen unter anderem Fachleute für Sicherheits-, Steuer- und Wissenschaftspolitik folgen.
Farbe: Transparent
Obwohl die Liste keine Partei sein soll, hat Pilz eine Wunschfarbe dafür: Transparent. In Wahldiagrammen und grafischen Darstellungen könnte das schwierig umzusetzen sein, weshalb er notfalls auch mit Weiß zufrieden wäre. Noch deutlich schwieriger könnte es für ihn werden, ohne Parteigründung auf die staatlichen Fördermittel zuzugreifen, die die österreichischen Gesetze bieten. Fragen dazu umschifft Pilz - vorerst will er seinen Wahlkampf mit Crowdfunding-Kleinspenden finanzieren.
In den Umfragen zur Nationalratswahl wird die Pilz-Liste aktuell zwischen zwei (OGM) und sechseinhalb Prozent (GfK) gemessen. Der Politologe Fritz Plasser hält es sogar für möglich, dass der Steirer "eine Art österreichischer Bernie Sanders" wird und mit bis zu sieben Prozent die in Österreich geltende Vier-Prozent-Hürde überspringt.
Auswirkungen auf Deutschland?
Gelingt ihm das, dann würde dieser Erfolg auch in Deutschland registriert, wo es in der grünen Partei ebenfalls eine bekannte Persönlichkeit gibt, der andere Grüne "Populismus" vorwerfen: Den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, den der migrations- und religionspolitische Grünenfraktionssprecher Volker Beck, nach einer Äußerung zur Akzeptanz von Gentests bei Migranten zur Aufklärung von Sexualverbrechen öffentlich als "rechter als das Innenministerium erlaubt" diffamierte und zu dem er meinte, in einem Land, wo Palmer "das Sagen hätte", wolle er "nicht leben". Palmer antwortete darauf (ebenfalls öffentlich):
Lieber Volker, ich lebe gerne in einem Land, wo dein Drogenkonsum und deine früheren Äußerungen zur Pädophilie verziehen werden. Ich finde es sogar gut, du trotz dieser Probleme viel zu sagen hast in unserem Land. Schade, wenn du nicht dieselbe Liberalität aufbringen kannst.