Pirat wider Willen

M.I.T.-Musikservice wird zwischen den Mühlen der Industrie zerrieben

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Das "Massachusetts Institute of Technology" in Cambridge, kurz M.I.T, hatte im Rahmen des bereits vorhandenen Analog-TV-Netzes der Uni vor knapp anderthalb Wochen einen internen "Music On Demand"-Service eröffnet, der von den Studenten Keith Winstein und Josh Mandel entwickelt worden war. Doch bereits nach wenigen Betriebsstunden wiesen diverse Plattenfirmen, vor allem die Universal Music Group, darauf hin, dass für die Veröffentlichung der Musikstücke durch den M.I.T.-Service weder eine Genehmigung erteilt, noch eine finanzielle Vereinbarung getroffen wurde.

Das überraschte die Entwickler dann doch. Da die den Service nutzenden Studenten Musik hören, ohne dass dabei Dateien gespeichert oder gar CD's gebrannt und getauscht werden können, sind Winstein und Mandel davon ausgegangen, dass für die M.I.T.-interne Music Library dieselbe Rechtslage gelten müsste wie für einen Radiosender. Die zur Verfügung stehenden Musikdateien wurden in Form einer Festplatte von Loudeye geliefert, laut Selbstbeschreibung "a global leader in digital media services", der offenbar dem M.I.T.-Projekt gegenüber solange den Eindruck erweckte, dass urheberrechtlich alles geregelt wäre, bis es zu spät war. Noch am Tag des "Music Library"-Starts gab Loudeye ein diesbezügliches Statement heraus, in dem die Rede von "ungefähr 48 000" gelieferten "lizensierten digitalen Musikstücken" war und in dem pikanterweise Keith Winstein mit dem Satz "Soweit wir wissen, ist Loudeye die einzige Firma, die all die Rechte und Genehmigungen hat, diesen Service (mit Musikstücken - Anm. des Verf.) zu versorgen", zitiert wird. Diese News verschwand allerdings schleunigst wieder von der Loudeye-Homepage, als die Gewitterwolken begannen, sich über dem Uni-Dienst zusammenzuziehen.

Winstein und Mandel hatten, in dem Bestreben sich zusätzlich abzusichern, schon im Vorfeld eine Anfrage bezüglich der Rechtslage an die Harry Fox Agency gestellt; diese Agentur lizensiert Musik im Auftrag der "National Publishers Association". Nachdem man sich für eine Antwort fünf Monate Zeit gelassen hatte, hieß es dann endlich, dass keine zusätzlichen Lizensierungen nötig wären, wenn der "Music on Demand"-Service bei Loudeye einkaufen würde. Aber auch dieser Bescheid wurde in letzter Minute telefonisch widerrufen, so dass sich die Betreiber mit ihrem neuen Musikdienst plötzlich auf der illegalen Seite wiederfanden und ihn also notgedrungen wieder einstellen mussten.

Das M.I.T. steht nun in Kontakt mit uns und erkennt seine Pflicht an, die Künstler für die Verwendung ihrer Arbeiten zu entschädigen. Universal wird sich gern an der Diskussion beteiligen, wie das zu bewerkstelligen ist.

Die Universal in einem Statement:

Zum einen ist der grundsätzliche Gedanke von Winstein und Mandel, nämlich dass es sich rechtlich um eine Art Radiostation handle, nachvollziehbar. Wenn jemand unbedingt an eine Aufnahme der dort verwendeten Musikstücke kommen will, schafft er das natürlich irgendwie - was aber für das Programm jedes Radiosenders genauso gilt. Wohl auch deswegen zunächst das Einverständnis und die Zusicherungen von "Loudeye" und der "Harry Fox Agency" - mit "Universal Vivendi" will es sich dann allerdings doch keiner der Beteiligten verderben, und so ändert sich eine rechtliche Einschätzung innerhalb weniger Stunden. Man darf gespannt sein, ob es eine Einigung mit den Rechteinhabern geben wird. Eins jedenfalls wird jetzt schon deutlich: In Zeiten von völlig unüberschaubaren Urheberrechtsgesetzen kann man sich selbst dann auf der Seite der "Musikpiraten" wiederfinden, wenn man alles dafür getan hat, sein Projekt rechtlich abzusichern.