Pistorius will über allgemeine Dienstpflicht reden
Angeblich will der Wehrminister dazu Stimmen der jungen Generation hören. Dabei ignoriert er selbst bekannte Aussagen der Jusos. Auch den gewerkschaftlichen Standpunkt übergeht er.
Menschen zahlen Steuern, damit anspruchsvolle öffentliche Aufgaben professionell erledigt und anständig bezahlt werden. Zumindest sind die meisten, die sich nicht grundsätzlich darüber beschweren, dass sie Steuern zahlen müssen, dieser Meinung. Wenn wir auf Rettungsdienste angewiesen sind oder ins Krankenhaus kommen, wollen wir sehen, dass das Steuergeld gut angelegt ist – und nicht überforderte, zwangsverpflichtete junge Menschen um uns haben, denen die wenigen professionellen Kräfte noch gar nichts richtig erklären konnten.
Wehrminister Boris Pistorius (SPD), der fast im selben Atemzug höhere Rüstungsausgaben fordert, beklagt nun laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur die "Distanz vieler Menschen zu gesamtstaatlichen Aufgaben" – und versucht diesbezüglich vor allem der jungen Generation Gewissen zu reden. Deren Stimme müsse natürlich gehört werden, meint er, sieht aber gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten.
"Ich habe mich ausdrücklich nicht für die Reaktivierung der Wehrpflicht ausgesprochen", betont Pistorius. Vielmehr halte er die Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht "für wertvoll".
Als 62-Jähriger sei er zurückhaltend, "einer Generation, die sowieso schon eine schwierige Zukunft vor sich hat, jetzt mal eben so eine allgemeine Dienstpflicht aufzubürden", sagte Pistorius. Was aber aus seiner Sicht dafür spräche: "In den vergangenen Monaten ist der Eindruck entstanden, dass manche nicht die nötige Wertschätzung für Feuerwehr und Rotes Kreuz, Polizei und Bundeswehr aufbringen. Die allgemeine Dienstpflicht könnte helfen, die Menschen und die staatlichen Organisationen wieder ein Stück näher zusammenzubringen."
Ungeschickt ist diese Argumentation nicht. Gerade sozial eingestellte junge Menschen, die eher nicht FDP oder gar AfD wählen würden, sollen damit geködert werden.
Allerdings sollte, wer wirklich sozial eingestellt ist, hier den gewerkschaftlichen Standpunkt nicht ignoriert werden: DGB und ver.di fordern seit vielen Jahren bessere Ausbildungs-, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen im sozialen Bereich.
Interesse an Stimme der jungen Generation, aber nicht an der von Jusos?
Auch innerhalb der traditionell gewerkschaftsnahen SPD ist die Thematik umstritten – und deren Spitzenpolitiker hörten da bisher nicht einmal auf die Stimme jüngerer Menschen aus den eigenen Reihen. Einen entsprechenden Vorstoß von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der im Juni vergangenen Jahres schon eine Debatte über Pflichtdienste forderte, hat damals Juso-Chefin Jessica Rosenthal zurückgewiesen.
Schon jetzt würden sich mehr als 63 Prozent der jungen Menschen engagieren, zum Beispiel für Klimaschutz, die Rechte von Geflüchteten oder in digitalen Initiativen. "Jetzt plötzlich einen Pflichtdienst einzufordern, das ist vermessen und ein Schlag ins Gesicht aller jungen, engagierten Menschen", hatte Rosenthal damals erklärt.
An der Grundhaltung der Jusos in dieser Frage hat sich nach Aussage ihres Pressesprechers Leonard Wolf diese Woche gegenüber Frankfurter Rundschau auch nichts geändert.
Wenn ältere Spitzenpolitiker der SPD diese Debatte immer wieder selbst an der eigenen Nachwuchsorganisation vorbei aufmachen, dann ist ihr Interesse an Stimmen aus der jungen Generation so unglaubwürdig, wie es nur sein kann.
Pistorius hält es inzwischen für nötig, zu betonen, dass es ihm nicht um eine Kriegswirtschaft gehe. Er unterstützt allerdings Forderungen von Nato-Partnern nach einer Verschärfung der Zielvorgabe für die Höhe der Rüstungsausgaben von Mitgliedsstaaten.
Er teile die Einschätzung, dass Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) künftig die Untergrenze sein sollten, sagte er laut einem dpa-Bericht am Mittwoch am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. "Sich allein dem Zwei-Prozent-Ziel annähern zu wollen, wird nicht reichen", betonte er. "Das muss die Basis sein für alles Weitere."
Solche Prioritäten tragen sicher nicht dazu bei, dass die junge Generation eine leichtere Zukunft hat.