Platzt der Boom afrikanischer Start-Ups?
In den vergangenen Jahren hat Afrika eine Welle technischer Innovation erfasst. Die Gründerszene boomt und ihre neue Tech-Generation könnte den Kontinent nachhaltig verändern
Was passiert, wenn auf einem Kontinent die Hälfte der Bevölkerung unter 20 Jahre jung ist? Es wächst eine Generation heran, die technisch versiert ist und nach Lösungen sucht.
Seit Jahren steigt in Afrika die Zahl so genannter Tech-Hubs rasant. Die in den USA ansässige Fab Foundation schätzt ihre Zahl auf bis zu 200. Dazu gehören das Co-Creation Hub in Nigeria, das Jozihub im südafrikanischen Johannesburg, das iSpace in Ghanas Hauptstadt Accra oder das BongoHive in Sambia. Doch die Studenten und Entrepreneure, die sich in diesen Arbeitsplätzen, Büros und Internet-Cafés treffen, um Wissen auszutauschen und gemeinsam nach technischen Lösungen für afrikanische Probleme suchen, stehen zeitgleich vor einer anderen, viel größeren Herausforderung.
Einerseits hat man aus der Not des (technischen) Infrastruktur-Problems auf dem Kontinent eine Tugend gemacht: Er führte zu einem Mobilfunkboom, der weltweit einmalig ist, heute fast 1 Milliarde Nutzer zählt und ganze Wirtschaftsbranchen neu erfindet (z.B. das Finanzwesen mit dem M-Pesa mobile payment oder das Gesundheitswesen via Smarphone-Scans in abgelegenen Regionen). Doch anderseits bemängeln Kritiker, dass sich auf politischer Ebene zu wenig bewegt. Der Ausbau eines Innovations-Ökosystem, integral für eine nachhaltige Weiterentwicklung, droht verschlafen zu werden.
"System of Innovation"
Von der Politik "müssen Rahmenbedingungen und Rechtsvorschriften institutionalisiert werden", fordert Jean-Claude Bastos de Morais, Gründer der African Innovation Foundation (AIF), die den Innovation Prize Africa (IPA) vergibt.
Im Silicon Valley, in Londons Old Street Distrikt "Silicon Roundabout" oder in Berlin haben die politischen Entscheidungsträger längst erkannt, dass sie mit Start-Ups und Wirtschaftsvertretern zusammen Strategien entwerfen müssen, um innovationsfreudigen Unternehmen eine Wachstumsperspektive zu bieten. In Afrika ist diese Infrastruktur noch deutlich unterentwickelt. Dennoch ist es unerlässlich, um den afrikanischen Start-Ups unter die Arme zu greifen und so die nächste Phase der Unterstützung einzuleiten, so de Morais weiter.
Ein "innovation ecosystem" investiere in die Gemeinschaft, nicht nur um bessere Produkte, sondern auch Profitabilität zu kultivieren, schreibt das Havard Business Review. Erst das mache aus Outsidern langfristig Kollaborateure. Doch die Politik arbeitet in Afrika oftmals auf Grund von Krisen und schlichter Ineffektivität noch zu langsam. Es brauche dringend mehr "politische Maßnahmen", forderte daher der ständige Vertreter Äthiopiens für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UND), Eugene Owusu, vergangenes Jahr während der Afrika Wirtschaftskonferenz.
Problem Politik
Südafrika, auf dem Kontinent Vorreiter in Wissenschaft und Technologie, hat sich bereits vor zehn Jahren dem Konzept eines "National System of Innovation" (NSI) angenommen. Aber erst jetzt ist im Zuge eines "zehnjährigen Investitionsprogrammes durch das südafrikanische Ministerium für Handel und Industrie und in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie" eine Kooperation mit IBM entstanden für ein Forschungsprojekt, das Innovation über Big Data, Cloud und mobilen Technologien vorantreiben soll.
Anderswo gibt es auch Fortschritte. Kenias Regierung hat es geschafft, im Land Glasfasernetze zu verlegen. Damit müssen die Start-Ups im Nairobis brummenden "Silicon Savannah" nun während ihrer Arbeit nicht mehr auf Satellitenverbindungen zurückgreifen, berichtet Südafrikas Wochenzeitung Mail & Guardian.
In Kenia hat IBM kürzlich ein eigenes Innovationszentrum eröffnet. Doch in vielen der anderen 52 Nationen ist eine Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten ausbaufähig. Es fehlt an konkreten politischen Hilfsmitteln, wie Programmen zur Steuererleichterungen für Jungunternehmer. Schon der Mietpreis für einen geeigneten Büroraum im wirtschaftsstarken Nigeria kann mitunter zwischen 36 bis 64 Euro pro Quadratmeter liegen; in Uganda ist er bei 15 Euro pro Quadratmeter um ein Vielfaches günstiger. Doch weil die Stromnetze zu oft nur unzuverlässig funktionieren, müssen Firmen auf Generatoren zurückgreifen. Zusätzlich zu Diesel und Wartung für die Geräte, die aufs Jahr gerechnet im fünfstelligen Bereich liegen können, kommt dann noch die Anschaffung der technische Ausstattung der Mitarbeiter.
Auch das Internet ist nach wie vor ein großer Kostenfaktor. Vereinzelt spendieren Telekommunikationsanbieter den Gründern Internetverbindungen, um sich im Gegenzug mit dem Image der Entwickler-Szene zu schmücken. Bis die Politik eine Wirtschaftsstruktur schafft, auf der Wachstum und nachhaltiger Wandel gedeihen kann, versuchen Stiftungen die Aufgabe zu übernehmen.
Stiftungen und Auszeichnungen The iSpace Foundation aus Ghana sucht nach Hilfsgeldern für Entwickler. Und für erste Berührungspunkte zwischen Trendsettern und Investoren sorgt de Morais' African Innovation Foundation. In ihrer Datenbank warten über 3000 afrikanische Innovatoren, sagt de Morais und hofft, dass sie als Netzwerk dient, um den Unternehmergeist auf dem Kontinent endlich anzuschieben.
Zudem stellt der mit 150.000 US-Dollar dotierte Innovation Prize for Africa (IPA) der AIF afrikanischen Produkten eine wichtige Wahrnehmungsbühne: Im Frühjahr ging in Marokko der zweite Preis an einen jungen Kenianer. Sein Fördermodell Farm Capital Africa soll es Kleinbauern und "agripreneurs" möglich machen, sich nach Investoren umzuschauen. Auch die Initiative AfriLabs will die Innovations-Infrastruktur auf dem Kontinent ausbauen und hat 36 Tech-Hubs in 18 Ländern miteinander vereint.
Eine direktere Maßnahme sind die so genannten Venture Busse: Dabei steigen Entwickler, Designer und Business-Experten in Busse und fahren durch Afrika, um sich mit der lokalen Tech-Szene zu vernetzen Organisiert werden diese Reisen von der afrikanischen Initiative Ampion, die wiederum von ausländischen Unternehmen wie Microsoft unterstützt wird.
Der Computergigant hat das kreative Potential auf dem Kontinent erkannt und kollaboriert mit AfriLabs über das Programm 4Afrika. Auch Google ist vor Ort und unterstützt lokale Tech-Hubs über sein Google for Entrepreneurs-Programm. Doch Tatsache bleibt, dass weniger die mitunter ausländische Privatwirtschaft, sondern mehr politische Entscheidungsträger aus Afrika die Rahmenbedingungen für die Zukunft aufstellen müssen. Denn das gewaltige Potential der 54 Nationalstaaten - seine Jugend - ist zugleich Afrikas größte Bedrohung.
Wachstum und Stabilität
Über 122 Millionen Menschen werden in den kommenden zehn Jahren den Arbeitsmarkt betreten, lautet die Analyse von McKinsey&Company. Ein neuer technikbasierter Wirtschaftszweig wäre für viele die Chance, einen Job zu finden.
Die jungen afrikanischen Entwickler könnten es den "Nerds" des Silicon Valley gleichtun und zumindest der eigenen Heimat ihren visionären Stempel aufdrücken. Es wäre eine Veränderung, die statt nach westlichen Ansprüchen auf die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung ausgerichtet wäre. Afrikas junge Generation, warnt de Morais, könne es sich einfach nicht leisten, diesen Kreislauf aus Wachstum und politischer Stabilität zu verpassen.