Plug and Pray
Modernes Wechseln der Konfession kostet mit passendem Computerprogramm nur noch Mausklick
In diesen unsteten Zeiten ändern sich nicht nur die Überzeugungen von Kaiser Franz wie die Börsenkurse. Genosse Tagesumfrage sitzt mit am Kabinettstisch, die Katholiken wollen unbedingt die Protestanten heiraten und umgekehrt. Wer seinen Glauben da nicht verliert, sondern öfter mal wechseln möchte, für den gibt es jetzt auf die jeweiligen Weltreligionen zugeschnittene Lernprogramme.
Immer mehr Leute glauben heutzutage, nicht mehr ohne den Computer bzw. die Cyber-Gemeinschaft der Internet-User leben zu können. Und viele glauben angesichts des globalen "Matrix"-Hypes wohl auch, dass wir uns in einem von einem gewaltigen Computerprogramm generierten Realitätskonstrukt befinden (vgl. Matrix Refused). Sofern die Neo-Jünger nicht doch bloß dem Irrglauben an verdammt coole Designer-Ledermäntel und Designer-Sonnenbrillen erlegen sind, wie es dem kapitalistischen Shopping-Credo entspricht. Jedenfalls: Die religiöse oder spirituelle Welt althergebrachter Provenienz und die digitale Welt durchdringen sich gerne, sind ja beide nicht so ganz greifbar für den Normalsterblichen.
Wer noch nicht direkt an einen Hyper-Computer als Gott-Ersatz glaubt, für den gibt es Software mit traditionellem Glaubensinhalt. Sie richtet sich aber bislang nur an wenig moderne Menschen, die konservativ von der Wiege bis zur Bahre ihren lebenslänglichen Glauben behalten und ihre Religion zusätzlich auch vor dem Monitor praktizieren möchten. Da gibt es ehrwürdige Bildschirmschoner oder ein erhebendes Computerspiel War in Heaven für Christen, für die angeblich so rückständigen Muslime immerhin den praktischen Beten-Terminplaner oder das Koran-E-Book . Schon 1998 versetzte die Lazarus-Gesellschaft die deutschen Kirchen in heiligen Zorn, als sie die Beichte per Computer als Softwareprogramm an Gläubige verkaufen wollte.
Man sollte die individuell verbrochenen Sünden per Mausklick in einer Liste auswählen können und wurde vom Programm stante pede über die angemessene Buße in Kenntnis gesetzt. Beim Ratzinger! Das essenzielle Feature Absolution war jedoch dummerweise nicht eingebaut, worauf die Kirchenväter umgehend und zu Recht hinwiesen. Außerdem sei sowas ja schnöde Geschäftemacherei mit dem Glauben, schimpften die Bischöfe. Allerdings kann an dieser Stelle der etwas ketzerische Hinweis nicht unterschlagen werden, dass der persönliche Gang in den Beichtstuhl alljährlich vor Ostern - umgeschlagen auf die Kirchensteuer - immer noch etwas mehr als die knapp 40 Euro kosten dürfte, die die Lazarus-Gesellschaft für das Programm erheben wollte (und von denen eh gut sieben Euro an wohltätige Organisationen gegangen wären).
Aber was ist mit dem Menschen von heute (und erst recht in der von den Bossen erträumten Zukunft), der flexibel ohne feste Bindungen lebt, der Wohnsitz, Arbeitsplatz, Partner, politische Überzeugungen und Marken beliebig wechselt wie es der Existenzkampf im globalisierten Standort verlangt? Wer glaubt schon lebenslang dasselbe, wo sich schließlich selbst so unerschütterliche Ikonen wie Helmut Kohl und Uschi Glas als Sünder erwiesen haben?! Und wer hätte wohl geglaubt, dass Bob Hope (Hoffnung) überhaupt noch sterben könnte? Da sollte man schon einigermaßen flexibel reagieren und dem aktuellen Trend entsprechend die Glaubensüberzeugung ändern können.
Dabei hilft nun der italienische Softwarehersteller Holy Soft. Vom Muslim zum Juden, vom Christen zum Buddhisten, der Konvertierungsmöglichkeiten in unserer religiös ausdifferenzierten Welt sind viele.
Hat Dein neuer Vorgesetzter mit Green Card eine Kuh im Garten, nimm den Hindu Kit und mach auch ohne Rinderbraten Karriere, beispielsweise. Bedrängt Dich die Ehefrau zu sehr mit niederen fleischlichen Gelüsten, leg die Buddhisten-CD-ROM ein und Du wirst Seelenfrieden finden. No, Ma`am, I want Brainsex. Und für den Nahostkonflikt hat der pfiffige Holysoft-Ghost, äh Host jetzt sogar ein spezielles Kit, mit dem man als religiöser Grenzgänger im Heiligen Land den Eisernen Scharon-Vorhang zwischen Juden und Muslimen problemlos überwinden könnte.
Weil man dann automatisch immer auf der richtigen Seite steht. Dies könnte gerade auch für die allzeit von tödlichen Überfällen bedrohten US-Missionare im widerspenstigen Irak-Protektorat interessant sein - oder anders gesagt: Ein Muslim Kit gehört nebst Laptop vor dem Aufenthalt in Falludscha oder Tikrit eigentlich unbedingt in jeden Tornister. Das müsste ein selbst vom trunksüchtigen Playboy zum Preacherman konvertierter Oberbefehlshaber schon hinkriegen, der seine Soldaten ohnehin gern als Gotteskrieger ansieht und ausschickt. Wenn er flexibel ist. Ob aber die recht unflexibel auf Allah fixierten Araber die religiöse Maskerade nicht durchschauen und verdammen würden, das weiß nur Gott. Vielleicht fehlt uns da der Glaube.