Point-and-Click, quo vadis?
Wir schreiben das Jahr 2008. Wenn nichts dazwischen kommt, wird es das große Comeback der Oldies: Neue Adventures von Ron Gilbert, Jane Jensen, Steve Ince und Hal Barwood sowie Noah Falstein sind angekündigt. Doch wie steht es überhaupt um das Point-and-Click-Genre?
Ron Gilbert und Gary Winnick hassten Parser. Deshalb entwickelten die beiden damaligen Lucasfilm-Mitarbeiter SCUMM, das „Script Creation Utility for Maniac Mansion“. Die neuartige Bedienung, die das Eingeben von Texten obsolet machte und erstmals im Adventure „Maniac Mansion“ zum Einsatz kam, fand rasch Resonanz, sodass auch andere Entwicklerschmieden wie Sierra auf den Zug aufsprangen. Mittlerweile ist das über zwanzig Jahre her und an dem Interface hat sich wenig geändert.
Dass dem so ist, könnte vielleicht daran liegen, dass Entwickler die Adventure-Fans als zurückhaltende Personen ansehen. Hal Barwood, der 13 Jahre bei LucasArts arbeitete und zurzeit mit Ex-Kollege Noah Falstein und 4 Head Studios Mata Hari entwickelt, sagt: „Adventure-Fans tendieren dazu, schüchtern zu sein, was ihre Bereitschaft angeht, tiefer in die Welt des Computers einzutauchen. Irgendwie scheint es, als würden sie mehr zögern als andere Spielernaturen. Das ist möglich, glaube ich, andererseits hoffe ich, dass das nicht wahr ist. Das wäre unser Ende.“
Die entscheidende Frage meiner Meinung nach aber ist, welche Vorteile einem neue Features und andere Ansätze verschaffen. Nehmen wir mal die optionale Rätselhilfe, die es in „Geheimakte Tunguska“ gibt und die von den Machern als Snoop Key bezeichnet wird. Hiermit kann man sich rasch einen Überblick verschaffen, welche Objekte untersucht werden können – praktisch, aber auch nur dann, wenn man zu faul ist, die Maus zu bewegen. Die Jungs von Deck 13 fanden das Feature auf jeden Fall super, sonst hätten sie es wohl nicht beim dritten „Ankh“-Teil „Kampf der Götter“ integriert.
Einen komplett anderen Versuch wagt jetzt die französische Entwicklerschmiede Lexis Numérique. In ihrem Mystery-Adventure eXperience112 wird der Spieler zum Kameramann. Via Point-and-Click aktiviert und deaktiviert man Kameras an verschiedenen Orten eines Schiffswracks. Nur so bekommt man Lea Nichols zu Gesicht. Fortbewegen tut sich die Protagonistin, indem man Lichtquellen aktiviert. Lea ist die einzige Überlebende eines Forschungsteams und hat offenbar irgendwann mal mächtig was auf die Birne bekommen, denn ihre Erinnerung hat Löcher. Also gilt es, herauszukriegen, was tatsächlich vor sich gegangen ist. Wäre es klassisches Point-and-Click, würde einem bestimmt fünf Mal so schnell ein Licht aufgehen, doch die Steuerung über die Kameras ist zeitraubend und nervig – ein Schelm, der so was Innovation nennt.
Spielbar muss es sein, das steht außer Frage; exakt so wie So Blonde, das neue Game von Steve Ince, der in den 1990er Jahren bei Revolution an „Beneath a Steel Sky“ und „Baphomets Fluch“ gearbeitet hat. Im Mittelpunkt von „So Blonde“ steht eine verwöhnte Schickimicki-Blondine, die nach einem Schiffsunglück auf einer Insel landet. Bis der Heldin klar wird, in welcher Gesellschaft sie sich befindet, wird nicht nur gerätselt. Zwischendurch sind nämlich diverse Minispiele zu bewältigen. Neuartiges wird einem dabei jedoch nicht geboten. Stattdessen erinnert bereits das erste Minispiel an Nintendos frühe Game & Watch-Titel. Klingt nach retro? Ist es. Geschicklichkeit wie damals ist zudem in den weiteren Minispielen gefragt. Überhaupt fühlt man sich in seine Jugend zurückversetzt, sind die Parallelen zu „Monkey Island“ doch allzu offensichtlich. Und wenn erst mal Bill Tillers A Vampyre Story erschienen ist!
Bei Games wie „So Blonde“ haben es Spieler selbstverständlich mit klassischen Dialogsystemen zu tun. Noah Falstein meint, „dass dies eigentlich“ keinen Entwickler „wirklich zufrieden stellt. Wir haben uns daran gewöhnt, aber mehr zu unserer Ver- als zu unserer Bewunderung.“ Allerdings hätten er und Barwood das Problem auch bei „Mata Hari“ nicht gelöst. Barwood fügt hinzu: „Das Ganze bewegt sich auf einem Level, das mich unentwegt langweilt. Es macht mir keinen Spaß. Ich klicke auf eine der vielen Möglichkeiten und dann muss ich mir das anhören, was ich gerade gelesen habe. Das mag ich nicht, und ich kenne allerhand Leute, die aus diesem Grund niemals ein Adventure-Game gespielt haben.“ Daher hofft Barwood umso mehr, dass das Dialogsystem in naher Zukunft von Spracheingabe und -ausgabe abgelöst wird. Zu weit greift er da nicht, technisch möglich wäre das ja. Die Frage ist nur, was solch ein Produkt kosten würde, das mit qualitativer Spracherkennung daherkommt.
Wer Point-and-Click-Titel mag, wird jedoch bestätigen, dass es in erster Linie die Storys und die Figuren sind, die ihn faszinieren. Denn erst tiefgehende Geschichten und interessante Charaktere halten einen bei der Stange, genauso wie ein guter Roman. Das sieht „Gabriel Knight“-Mutter Jane Jensen ganz ähnlich: „Ich habe immer daran geglaubt, dass es ein unbegrenztes Potenzial in Games gibt, die eine Geschichte erzählen – so gut und so ausdrucksstark wie jede andere Form des Erzählens. Wieso auch nicht? Der Schlüssel dazu liegt in der Gedankenwelt des Entwicklers und was er erreichen will.“ Inwiefern sich das auf Jensens neues Game Gray Matter auswirkt, bleibt abzuwarten.
Gespannt darf man auch darauf sein, was die aktuelle Arbeit von Ron Gilbert betrifft. Nach langer Suche hat er endlich einen Partner für sein neues Projekt gefunden: Gemeinsam mit Hothead Games bringt Gilbert DeathSpank heraus, ein RPG-Adventure, das die Macher als „Monkey Island meets Diablo“ verkaufen – wie cool muss das denn sein?! Lassen wir uns mal überraschen. Laut Gilbert dürfte es Spieler klassischer Adventures auf jeden Fall ansprechen: „Die Puzzles und wie du mit dem Inventar und den Objekten in der Welt umgehst, das alles wird einem sehr vertraut vorkommen“. Außerdem arbeitet Gilbert an der Umsetzung des Online-Comics „Penny Arcade“ mit. „Penny Arcade Adventures: On the Rain-Slick Precipice of Darkness“ heißt der erste Teil, der via Download für etliche Plattformen erhältlich sein wird. Beide Titel erscheinen übrigens in Form von Episoden, was in den USA ein zunehmender Trend zu sein scheint. Beispielsweise plädiert American McGee in seinem Blog dafür.