Polen: Ein Provinzkrankenhaus begehrt auf
Die Regierung wird durch die Situation in Lomza herausgefordert - dort gibt es, angeführt von einer Ex-PiS-Abgeordneten, Proteste gegen die Umwandlung des Klinikums in ein "Infektionskrankheitshospital"
Vor dem Rathaus der ostpolnischen Stadt mit rund 62.000 Einwohnern und dem örtlichen Krankenhaus protestieren Belegschaft und Bewohner. "Gebt uns unser Krankenhaus zurück", so die Parole.
Das Prekäre für die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS): Die lauteste Kritikerin, die Personalchefin und ausgebildete Krankenschwester Bernadeta Krynicka, war bis im November PiS-Abgeordnete im Nationalparlament. Parteichef Jaroslaw Kaczynski, der sich seit der Corona-Krise nicht mehr hat blicken lassen, stieß die Streitbare sofort nach Veröffentlichung ihres Facebookvideos aus der Partei.
In dem Video erklärte sie, dass dem Krankenhaus elementare Schutzkleidung und Quarantäneschleusen sowie Beatmungsmaschinen fehlen und dass das Personal nicht für die Aufnahme von Infizierten ausgebildet sei und bereits die Arbeit verlasse.
Über 120.000 Personen aus der Gegend um Lomza würden bald ohne medizinische Versorgung dastehen, viele Menschen mit Unfällen oder anderen Krankheiten würden darum sterben. Die Entscheidung sei eine politische aus der Wojewodschaftshauptstadt Bialystok, dort wolle der zuständige Wojewode Bohdan Paszkowski, ebenfalls PiS, die Corona-Infizierten nicht in der Stadt haben, obwohl es dort sechs Kliniken gebe, davon ein Universitätskrankenhaus.
Wissenschaftsminister und Vize-Premierminister Jaroslaw Gowin sprach Krynicka darauf die medizinische Kompetenz zur Beurteilung der Lage ab. Diese verwies auf umfangreichen Konsultationen mit den zuständigen Ärzten.
Joanna Chilinska, die Direktorin des Krankenhauses von Lomza, teilt allerdings deren Ansicht und hat bereits ihren Rücktritt eingereicht. Ein Anästhesist warnte, dass beim Eintreffen der ersten Infizierten, die Belegschaft bald selbst zu Patienten werde.
Um italienische Verhältnisse zu vermeiden, hat die polnische Regierung unter Mateusz Morawiecki in der vergangenen Woche, die Schulen und Universitäten schließen lassen, Versammlungen verboten sowie die Grenzen für Ausländer geschlossen (Weitgehende Abriegelung des öffentlichen Lebens. Dies sorgte für Anerkennung in der Bevölkerung. In Polen wurden bis Dienstag 221 Menschen festgestellt, die mit dem Covid-19-Virus angesteckt wurden, fünf Personen verstarben. Die Regierungsmitglieder selbst stehen seit Dienstag unter Quarantäne, nachdem bekannt wurde, dass der Umweltminister infiziert wurde.
Im Nordosten des Landes, wo sich Lomza befindet, wurden bislang noch keine Fälle gemeldet. Der neue Direktor des Krankenhauses, Jacek Roleder, konnte die Belegschaft am Dienstag nicht vom Sinn der Umformung des Krankenhaus überzeugen. Corona-Patienten gibt es in dem Krankenhaus in Lomza noch nicht, Das Personal werde geschult, die entsprechende Schutzkleidung und andere Geräte angeschafft, versprach Roleder.
Insgesamt 19 Krankenhäuser in Polen wurden ab Montag zu sogenannten "Infektionskrankheitshospitäler" erklärt. Die erfolgreiche Organisation dieser Krankenhäuser gilt als wichtiger Glaubwürdigkeitsfaktor der Regierung, die aufgrund der Quarantäne-Maßnahmen mit einer Verlangsamung der Infektionen nach sieben Tagen rechnet. In den nächsten Tagen soll die Zahl der Fälle jedoch stark ansteigen. Der Höhepunkt der Epidemie soll in Polen nach Angaben von Gesundheitsminister Lukasz Szumowsski nach drei bis vier Wochen erreicht sein.
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