Polen: Ex-Banker regiert Polen

Mateusza Morawieckiego und Beaty Szydło. Bild: Poln. Regierung/CC0

Jaroslaw Kaczynski setzt Mateusz Morawiecki an die Stelle von Beata Szydlo

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In Warschau hatte das monatelange Brodeln der Gerüchteküche am Donnerstagabend endlich sein Ende gefunden. Der mächtige Parteichef Jaroslaw Kaczynski hat die treu ergebene Beata Szydlo durch den selbstbewussteren Mateusz Morawiecki ersetzt.

Man habe zwei Jahre eine erfolgreiche Politik betrieben, doch gebe es nun neue Aufgaben, sagte die Sprecherin Beata Mazur. "Wir sind eine Mannschaft, das ist wie beim Staffellauf", so die Sprecherin, die auf weitere Fragen keine Antwort gab. Unklar wurde angedeutet, dass es "Veränderungen im Land und auf internationaler Ebene" gebe.

Für die 54-jährige Beata Szydlo, die seit November 2015 war dies bitter. Im kanariengelben Anzug wetterte sie am Donnerstag am letzten Mal gegen die Opposition, die zuvor vergeblich versucht hatte, die Regierung per Misstrauensantrag abzusetzen. Szydlo soll mit einem anderen Ministerposten betraut werden.

Dem tonangebenden Parteichef Jaroslaw Kaczynski begegnete sie stets mit einem Bückling, doch fehlte es ihr an Autorität, die Zankereien innerhalb des Kabinetts zu kontrollieren. So zählte Verteidigungsminister Antoni Macierewicz zu ihren Gegnern sowie eben ihr Nachfolger Mateusz Morawiecki. Auch machte die oft hölzern wirkende Szydlo mangels Erfahrung auf dem internationalen Parkett keine gute Figur, die immer wieder wiederholte Botschaft, dass "Polen ein Vorbild sei, an dem sich andere EU-Länder orientieren sollen", verfängt in Brüssel weniger.

Auch Jaroslaw Kaczynski, der lange selbst als Premier im Gespräch war, ist kein Außenpolitiker. Ihm scheint das Strippenziehen aus der Parteizentrale mehr zu liegen, zu dem sich die Kabinettsmitglieder zu Besprechungen immer wieder einfinden müssen, wie auch Szydlo und Morawiecki am Donnerstag.

Dabei ist Verhandlungsfähigkeit derzeit gefragt, die EU-Kommission verklagt Polen sowie Tschechien und Ungarn beim Europäischen Gerichtshof, da sie sich weiter weigern, Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland und Italien aufzunehmen.

"Das Kapital hat eine Nationalität"

Morawiecki verfügt über einen anderen Erfahrungsschatz und ein anderes Auftreten. Der studierte Historiker und Ökonom war in den Neunzigern im polnischen Ausschuss für Europäische Integration für die Beitrittsverhandlungen mit der EU verantwortlich, zudem in großen Banken als Vorstandsmitglied unterwegs. Bis zum Sieg der Nationalkonservativen war er Vorstandsvorsitzender der Bank Zachodni WBK, ein Finanzinstitut mit westlichem Kapital.

Mit seiner Nominierung als Wirtschaftsminister im September 2016 sattelte er noch den Finanzminister drauf, um den Einfluss internationaler Konzerne zurückdrängen. So führte er eine Bankensteuer ein, peu a peu wird der verkaufsoffene Sonntag wieder zurück gefahren, um die polnischen Tante Emma Läden zu entlasten und gleichzeitig den Klerus sanftmütig zu stimmen. Demnächst soll die Dekonzentration der Medien angepackt werden - ein Teil der ausländischen Konzerne werden ihre Titel an polnische Unternehmen verkaufen müssen. "Das Kapital hat eine Nationalität", ist einer der Leitsprüche des bekennenden Winnetou-Fans.

Die meisten der PiS-Politiker sehen ihn eher als ehemaligen "Bankster", er soll in der Partei nicht gut gelitten sein, vor allem da er auch als Berater von Premier Donald Tusk fungierte. Der heutige Präsident des Europäischen Rates gilt den PiS-Anhängern als Erzfeind, dem alles Schlechte angehängt wird. Schließlich besteht der "Wandel zum Guten", die Losung der neuen Regierung, aus dem Umsetzen von Sozialversprechen und dem Abstrafen der ehemaligen Eliten. Andere Parteimitglieder spekulieren, dass der künftige Premier durch den mangelnden Stallgeruch und fehlende Seilschaften leichter steuerbar sei.

Der ehrgeizige Morawiecki genießt aktuell das Vertrauen des 68-jährigen Parteichefs. Allerdings wird er sich nicht so leicht absetzen lassen wie die treu ergebene Szydlo. Die Opposition glaubt jedoch, dass Jaroslaw Kaczynski, der von seinen Minister eindringlich gebeten wurde, Premier zu werden, im Frühjahr das Amt übernimmt. Morawiecki werde zwischen dem unwilligen Kabinett und Jaroslaw Kaczynski, der von der Parteizentrale aus die Fäden zieht, nicht wirklich gestalten können.

Zudem sei die Wahl des Premiers auch ein Ablenkungsmanöver von der kommenden Verabschiedung von zwei umstrittenen Gesetzesnovellen im Sejm, die der Partei umfassenden Einfluss auf die Gerichtsbarkeit verleihen und in Brüssel für Ärger sorgen werden. Dorthin soll Mateusz Morawiecki schon am Donnerstag zum EU-Gipfel reisen. In dieser Zeit wird er wohl ab und zu mit der Parteizentrale telefonieren müssen.