Polen: Opposition befürchtet nachträgliche Wahlverfälschung
Kann die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" die Wahl nachträglich verändern lassen? Die polnische Opposition befürchtet dies in Bezug auf die Sitze des Senats
"Der Protest, welchen die PiS erhebt, und die Forderung, die Stimmen nochmals nachzuzählen, kann zu einem Versuch führen, das Wahlergebnis zu ändern", sagte Grzegorz Schetyna, Chef des konservativ-liberalen Parteienbündnisses "Staatsbürger-Koalition" (KO), am Mittwoch in Straßburg vor dem Europarat.
Die Nationalkonservativen, die am 13.10 zum zweiten Mal die Parlamentswahlen gewonnen hatten (Rechts- und Linksruck), verloren dabei ihre Mehrheit in der zweiten Kammer, im Senat. Dort stellen sie nur 48 von 100 Abgeordneten. Die PiS hat deswegen Anfang dieser Woche beantragt, in sechs Wahlkreisen, in denen ihre Kandidaten verloren hatten, die Stimmen noch einmal auszuzählen. Es seien auffallend viele ungültige Stimmabgaben abgegeben worden. Schetyna fordert hingegen die OSZE, den Europarat sowie die Venedig-Kommission zu einer möglichen Überwachung der Stimmzählung auf. Das Oppositionsbündnis hatte zudem ihrerseits Anträge gestellt, bei drei Wahlkreisen für den Senat die Wahl wegen angeblich formaler Fehler wiederholen zu lassen.
Michal Laskowski, der Sprecher des Obersten Gerichts in Warschau, kritisierte am Mittwoch die Vorhaltungen der PiS als "zu wenig konkret". Auf der anderen Seite sei eine internationale Beobachtung nicht vorgesehen.
Über die Anträge wird die Außerordentliche Kontrollkammer des Obersten Gerichts entscheiden - eine Institution, die extra von der PiS gegründet wurde und deren regierungsnahe Juristen vom Landesrichterrat nominiert worden sind, der ebenfalls aus regierungsnahen Juristen besteht. Nach Schetyna sei so kein wirklich "faires" Verfahren möglich. Ein Verändern des Wahlergebnisses mittels einer regierungsnahen Kammer gilt als Schreckensszenario, vor dem Regierungsgegner in Polen gewarnt haben.
Seit Herbst 2015 an der Macht, ist die PiS unter dem taktisch versierten Jaroslaw Kaczynski durch ihre umstrittene Justizreform in der internationalen Kritik; die EU-Kommission hat mehrere Rechtstaatlichkeitsverfahren gegen Polen begonnen. Kaczynski plant für die kommende Regierungszeit eine weitere Novelle, mittels derer er mehrere Gerichte, darunter das Berufungsgericht, reformieren will, dabei würden wieder parteiferne Richter ihr Amt verlieren.
Die zweite Kammer in Polen, der Senat, hat zwar formal keine große Machtbefugnis. Jedoch kann der Senat vom Sejm vorgeschlagene Gesetze bemängeln und zur weiteren Diskussion an den Sejm zurückgeben. Somit kann die Mehrheit der Mitglieder der Kammer eine öffentliche Debatte anregen und das Vorankommen der Justizreform verlangsamen.
Nach polnischen Recht gibt es zwei Möglichkeiten der Stimmnachzählung - das Oberste Gericht beauftragt ein regionales Gericht in dem entsprechenden Wahlkreis oder die Stimmzettel werden nach Warschau transportiert und dort unter Aufsicht von drei Richtern des Obersten Gericht ausgezählt. Bei letzterem Fall wäre es interessant, wer diese drei Richter sind. Das Oberste Gericht ist nicht komplett von der PiS kontrolliert, nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof mussten im Herbst 2018 Zwangspensionierungen rückgängig gemacht werden, darunter war auch die Vorsitzende des Gerichts, Malgorzota Gersdorf. Die Opposition hofft hier auf den Einfluss der Richterin, welche als Kritikerin der Justizreform auftrat, jedoch kann sie formal in diesen Prozess nicht einwirken.
Die PiS hat nach der Wahl zuerst versucht, einige Senatoren der Opposition auf ihre Seite zu ziehen, einer bekam sogar das Gesundheitsministerium angeboten. Die regierungskritischen Medien sprechen von Bestechungsangeboten. Michal Dworczyk, der Chef der Kanzlei von Premierminister Mateusz Morawiecki, hat im Fernsehen zugestanden, dass "derzeit einige Gespräche geführt werden."
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