Polen: Wahlen verschoben, die Unsicherheit bleibt

Andrzej Duda soll wieder Präsident werden. Bild: Kancelaria Prezydenta

Marcin Matczak, Polens bekanntester Verfassungsrechtler, spricht von einer "Bananenrepublik"

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In Polen finden am Sonntag keine Präsidentschaftswahlen statt, doch offiziell abgesagt werden sie auch nicht. Die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) verkündete dies am Mittwochabend. Vorausgegangen war dieser seltsamen Entscheidung ein Streit zwischen dem Chef der PiS, Jaroslaw Kaczynski, und Jaroslaw Gowin, der der Partei "Verständigung" vorsteht, eine Art Juniorpartner der PiS. Der Konflikt hatte bereits Ende März zu einer Regierungskrise geführt, wobei Gowin als stellvertretender Premier und Wissenschaftsminister zurückgetreten war.

Wie die Vertreter der Opposition wollte Gowin die Wahlen im Mai in der vorgesehenen Form als Briefwahl nicht akzeptieren, da beim Unterschreiben der Unterlagen gegenüber dem Briefträger eine zu große Infektionsgefahr entstehe.

Der 58-jährige Gowin und der 70-jährige Kaczynski konnten sich am Mittwochabend einigen, so dass die notwendigen 18 Abgeordneten am Donnerstagmorgen das Veto des Senats gegen das Briefwahlgesetz überstimmten. Gewählt wird vermutlich an einem Termin im Sommer. Der von ihnen favorisierte Amtsträger Andrzej Duda führt klar in den Umfragen.

"Zwei Politiker sagen ohne jegliches Verfahren die von der Verfassung vorgeschriebenen Präsidentschaftswahlen ab und entscheiden, dass sie irgendwann später stattfinden. Wenn das keine Bananenrepublik ist", kommentiert Marcin Matczak, Polens bekanntester Verfassungsrechtler am Donnerstag.

In der gemeinsamen Erklärung Gowins und Kaczynskis heißt es, dass das Oberste Gericht in der kommenden Woche die Wahlen, da sie nicht stattgefunden haben werden, für ungültig erklären wird. Danach soll die Sejm-Marschallin Elzbieta Witek einen neuen Termin bestimmen.

Im Obersten Gericht ist die als Regierungsgegnerin bekannte Vorsitzende Malgorzata Gersdorf kürzlich in Pension getreten, das Gericht gilt als bald von regierungsnahen Juristen dominiert. Dennoch sind Beobachter überrascht, dass Kaczynski und Gowin dem Gericht, das unter anderem die Rechtmäßigkeit von Wahlen begutachtet, bereits vorschreiben, wie es zu urteilen hat.

Gowin versprach auf einer Pressekonferenz, die kommenden Wahlen werden "sicher und in vollem Umfang transparent", auch soll das Briefwahlgesetz, das noch vom Staatspräsidenten unterzeichnet wird, reformiert werden.

Neben der Infektionsgefahr kritisierte die Opposition, dass mittels der bisherigen Prozedur der Briefwahl das Wahlgeheimnis nicht gewahrt wird.

Malgorzata Kidawa-Blonska, Kandidatin der vormaligen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO), die bereits zum Wahlboykott für die Wahlen im Mai aufrief, will auch bei der künftigen Wahl, die sie als "Krippenspiel" bezeichnet, nicht antreten. Der liberal-katholische Journalist Szymon Holonia und der Vertreter der Bauernpartei PSL, Wladyslaw Kozyniak-Kamys, hätten Chancen auf eine Stichwahl. Sie kritisierten ebenfalls das Verfahren, haben sich jedoch noch nicht zu einem Boykott entschlossen.

Die Politiker eint, dass sie die Wahlen um ein Jahr verschieben wollten. Dazu müsste jedoch der Katastrophenfall ausgerufen werden, der den Staat zu umfangreichen Hilfen für Firmen zwingt. Dies will die Regierung unter Mateusz Morawiecki vermeiden. Auch sehen sie durch die Briefwahl das Wahlgeheimnis bedroht.

Unklar ist auch, wie stabil die Regierung bleibt, deren Wahlbündnis sich "Vereinigte Rechte" nennt. Der PiS-Chef wird es Jaroslaw Gowin, der einst zur Bürgerplattform gehörte und dem Ambitionen auf das Amt des Premierministers nachgesagt werden, kaum verzeihen, von diesem zu einem Kompromiss gezwungen worden zu sein. Die Wahlen soll nach Kaczynskis Willen rasch durchgeführt werden, bevor die kommende Wirtschaftskrise das Leben der Polen zu sehr beeinträchtigt.