Polen, die USA und das Karottenprinzip
Trump verspricht die Aufhebung der Visa-Pflicht für Polen, das hat er schon mal gemacht und viele andere Präsidenten vor ihm
Vor dem kastenförmigen Gebäude an der Ujazdowski-Allee im Zentrum Warschaus steht eine Schlange von polnische Reisewilligen in die USA. Vergangene Woche wurden sie von Georgette Mosbacher, US-Botschafterin, Multimillionärin und Trump-Vertraute, höchstpersönlich an der Pforte bedient. "Dzień dobry, how are you!?", ruft sie einem der Wartenden am Fenster und dem Mikrofon des Senders TVN24zu, bevor sie ihm ein Dokument rüberschiebt.
Es war eine Werbeaktion, um zu zeigen, wie sehr sich die US-Vertreterin um eine polnische Herzensangelegenheit müht - das Aufheben der Visumspflicht für einen bis zu 90 Tagen dauernden USA-Aufenthalt. Dieses Versprechen ist etwa 30 Jahre alt und wird von den Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten vor den US-Wahlen beschworen - schließlich machen die "Polonia" eine wichtige Wählerschaft und die Polen an der Weichsel einen treuen Verbündeten aus.
Auch Donald Trump versprach im Herbst 2016 diese bürokratische Hürde und demütigende Bürde direkt nach seiner Vereidigung Geschichte werden zu lassen. Und wie sonst geschah auch diesmal nichts. Zu groß ist die Angst, dass Polen als illegale Migranten abtauchen und schwarz arbeiten. Von den EU-Staaten gehören darum auch Kroatien, Bulgarien und Rumänien nicht zum "Wiza Waiver Program", den Auserwählten, die ohne Prozedur in die Vereinigten Staaten dürfen.
Doch wirklich verscherzen will es die USA mit Polen nicht. Schließlich ist es wohl das einzige Land in Europa, wo Trump enthusiastisch begrüßt wird, wie im Juli 2017 in Warschau. Auch soll der US-Präsident am ersten September in Danzig bei den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs zugegen sein. Zudem sind da noch die Waffenkäufe. Etwa der Deal im Februar für 20 Raketenwerfer vom Typ HIMARS für 414 Millionen Dollar.
Das exklusive Verhältnis mit Washington gilt für die nationalkonservative Regierung in Warschau als beste Sicherheitsgarantie gegen die Bedrohung durch Russland.
Mosbacher stellt nun in Aussicht, dass Polen noch in diesem Jahr Teil des "Wiza Waiver Programs" wird. Bis Ende September müsse dafür der Prozentsatz der abgelehnten Visa nicht höher als drei Prozent liegen, im vergangenen Jahr lag er bei knapp vier Prozent. "Wir brauchen dafür die Hilfe der Polen - machen wir das gemeinsam!", appellierte die Botschafterin bereits vor zwei Wochen. Will heißen, es müssten sich nun viele Polen um ein Visa in die USA bemühen, um auf die drei Prozent zu kommen.
Dies ist nicht ganz logisch. Sollten sich nun viele Polen meldeten, die den US-Behörden dubios vorkämen, stiege ja die Prozentzahl der Abgelehnten. Die Gebühr für ein Visum beträgt derzeit 160 Dollar, auch Anträge, die abgelehnt werden, kosten.
Die US-Botschaft drehte sogar einen Animationsfilm mit zwei Botschaftsangehörigen namens "Gretchen" und "Abraham", die in gebrochenem Polnisch zum massenweisen Visumantrag anfeuerten. Auf dem entsprechenden Hashtag kommen jedoch auch kritische Stimmen von Polen vor, die sich nicht ganz ernst genommen fühlen. Als Bedingung kommt hinzu, dass zwischen der polnischen und amerikanischen Regierung ein Vertrag zu Sicherheitsfragen abgeschlossen werden soll.
In der Motivationspsychologie spricht man bei diesem Fall vom "Karottenprinzip": Eine Gruppe wird mittels einer versprochenen Belohnung (die Karotte, die an einer Schnur schaukelt) dazu veranlasst, in eine gewisse Richtung zu gehen. Ob nach der abgeschlossenen Handlung die Karotte gegessen werden darf, ist offen. Polen erfährt es dann Ende September.