Politische Kultur in den USA: Der unheimliche Erfolg eines Lügners

Seite 2: Mächtigere Interessen

Doch auch wenn manche Republikaner begründete Zweifel gegenüber ihrem Parteifreund hegen, so möchte man anscheinenden doch nicht so weit gehen, wegen ein paar läppischer angeblicher Straftaten eines Mitstreiters gleich die eigene Mehrheit im Kongress aufzugeben.

Daher sprach sich Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, gegen einen Ausschluss Santos aus und drängte darauf, den Fall Santos zum Gegenstand einer Untersuchung der Ethikkommission zu machen.

Ein Manöver, das wenig überraschend am vergangenen Mittwoch durch eine Abstimmung im mehrheitlich mit Republikanern besetzten Kongress bestätigt wurde.

Dass sich nun liberale Medien wie die New York Times darüber echauffieren, ein solches Taktieren zeige wieder einmal, dass den Republikanern nichts am Schutz der heiligen Institutionen des Staates gelegen sei, ist genauso vorhersehbar wie das von ihnen kritisierte Verhalten der Republikaner.

George Santos, wer auch immer er in Wirklichkeit ist, spaltet also nicht wirklich die Gemüter in Washington DC. Die Republikaner stellen sich, falls nötig, auch hinter einen Betrüger, wenn es dem eigenen politischen Überleben dient.

Die Demokraten zeigen sich wieder einmal entsetzt, ohne sich allerdings zu fragen, warum es sich für jemanden wie George Santos lohnen könnte, trotz aller Anklagen nicht von seinem Amt zurückzutreten. Könnte es am Ende sein, dass die Bastionen der Demokratie am Ende vor allem diejenigen schützen, die in ihnen walten?

Auch sollten die Demokraten der Frage auf den Grund gehen, wie ihnen eigentlich all diese offensichtlichen Ungereimtheiten in George Santos Lebenslauf während des Wahlkampfes entgehen konnten.