Präsident Macron legt sich mit Sputnik und RT an

Seite 2: Unsaubere Anklage

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Interessant ist aber, dass RT den Dhuicq-Bericht nicht veröffentlicht hat, auch wenn dies andere Veröffentlichungen wie etwa von Reuters möglicherweise suggerierten, weil sie einen Vorwurf des Macron-Kampagnenleiters Richard Ferrand wiedergaben.

Ferrand lancierte in Le Monde und auf France 2 Vorwürfe der Verbreitung von fake news durch RT und Sputnik. In Le Monde erschien am 14. Februar ein Artikel mit dem pathetisch aufgezogenen Titel "Lassen wir nicht zu, dass Russland die Präsidentschaftswahl in Frankreich destabilisiert". Darin wurden die Vorwürfe sehr breit angelegt: Ferrand machte RT und Sputnik für die Verbreitung dieser Gerüchte in den sozialen Netzwerken und durch Verstärker wie Le Salon belge oder Saker mitverantwortlich.

Das ist ein heikler Punkt, den auch der IT-Verantwortliche der Macron-Kampagne Mounir Mahjoubi in seinen Vorwürfen aufnahm, nämlich dass es ein Netz an Sympathisanten gebe, die solche Gerüchte weiter verbreite und verstärke.

Die Frage ist allerdings, inwieweit hier RT oder Sputnik in eine direkte Verantwortung zu ziehen sind, wie dies Macron und sein Team tun. Alles wird in Ferrands Anklage zusammengerührt: die Intrige zu Macrons Privatleben, die antisemitische Rothschilds-Rhetorik, die Angriffe auf Webseiten von En Marche, die nicht erwiesenen Vorwürfe zu Macrons Bahamas-Konto, Julian Assange und seine Verbindungen zu Russland, usw..

Man könnte angesichts der Finanz-Affäre, der sich Ferrand gerade ausgesetzt sieht, annehmen, dass er manche Dinge nicht sorgfältig und sauber regelt. Das wäre dann eine ähnliche Pauschalanklage, wenn auch in einer anderen Dimension.

Macron muss keine unliebsamen Journalisten in sein Wahlkampflager lassen, das ist sein Hoheitsrecht. Man muss nur auf die andere Seite des Atlantiks zu Trump schauen, um zu sehen, wie dieser seine Hoheitsrechte gegenüber der Presse ausübt. Macron ist die Gegenfigur zu Trump, er hat den Mainstrem jubelnd auf seiner Seite und die "Alternativen" zum Gegner.

Stichhaltige Beweise und rote Linien in Syrien

Zu einer Anklage gehören aber auch stichhaltige Beweise, nach Stand der Dinge hat sich Sputnik mit seinem Artikel über Dhuicqs Gift an der Verteilung von anrüchigem Schmutz maßgeblich beteiligt. Aber das ist im Journalismus nichts Ungewöhnliches. Für die Anklage, dass RT und Sputnik fake news verbreiten, muss Macron aber mehr auf den Tisch legen.

Das wird noch interessant, wenn es um den anderen Punkt geht, der beim Arbeitstreffen zwischen Putin und Macron angesprochen wurde: die "roten Linien". Macrons Ansage lautet, sollte es zu einem Giftgasangriff in Syrien kommen, werde Frankreich eingreifen. Er sagte nicht, wie Frankreich konkret reagieren werde, und er sagte nicht, "bei einem Giftgasangriff der Regierungstruppen".

Aber jeder weiß, dass Frankreich unter Hollande eng mit der syrischen Opposition und NGOs wie den White Helmets verbunden war, die vor allem ihre Sicht als Wahrheit darstellten - und dazu auch auf Inszenierungen zurückgreifen. Frankreich lieferte dann aufgrund dieser Grundlagen "Nachweise", die keine waren, um öffentlich die syrische Regierung für den Giftgasangriff am 4. April in Chan Scheichun zu beschuldigen. Diese Anklage ist noch immer nicht eindeutig erwiesen. Die französische Regierung erklärte dies aber dazu.

Auch das ist kein Umgang mit Wahrheit, wie man ihn sich von einem Präsidenten, der gegen Fake News antritt, erwarten kann. Alles spricht dafür, dass Macron in Syrien dort weitermacht, wo Hollande aufgehört hat: mit politisch zurechtgezimmerten Botschaften.

Medial wird Macron von einer geförderten Hofberichterstattung begeleitet. Ohnehin ist er von Könnern umgeben, die Inszenierungen beherrschen, wie der ausgetüftelte Empfang von Putin gezeigt hat. Genau deswegen hat Macron Gegenstimmen nötig. Allerdings nicht solche der Art, wie sie Dhuicq herausgockelt.