Präsidentschaftskandidat George Bush kämpft gegen kritische Websites

Nach dem Aufkauf von vielen Domainnamen muß jetzt das Urheberrecht herhalten

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Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf spielt sich natürlich auch im Internet ab. Die meisten der Kandidaten haben ihre Websites, um für sich zu werben, allerdings drohen im Internet auch einige Gefahren. Bislang waren Cracker noch nicht am Werk, aber zumindest scheint der texanische Gouverneur George W. Bush oder sein Wahlkampfteam es nicht gerne zu sehen, wenn es andere Websites mit einer ähnlichen URL wie seine offizielle www.georgewbush.com gibt, auf denen möglicherweise Gegner ihn kritisieren oder durch den Kakao ziehen könnten.

Solche ähnlich lautenden URLs könnten Menschen versehentlich eintippen und dann anstatt auf der richtigen Website auf einer anderen landen, z.B. auf www.gwbush.com, gwbush.org oder gbush.org, die Zack Exley, ein Computerberater aus Boston, für sich hat reservieren lassen. Angeblich ist das auch der Fall, denn wöchentlich würden nach RTMARK Tausende von Menschen auf der Suche nach der offiziellen Website auf www.gwbush.com kommen. Ähnlich aufgemacht wie die offizielle Site handelt es sich dabei aber um eine kritische Parodie, gestaltet von der Gruppe RTMARK, die sich als eine Werbeagentur mit subversiven Auftrag versteht. Ihre Kampagnen vornehmlich in und mit Medien zielen darauf, die Herrschaft der Konzerne über die Politik zu brechen.

Schon vor einem Jahr, bevor der republikanische Gouverneur offiziell seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgegeben hatte, begann das Team von Bush die Rechte an Dutzenden von Domainnamen zu erwerben, die in irgendeiner Form seinen Namen enthalten. Neben www.bushsucks.net oder www.bushblow.com, bei deren Aufruf man auf die offizielle Seite gelenkt wird, wurden von seinem Berater Karl Rove auch einige Namen, die in Verbindung mit möglichen Vizepräsidenten stehen, z.B. www.bushwhiteman.com (die Gouverneurin Christine Whitman von New Jersey) oder www.bushengler.com (der Gouverneur John Engler von Michigan) gekauft. Man blickt in die Zukunft, will das Netz sauber halten und sich alle Optionen sichern, was allerdings auch bereits in der Partei für Unruhe sorgt. Manche, die sich die Rechte auf Domainnamen wie www.georgebush.com bereits vor der umfassenden Aufkaufaktion von Rove gesichert hatten, haben sie mittlerweile Bush gestiftet oder verlangen für die Übergabe etwas, beispielsweise einen persönlichen Dankesbrief des Präsidentschaftskandidaten. Aber vor allem ein Domainname, nämlich www.gwbush.com, fehlt zum Glück des Teams noch: "Es gibt da einen Menschen", so Dave Beckwith, Pressesprecher von Bush, "der eine Site besitzt, die wir haben wollen, und der dafür 350000 Dollar will. Ist das nicht unglaublich?"

Auf der parodistischen Website www.gwbush.com kündigt etwa Bush eine umfassende Amnestie der Menschen an, die wegen Drogenmißbrauch im Gefängnis sitzen, weil auch er einst angeblich Kokain genommen habe. Wer nicht aufpaßt, könnte möglicherweise tatsächlich auf die Parodie hereinfallen. Das ist ärgerlich, also geht das Bush-Team auch mit härteren Mitteln gegen den Besitzer Zack Exley vor, der freilich sagte, daß er davor die URL durchaus verkauft hätte, auch wenn er die erste Forderung von 80000 Dollar nicht erzielt hätte. Da er aber keine Angebote erhalten habe, wurde er sauer und hat RTMARK beauftragt, die Website zu gestalten.

Um zumindest das Schlimmste abzuwenden, schrieb Benjamin Ginsburg, Rechtsberater von Bush, am vierten April einen Brief an Exley und forderte ihn auf, sofort alle Inhalte zu entfernen, die von der offiziellen Website entnommen wurden - mit Ausnahme der "reinen Fakten", sofern sie als solche dargestellt werden. Man habe zwar nichts prinzipiell gegen Websites, die sich über einen Kandidaten lustig machen oder ihn parodieren, aber es gebe gewisse Grenzen, erläutert er. Um nicht gleich frontal gegen die Meinungsfreiheit anzugehen und der Zensur verdächtigt zu werden, versuchte Ginsberg Exley der Verletzung von Urheberrechten und Markenschutzgesetzen zu beschuldigen. Auch wenn Texte, Bilder und Gestaltung - "look and feel" - auf der offiziellen Website öffentlich und kostenlos zugänglich seien, so Ginsberg, ist das Material urheberrechtlich geschützt und kann in großem Umfang trotz der "fair use"-Regelung nicht ohne Autorisierung verwendet werden. Überdies gäbe es auf der Website Links auf andere Seiten mit Inhalten, die Gewalt verherrlichen und Frauen erniedrigen. Die Übernahme sei so weitgehend, "daß die Wahrscheinlichkeit besteht, daß jemand, der im Web surft, zum irrigen Eindruck kommen könnte, daß Ihre Site das Exploratory Committee repräsentiert oder von diesem autorisiert ist."

Das Urheberrecht wird hier also in den Dienst genommen, um Unliebsames zu zensieren. Obgleich Ginsberg behauptet, daß die Website voller falscher und verleumderischer Aussagen sei, um George Bush zu schaden, scheint man einen direkten Rechtsstreit etwa wegen Verleumdung bislang vermeiden und eine "Zensur" auf Nebenkampfplätzen erreichen zu wollen.

Am 3. Mai schrieb Ginsburg dann einen offiziellen Beschwerdebrief an die Wahlbehörde, worin er kritisierte, daß Exley mit seiner Website wie ein politisches Wahlkampfkomitee agiere, aber die Wahlgesetzgebung verletze, weil er sie nicht als solches registrieren hat lassen, obgleich der Marktwert der Site weit über 1000 Dollar liege. Das aber kennzeichne in diesem Fall ein politisches Komitee, das regelmäßig seine Finanzen veröffentlichen muß. Angeblich habe die Wahlbehörde, wie RTMARK behauptet, bereits einen Untersuchungsausschuß eingerichtet, um über die mögliche Regulation solcher Seiten wie www.gwbush.com Klarheit zu erlangen. "George W. Bush Jr. ist offensichtlich der Meinung, daß kleine Leute sich zuerst bei der Regierung registrieren lassen müssen, bevor sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet ausüben dürfen", sagt Rita Mae Rakoczi von RTMARK. "Die Implikationen eines solchen Präzedenzfalls könnten ziemlich ernsthaft sein."