Prionen auch in Niere, Bauchspeicheldrüse und Leber

Bei Mäusen mit einer chronischen Entzündung verbreitet sich "BSE" auf bislang unbekannte Weise

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Mathias Heikenwalder und Mitarbeiter aus Zürich, London und New Haven schreiben in Science, dass bei Mäusen eine chronische Entzündung den Weg für "BSE" bahnt. Nicht nur die typischen Organe, d.h. Lymphknoten, Milz und Thymus, werden befallen, sondern auch Leber, Niere und Bauchspeicheldrüse, alles Organe, die bisher kein Augenmerk auf sich zogen.

Schnitte von den Organen (Leber, Niere und zwei Bauchspeicheldrüsenschäden) zeigen den Anteil an B220- und CD35-Zellen als Hinweis für eine Entzündung (A). Im zweiten Abschnitt kann die Reaktion vom PrP-Antiserum mit dem FDC-Netzwerk dargestellt werden(B). Bilder: Heikenwalder.

Sowohl BSE wie die von-Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung gehören zu den "übertragbaren spongiformen Enzephalopathien" (transmissible spongiform encephalopathy oder TSE)1. Glaubte man zunächst, dass es sich dabei um eine Erkrankung durch "langsame" Viren handelt, ist mittlerweile die Prionen-Hypothese weitgehend anerkannt. Prionen sind zylinderförmig, etwa 150 nm lang, 10 nm dick und säurefest, sowie in vielen Fällen auch widerstandsfähig gegen den Abbau durch Proteasen. Prionen (proteinaceous infectious particles) werden als falschgefaltete Proteine zellulärer Herkunft angesehen. Und mehr noch: sie vermehren sich selbstständig.

Die bisher dominierende Prionenerkrankung ist die Rinderkrankheit (BSE oder Bovine Spongiforme Enzephalopathie). Sie wurde 1986 erstmals im englischen Kent bei zehn Rindern festgestellt. Die Rinder begannen zu straucheln und über die eigenen Beine zu stolpern. Kurze Zeit darauf starben sie. Da in England seit den 70er Jahren unzureichend erhitztes Tiermehl als Kraftfutter für Rinder angeboten wurde, erscheint es am wahrscheinlichsten, dass die Krankheit über diesen Weg ihren unheilvollen Lauf nahm. Im Gehirn fand sich ein schwammartig durchlöchertes Gewebe, in denen Prionen nachgewiesen wurden.

Parallel hierzu nahm in England die von-Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung zu und dokumentierte einmal mehr, dass sie von der Rinderkrankheit übertragen wird. Bisher sind 152 Todesfälle aufgetreten; die Zahl der Erkrankungen wird allerdings noch weiter steigen. Unsicher ist letztlich die Latenzzeit, nach der die Erkrankung beim Menschen auftritt. In England ist aufgefallen, dass es sich bisher um eine sehr frühe Form handelt. Sie führt nämlich bereits bei 20-40-Jährigen zum Tod, und nicht erst im höheren Lebensalter.

Das Notschlachten der Rinder in Großbritannien und alle weiteren Schritte, um BSE und folglich die von-Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung zu verhindern, beruhen auf der Erkenntnis, dass den Tieren kein Tiermehl mehr verfüttert wird, das aus den Resten von nicht mehr verwertbaren Rinderteilen hergestellt ist. Ohne entsprechende Untersuchung dürfen Hirn, Knochenmark und Knochen nicht mehr verarbeitet werden. In den USA ist seit dem Auftreten einer Erkrankung im Dezember 2004 auch verboten, Material von einer "downer cow" (Strauchler) zu verwenden.

Das allein ist aber nicht ausreichend. Beispielsweise sind trotz der strengen Bestimmungen in Kanada aktuell wieder drei Tiere an BSE erkrankt. Die Behörden bemühen sich, die Ursachen aufzudecken. Womit die Freigabe des kanadischen Tierimportes in die USA weiterhin unklar ist. Bei all diesen Unsicherheiten bleibt das Verbot zur Rindfleisch-Einfuhr aus den USA sowohl in Japan, dem wichtigsten Abnehmer, wie in Südkorea bestehen.

Zurück zu den Mäusen

Wenn die auslösende Substanz den Labortieren verabreicht wird, gelangt sie zunächst in Milz und Lymphknoten, wo sie sich vermehrt, und wandert dann über die Nerven (N.splanchnius) zum Rückenmark und anschließend zum Gehirn.

Heikenwalder und Mitarbeiter haben nachweisen können, dass chronische Entzündungen bei ihren Mäusen den Prozess ausweiten. Nicht nur das Gehirn ist betroffen, sondern auch Leber, Bauchspeicheldrüse und Niere werden von den falsch gefalteten Proteinen überflutet.

Tatsächlich ist die Leber normalerweise reichlich von Zellen des Immunsystems durchsetzt, den Zellen des "retikuloendothelialen Systems". Bei einer Entzündung ist der Anteil solcher Zellen noch höher. Für die Bauchspeicheldrüse gilt die Befürchtung, dass Rinderinsulin, wie 1990 von der englischen Diabetesgesellschaft vermutet, ebenfalls betroffen sein könnte. Denn die Hersteller konnten nicht belegen, dass die Bauchspeicheldrüse nur von gesunden Tieren entnommen wurde.

Und schließlich gäbe es eine Erklärung für die "neue" von-Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung. Möglicherweise handelt es sich bei den Opfern um Personen mit einer chronischen Entzündung, in deren Folge es zur abnormen Vermehrung der Prionen kommt. Dieser Prozess könnte die "Überschwemmung" mit dem Erreger und damit den Zusammenbruch des Körpers erklären.

Folglich sollte bei Verdacht auf BSE, nicht nur das Gehirn, sondern auch Leber, Bauchspeicheldrüse und Nieren untersucht werden. In den USA wurden im Jahr 2003 nur rund 20.000 von 35 Millionen geschlachteten Rindern geprüft. Das kann nicht ausreichen, wenn sich der Anteil der "downer" im gleichen Jahr auf knapp 200.000 Tiere belief. Ein ungeheurer Leichtsinn, der nur durch die lange Latenzzeit bis zum Ausbruch der Erkrankung möglich ist.