Privatkopie, Kopierschutz und die verworrene Rechtslage
Macht sich die Musikindustrie durch Kopierschutzvorrichtungen strafbar?
Es ist mehr als ärgerlich. Du kaufst dir eine teure Audio-CD und dein Dreijähriger spielt sie ab. Im Toaster. Kaputt. Ein Verlust für dich, ein Gewinn für die Musikindustrie, wenn du noch einmal in die Tasche greifst. Selbstverständlich hast du dir vorher keine Privatkopie gezogen, weil es verboten sein könnte, weil der Kopierschutz dich nicht passieren ließ oder du es schlicht vergessen hast. Über vermeintliche Musikpiraten, die angeblich die gesamte Musikindustrie ins Elend stoßen, ist bereits genug geredet worden. Einher geht damit die schleichende bis offene Kriminalisierung der globalen Gemeinde von Musikliebhabern, die ohne Arg Privatkopien ziehen wollen.
Strafbarkeit der Opfer?
Die Juristen Tarek Abdallah, Björn Gercke und Peter Reinert gingen statt dessen der brisanten Fragestellung nach, ob hier nicht Täter und Opfer verwechselt werden. Könnten sich nicht die Kopierschützer durch die weit reichenden Verteidigungsanlagen um ihr Datenangebot herum strafbar machen?
Gibt es auf der Audio-CD einen Kopierschutz, kann bekanntlich schon das Abspielen in üblichen PCs zur Qual werden. "Cactus Data Shield" und "Key2Audio" erkennen die Datenträger nicht, lesen sie nicht richtig und können selbst Hifi-Anlagen beschädigen (Kopierschutz um jeden Preis?). In PC-Laufwerken kann die "Kopiersperre" zur "Abspielsperre" werden. Der Kopierschutzmechanismus ist leider noch zu "dumm", zwischen Abspielen, Kopieren für Privatzwecke oder der Herstellung illegaler Massenkopien zu unterscheiden. Ausgangspunkt für eine Strafbarkeit der Musikindustrie, die sich mit dem Kopierschutz schützen will und womöglich das Kind mit dem Bade ausschüttet, ist § 303 a des Strafgesetzbuches:
(1) Wer rechtswidrig Daten (§ 202a Abs. 2) löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Zwar reicht für den Tatbestand dieser Strafrechtsnorm noch nicht die schlichte Veränderung von Daten allein aus. Aber nach Sichtung der verschlungenen Strafrechtsdogmatik könnte der restriktiv zu interpretierende Tatbestand des § 303a StGB zumindest dann erfüllt ist, wenn der Anspruch des Erwerbers einer Musik-CD auf die ungehinderte Nutzung der CD bzw. auf Anfertigung von Kopien für private Zwecke vereitelt wird.
Zum Anspruch auf Privatkopien
Dieser Anspruch des Nutzers ergibt sich aus dem novellierten § 53 UrhG auch für Zwecke der digitalen Vervielfältigung. Danach steht dem User das Recht auf freien Werkgenuss zu: Er kann also mit dem urheberrechtlich geschützten Werk im Rahmen seiner Privatnutzung so verfahren, wie immer er es möchte. Mit dem § 53 UrhG verzichtete der Gesetzgeber auf die Normierung von Verbotstatbeständen und erklärte die Anfertigung von Kopien zum privaten Gebrauch für zulässig. Als Kompensation für die Urheber gibt es einerseits die Geräteabgabe gegen die Hersteller von Vervielfältigungsgeräten, zum anderen die Leerkassettenabgabe gegen die Hersteller von Bild- und Tonträgern.
Das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft wird maßgeblich von dem Versuch geprägt, den Interessenkonflikt zwischen Käufern und Musikindustrie im Zeitalter digitaler Kopiertechniken gerecht zu werden. Im Juli diesen Jahres billigte der Bundesrat das Gesetz, was Bundesjustizministerin Brigitte Zypries so kommentierte:
Jetzt können die Regelungen zum Kopierschutz und zum Umgang mit geistigem Eigentum im Internet endlich in Kraft treten. Das ist vor allem für die Musik- und Filmwirtschaft von eminenter Bedeutung.
Und wo bleiben die Interessen der Käufer? Zuvor hatte es zwischen Bundesrat und Bundestag Streit im Vermittlungsausschuss über die Privatkopien gegeben. Die sind jetzt nur zulässig, soweit hierfür eine nicht rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. "Wer - ganz gleich ob gewerblich oder privat, entgeltlich oder unentgeltlich - Musik, Filme oder Computerspiele im Internet zum Download anbietet und verbreitet, ohne hierzu berechtigt zu sein, macht sich strafbar", erläuterte die Bundesjustizministerin die zukünftige Rechtslage.
Inzwischen wird von einigen Juristen aber sogar das Recht, überhaupt Privatkopien anzufertigen, in Abrede gestellt. Angeblich würde dieses Recht dem Grundgedanken des Urheberrechts widersprechen, dem Rechtsinhaber die Erwerbsmöglichkeiten aus seinen Werken zu sichern. Aber diese Auffassung wird weder durch das Gesetz noch durch die Gesetzesgeschichte bestätigt. Die der Reform zu Grunde liegenden EG-Richtlinie (2001/29/EG vom 22. Mai 2001) legt in Art. 6 IV Unterabsatz 2 den Mitgliedstaaten sogar nahe, dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn die Möglichkeit, Privatkopien anzufertigen, durch technische Schutzmaßnahmen beeinträchtigt wird.
Nichts anderes bestimmte auch die Motive des nationalen Gesetzgebers bei der Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. Auch danach soll die digitale Privatkopie zulässig sein. Allerdings werden nun in § 95a UrhG technische Schutzvorrichtungen, die das Kopieren verhindern sollen, weit reichend geschützt (Die rechtlich geschützte Kopierschutz-Gesellschaft).
Auch wenn das widersprüchlich erscheint und demnächst auf eine undurchsichtige Rechtsprechung stoßen könnte, wenn der Gesetzgeber keine Abhilfe schafft, verbleibt es mit der Neuregelung eindeutig beim Schutz der Privatkopie. Zwar basteln Juristen auch an einer musikindustriefreundlichen Interpretation des novellierten § 53 UrhG, aber das Recht auf Privatkopien kann nicht in das Belieben der Industrie gestellt werden.
Entscheidend ist nach der eingangs genannten Rechtsauffassung folgendes: Da die §§ 54 ff. UrhG, die das Abgabensystem festlegen, nicht vom Gesetzgeber kassiert worden sind, kann dann nicht dem Urheber freigestellt werden, ob er nun durch den Kopierschutz darüber entscheidet, ob Privatkopien möglich sind oder nicht. Das könnte aber auch die Crux der vorliegenden Argumentation sein.
Wer eine Vinylplatte herstellt, kann auch nicht dazu gezwungen werden, nur noch digitale Aufnahmen zu verkaufen, damit überhaupt die Möglichkeit der Herstellung einer verlustfreien Privatkopie möglich ist. Es ist nicht ersichtlich, dass es eine Pflicht des Urhebers gibt, Daten in jeder Weise zur Verfügung zu stellen. Vor dem Kauf weiß der Käufer zudem regelmäßig, dass die Abspielmöglichkeiten und Möglichkeiten, Privatkopien anzufertigen, eingeschränkt sein könnten. Für die eingangs genannten Autoren erfüllt die Anwendung der aktuellen Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs dagegen den Straftatbestand der Datenveränderung des § 303a StGB. Tatbestandsmerkmal wäre das Unterdrücken von Daten, da der Käufer die Daten nicht mehr in dem vom Urheberrecht vorausgesetzten Umfang verwenden kann.
Unbefriedigende Gesetzeslage
Darf der Käufer also doch zu weit reichenden Umgehungsmaßnahmen des Kopierschutzes greifen, um sein mehr oder minder gutes Recht zu realisieren? Letztlich hieße das, dass der Wertungswiderspruch des Gesetzes zum Risiko des Verbrauchers wird, der bei Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen zum eigenen, privaten Gebrauch in §§ 108 b, 111 a UrhG zwar nicht strafbar ist. Entscheidend ist jedoch, dass zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche dem Glück des Privatkopierers ein schnödes Ende bereiten könnte.
Bejaht man die Strafbarkeit, wartet vermutlich weitere Arbeit auf den Gesetzgeber, wenn er die Rechtsprechung nicht in Konfusion stürzen will. Denn der Käufer einer Audio-CD, der zum Opfer strafbaren Verhaltens der Musikindustrie wird, muss dieses Verhalten nicht dulden. Wenn das aber zulässig ist, kann es nach dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung nicht rechtmäßig sein, dass hier die Sanktionswirkung über zivilrechtliche Ansprüchen vermittelt wird. Mit anderen Worten: Wenn die Musikindustrie strafbar handelt, kann der Nutzer, der sich dagegen wehrt, nicht auf dem Umweg über das Zivilrecht dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Scheitert jedoch der Schutz von Kopiersperren am Strafrecht, wird dann auch die Frage virulent, in welchem Umfang sich die Hersteller von Kopierprogrammen einschließlich solcher, die den Kopierschutz umgehen, vulgo: knacken, strafbar machen sollten bzw. ihrerseits zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sein sollten. Allerdings löst diese Überlegung längst nicht das Problem, weil die Verwendungsweisen solcher Kopiersoftware in einer unbestimmten Zahl von Fällen auch bei der Anfertigung illegaler Massenkopien eingesetzt werden können.
Das Gesetz in seiner jetzigen Fassung ist unbefriedigend, weil es die urheberrechtlichen Ungereimtheiten nicht auflöst, sondern neue Rechtsunsicherheiten schafft. Diverse Hersteller der Softwareindustrie haben bereits Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz angekündigt, das nach Auffassung von einigen Juristen ohnehin verfassungswidrig sei. Insofern wird es für die weitere Ausgestaltung der Rechtslage darauf ankommen, den Schutz der Privatkopie zu verteidigen, ohne hier große Teile der Käufergemeinde zu verunsichern oder gar zu kriminalisieren.