Prostitution und Sexkaufverbot: Neuauflage einer Kontroverse

Straßenprostitution, Westeuropa. Bild: Kay Chernush for the U.S. State Department

Die Zeitschrift Emma forderte es mit einem Appell vor zehn Jahren. Jetzt greift CSU-Politikerin Bär das Thema auf. Was ein Berufsverband dazu sagt und wieso er kritisiert wird.

Die konservative Politikerin Dorothee Bär (CSU) hat mit ihrem Vorstoß für ein "Sexkaufverbot" eine Forderung aufgegriffen, über die seit Jahren lagerübergreifend kontrovers diskutiert wird.

"Die Situation von Prostituierten in Deutschland ist dramatisch. Wir brauchen dringend einen Paradigmen-Wechsel: ein Sexkaufverbot in Deutschland", sagte Bär diese Woche der Bild-Zeitung.

Nach ihrer Schätzung gibt es momentan bundesweit rund 250.000 Prostituierte. Die meisten kämen aus dem Ausland, nur ein Bruchteil sei behördlich angemeldet. "Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt. Deutschland ist mittlerweile auch weltweit als Land für Sex-Tourismus sehr attraktiv", sagte Bär.

Sie sprach sich für die Einführung des "Nordischen Modells" wie in Schweden aus, bei dem die Käufer von "sexuellen Dienstleistungen" bestraft werden, nicht aber die Prostituierten. "Das Beispiel Schweden zeigt: Mit einem Sexkauf-Verbot geht die Zahl der Prostituierten drastisch zurück.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Der Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) lehnt Bärs Forderung erwartungsgemäß ab. Ein solches Verbot führe für Sexarbeitende in prekären Situationen zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen, sagte Verbandssprecher Kolja-André Nolte, der selbst als "Dominus" tätig ist, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Berufsverband organisiert auch Bordellbetreiber – unter einer Bedingung

"Im Klartext: Gerade diejenigen, die eigentlich gerettet werden sollen, müssen in der Sexarbeit verbleiben", so Nolte. Das betreffe diejenigen ohne berufliche Alternative.

Bei Feministinnen, die sich für eine Abschaffung der Prostitution einsetzen, steht der Verband aber gerade als Sprachrohr des privilegiertesten Teils der Berufsgruppe in der Kritik. So entstehe ein verzerrtes Bild von Freiwilligkeit und Selbstbestimmtheit.

Der BesD selbst erklärt dazu auf seiner Homepage: "Wir würden uns alle wünschen, wenn mehr unterschiedliche Kollegen und Kolleginnen offen sprechen könnten! Doch die allermeisten können sich ein Outing nicht trauen oder leisten." Allerdings gibt der Verband an, auch Mitglieder aufzunehmen, "die eine Prostitutionsstätte betreiben", allerdings nur, wenn sie zumindest in der Vergangenheit "selbst als Sexarbeiter:in aktiv" waren.

Allerdings sind es nicht nur solche Interessenvertretungen, die ein Sexkaufverbot ablehnen. Auch Politikerinnen wie Ulle Schauws (Grüne) und Cornelia Möhring (Die Linke), sehen die Forderung kritisch – obwohl es in beiden Parteien auch Verbotsbefürworterinnen gibt.

Die Zeitschrift Emma wirbt seit zehn Jahren für ein Sexkaufverbot

Emma-Gründerin Alice Schwarzer zählt zu den entschiedensten Verbotsbefürworterinnen. Die Zeitschrift hat bereits vor zehn Jahren einen Appell prominenter Frauen für die Freierbestrafung veröffentlicht.

Seit 2002 gilt Prostitution in Deutschland nicht mehr als sittenwidrig - Verträge zum Zweck der Ausübung von Prostitution, zum Beispiel die Anmietung eines Gewerberaumes oder zwischen Sexarbeitenden und Kunden haben seither auch vor Gericht Bestand.

Zugleich wurden damals Paragrafen des Strafgesetzbuches abgeschafft, die zum Beispiel die (Selbst)-Organisation von Prostituierten und die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen betrafen.

Linke Befürworterinnen eines Sexkaufverbots argumentieren unter anderem mit der Gefahr einer Normalisierung der Prostitution, die dazu führen könne, dass sie irgendwann als "zumutbare Arbeit" im Sinne des Sanktionsregimes der Jobcenter gilt. Außerdem sei in Bordellbetrieben aufgrund von Einschüchterung oft schwer zu kontrollieren, wie "freiwillig" die überwiegend weiblichen Prostituierten dort arbeiten.